CHINA »Feindliche Elemente«
SPIEGEL: Chinas Führung hat eingeräumt, dass die Lage auf dem Arbeitsmarkt »sehr ernst« ist. Allein auf dem Land sollen mindestens 150 Millionen Menschen ohne Job sein. Arbeiter und arme Bauern protestieren immer häufiger gegen Entlassungen und ausbleibende Löhne.
Han: Die Zahl der Demonstrationen steigt tatsächlich. Wenn ich irgendwo anrufe, um etwas über einen Protest zu erfahren, höre ich häufig: »Von welchem Protest reden Sie jetzt? Wir haben so viele hier.«
SPIEGEL: Wie reagiert die Führung auf die aufmüpfigen Arbeiter?
Han: Früher setzte sie starke Kräfte der Bewaffneten Volkspolizei ein. Nachdem 1999 in Xiahuayuan Beamte von rund 5000 Grubenarbeitern verprügelt wurden, hat die KP ihre Strategie geändert. Nun kommen nachts Polizisten in Zivil und holen angebliche Rädelsführer.
SPIEGEL: Wie begründen die örtlichen Funktionäre ihr hartes Vorgehen?
Han: Sie deklarieren Arbeiterproteste gern als politischen Aufruhr und diffamieren Demonstranten und Bittsteller als »feindliche Elemente«.
SPIEGEL: Laut Regierung finden die meisten aller Entlassenen wieder eine Stelle.
Han: Das ist unwahr, denn die Provinzen fälschen die Zahlen. Arbeitslose finden allenfalls Jobs in kleinen Restaurants oder Fabriken. Oft sind die Arbeiten gefährlich, schlecht bezahlt und zeitlich begrenzt. Beiträge zur Sozialversicherung werden nur selten gezahlt. Die Regierung hat versagt, neue Beschäftigung zu schaffen.
SPIEGEL: Was müsste sie tun?
Han: Privatbetriebe wären am besten geeignet, Leute einzustellen. Aber die Regierung tut nichts für sie. Ein Geschäftsgründer etwa benötigt nach wie vor über 30 Behördenstempel. Das ist zeitraubend und teuer.
SPIEGEL: Welche Strategie schlagen Sie Ihren Kollegen in der Volksrepublik vor?
Han: Sie sollten im System arbeiten. Das heißt: Repräsentanten wählen, Rechtsanwälte einschalten, vor Gericht gehen. Es ist ja nicht gegen das Gesetz, Arbeitervertreter zu bestimmen. Wir müssen nur streng legal vorgehen.