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VIETNAM / OPERATION ATTLEBORO Feind gestellt

aus DER SPIEGEL 48/1966

Die Soldaten suchten Reis und fanden den Feind. Eine Kompanie GIs der 196. Leichten Infanterie-Brigade durchstöberte Ende Oktober den Dschungel an, der vietnamesisch-kambodschanischen Grenze - die sogenannte Kriegszone C - nach roten Vorratslagern. Aus der Reis-Patrouille wurde die bisher größte Schlacht des Vietnamkriegs.

Die Zone C, die etwa hundert Kilometer nordwestlich von Saigon beginnt, ist einer der schlimmsten Malaria-Winkel der Welt. Zugleich aber ist das hügelige Dschungelland seit den Tagen des ersten Indochinakriegs eine der stärksten Bastionen der roten Guerillas in Vietnam.

Dort rollte jahrelang ungestört der Partisanen-Nachschub aus Kambodscha heran. Dort fühlten sich die Vietcong so sicher, daß sie - nahe der Grenze - ihr politisches und militärisches Hauptquartier aufschlugen. Dort legten sie ihre größten Reis- und Rüstungsdepots an.

Die Spürhunde der 196. US-Brigade waren auch bald auf der richtigen Fährte: Sie entdeckten fast tausend Tonnen Reis - genug, um ein ganzes Vietcong-Regiment ein Jahr lang zu verpflegen.

Als sie weiterforschten, wurden sie jäh von einem Feuerhagel gestoppt: Starke Vietcong-Verbände verteidigten erbittert ihre Vorräte.

General William DePuy, der Oberkommandierende der 1. US-Infanterie-Devision (Spitzname: »Die Große Rote Eins«, weil ihr Divisionswappen eine große rote Eins zeigt), sah die Chance, eine starke Feind-Macht zu stellen. Er warf Tausende Soldaten der Traditions-Division, die im Zweiten Weltkrieg als erste in der Normandie gelandet war, binnen eines Tages per Hubschrauber in die Kriegszone C. Die »Operation Attleboro« begann.

Der US-Oberkommandierende in Vietnam, General William Westmoreland, schickte die gesamte 1. Infanterie-Division in die Schlacht. Zur Verstärkung folgten Teile der 25. Division sowie der 173. Fallschirmjägerbrigade, vietnamesische Rangers und Filipino-Hiwis. Letzte Woche standen insgesamt 25 000 Verbündete - die bisher stärkste Massierung alliierter Truppen in Vietnam - im Einsatz gegen etwa 7000 rote Elite-Partisanen.

Mit allen Mitteln suchten sie den Feind zum Kampf zu zwingen. Es gelang, jedoch mit wechselndem Erfolg:

Am 8. November - dem amerikanischen Wahltag - rannten zwei rote Bataillone gegen 450 Mann der Großen US-Roten an. Die GIs hatten sich eben eingegraben, als die Partisanen von drei Seiten anstürmten. Sie kamen - im Feuerschutz von Granatwerfern und schweren Maschinengewehren - bis an, die Wälle der Amerikaner. Doch dann legten US-Artillerie und Kampfflugzeuge einen Napalm- und Granaten-Gürtel um die Stellung - so dicht, daß auch Verteidiger getroffen wurden.

Die Angreifer aber verloren mehr als die Hälfte ihrer Soldaten: Anderntags zählten die Amerikaner rings um die Stellung 529 tote Rote.

Die Guerillas ließen sich auf die mörderische Schlacht ein, denn es ging nicht nur um Reis: In verlassenen Tunnels lagen 19 000 Granaten chinesischer und russischer Herkunft, darunter auch - von den Vietcong während des Kampfes erstmals verwendete - Tränengas-Geschosse. Es war eines der größten feindlichen Munitionslager, die die USTruppen in Vietnam je ausgehoben hatten.

Anfang letzter Woche entbrannte die zweite erbitterte Schlacht. Die Roten schossen fünf US-Hubschrauber ab, darunter den des stellvertretenden Kommandeurs der 1. Infanterie-Division, Brigadegeneral James Hollingsworth; der General kam mit Schrammen davon.

Strategische B-52-Bomber flogen aus dem 4000 Kilometer entfernten Guam an; 107 Kampfflugzeuge aus frontnahen Basen griffen ein, um »den härtesten Gegner seit den Indianerkriegen« (so ein Oberstleutnant der 1. Division) niederzuhalten.

Bis Mitte letzter Woche waren zwar elf US-Kompanien hart angeschlagen eine so hart, daß sie nach dem Ausfall aller Offiziere und Unteroffiziere von einem Obergefreiten kommandiert werden mußte -, aber die Partisanen ließen insgesamt weit über tausend Tote in ihrer zernierten Festung zurück.

Und: Die Gefallenen waren Elite-Soldaten der Kommunisten - Angehörige der 9. Vietcong-Division, die als besttrainierte aller Guerilla-Einheiten galt, und des 101. nordvietnamesischen Infanterie-Regiments.

Sie waren - wie aus Gefangenen-Aussagen hervorging - für eine große Offensive im Raum nördlich der Hauptstadt zusammengezogen worden. Nun flüchteten die roten Bataillone in die unzugänglichsten Tiefen des Dschungels der Zone C und über die Grenze ins neutrale Kambodscha.

»Unsere Chancen, den Feind nochmals zur Schlacht zu stellen, sind sehr zusammengeschrumpft«, resignierte General DePuy. »Wir sind da jetzt zu stark.«

Verwundete US-Soldaten in der Kriegszone C: Die stärkste alliierte Streitmacht...

... gegen den härtesten Gegner seit den Indionerkriegen US-Soldaten, toter Vietcong

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