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INDUSTRIE / FILM Festival mit Vip

aus DER SPIEGEL 46/1969

Die Jury entschied einstimmig, der Berliner Cinecontact Film GmbH den Deutschen Industriefilmpreis 1969 zuzuerkennen. Die Cinecontact hatte die Auszeichnung, die alljährlich in vier Kategorien vom Bundeswirtschaftsministerium verliehen wird, für den Kurzfilm »Wir von BMW« erhalten.

Der von den Bayerischen Motoren Werken in Auftrag gegebene Public-Relations-Film, so befand der Preisrichter-Ausschuß des Ministeriums, mache in besonderer Weise den »Leistungsstand der deutschen Wirtschaft« sichtbar.

Trotzdem können sich weder Auftraggeber noch Produzent der Ehrung so recht freuen. Denn das dekorierte Lichtspiel wird auf den Industriefilm-Festspielen in Berlin, die am Dienstag dieser Woche beginnen, nicht zu sehen sein. Das Auswahlgremium der Messe, die vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) veranstaltet wird, lehnte es einstimmig ab, den prämiierten BMW-Film den Festspiel-Gästen vorzuführen, obwohl jedes der 14 teilnehmenden Länder jeweils bis zu 15 Filme zeigen darf.

Auch ein anderer bereits preisgekrönter Film war der Festspiel-Jury des veranstaltenden BDI nicht gut genug. Im Auftrag der Bundespost hatte der Hamburger Produzent Karl Hamrun den Kurzfilm »Einer davon bin ich« abgedreht, in dem ein Briefträger werbend Service und Nöte der Post demonstriert. Hamrun erhielt dafür einen Großen Preis der Film- und Fernsehtechnik in Rom und das Prädikat »Besonders verdienstvoll« auf der Triennale in Antwerpen. Im siebenköpfigen Auswahl-Ausschuß des Berliner Festivals hingegen fiel der Hamrun-Film durch.

Das Ergebnis der Abstimmung in der Jury mißfiel dem Produzenten Hamrun. Denn von den insgesamt 15 akzeptierten Filmen sind nicht weniger als elf von den Mitgliedern einer »Vereinigung der Industriefilmproduzenten« (Vip) hergestellt worden. In diesem Verein haben sich etwa 20 Produzenten zusammengeschlossen, die der Filmabteilung des BDI besonders herzlich verbunden sind. Auftraggeber der Vip-Filme sind überwiegend Großunternehmen der Industrie, darunter Bayer, Hoechst, BASF und AEG. Neben vier BDI-Vertretern durften zwei Repräsentanten der Vip als Jury-Mitglieder die Festspiel-Filme auswählen helfen.

Einstimmig akzeptierten die Juroren außerdem zwei Filme der Esso AG, deren Filmreferent Thomas Ukert ebenfalls dem Gutachter-Kreis zugehört. Von den 40 nichtorganisierten Produzenten hingegen, die zusammen 47 Beiträge bei der Festival-Leitung eingereicht hatten, dürfen nur zwei ihre Werke in Berlin zeigen. Schrieb die der Vip nahe stehende »Deutsche Film-Korrespondenz": »Das seit Jahren bewährte Auswahlverfahren sichert absolute Objektivität.«

Hamrun bezeichnete die Auswahlpraktiken als »Farce mit brutalem geschäftlichem Hintergrund«. Denn die von der Vip produzierten, mit ihrer Hilfe ausgewählten und schließlich noch prämiierten Streifen können leichter verkauft werden und erreichen damit den vom Auftraggeber erstrebten Werbezweck weit besser als die nicht etikettierte Ware. Die Auswahl nach Verbandsgesichtspunkten fördert zudem die Akquisition neuer Aufträge der Vip-Firmen auf das erfreulichste.

Pannen können freilich auch im Preis- und Festivalgeschäft nicht ausbleiben. Bei der Verleihung des Industriefilmpreises durch das Bonner Wirtschaftsministerium stimmten die Jury-Mitglieder und BDI-Bediensteten Dr. Ritter und Will Riesenberg, für den BMW-Film. Bei der Auswahl der Berliner Festival-Beiträge hatten sie ihn abgelehnt.

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