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»Fifty-fifty mit der Bundesrepublik«

aus DER SPIEGEL 30/1975

SPIEGEL: Bürger Präsident, Ugandas Staatschef Idi Amin hatte Sie gebeten, in der Affäre des zum Tode verurteilten Engländers Dennis Hills zu vermitteln. Sind Sie so etwas wie ein Führer Afrikas?

MOBUTU: Ich will meine Arbeit an der Spitze meines Landes tun, nichts anderes.

SPIEGEL: Ständig kommen afrikanische Delegationen zu Ihnen.

MOBUTU: Einige meiner Kollegen meinen allerdings, ich spielte eine gewisse Rolle in Afrika. Als es zum Beispiel zwischen Äquatorial-Guinea und Gabun schlecht stand, bat man mich um meine Vermittlung. Als die Organisation für Afrikanische Einheit, die OAU, im Nahen Osten 1971 vermittelte, gehörte ich zu dem Schlichtungs-Ausschuß.

SPIEGEL: Jetzt übernimmt Feldmarschall Idi Amin von Uganda den Vorsitz der OAU-Konferenz ...

MOBUTU: Nach der Tradition amtiert der Präsident des Gastlandes der Konferenz als Vorsitzender der OAU.

SPIEGEL: Nützt Feldmarschall Amin dem Ansehen Afrikas?

MOBUTU: Das ist so, als fragte man einen Bürger von Zaire, ob er mit seinem Staatschef zufrieden ist. Jedes Land hat den Staatschef, den es verdient. Seit Amin an der Macht ist, habe ich nie mit ihm Probleme gehabt. Es gibt dafür einen triftigen Grund. SPIEGEL: Welchen, bitte?

MOBUTU: Meine Diplomatie. Als Amin 1971 an die Macht kam, war ganz Afrika gegen ihn, gegen seine Mitarbeit in der OAU. Allein Zaire erhob die Stimme, um darauf hinzuweisen, daß eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates gegen die Charta der OAU verstößt.

SPIEGEL: Aufgrund dieser Haltung Zaires, des früheren Belgisch-Kongo, hat ganz Afrika sich in dieser Frage arrangiert ...

MOBUTU: ... und Amin akzeptiert. Ich glaube, daß er mir deshalb noch dankbar ist.

SPIEGEL: Weshalb vermittelten Sie in der Hills-Affäre?

MOBUTU: Weil Amin gerade hier mein Gast war. Da sich alle Welt mit Vermittlungen eingeschaltet hatte, selbst die Königin von England, benutzte ich die Gelegenheit seiner Anwesenheit, um als Humanist zu vermitteln, denn das Leben eines Menschen war in Gefahr. Das war alles. Es ging mir nicht um das Ansehen Afrikas.

SPIEGEL: Nach den anderen portugiesischen Afrika-Kolonien gelangt nun Angola in die Unabhängigkeit. Als letzte weiße Gebiete auf dem Schwarzen Kontinent bleiben Rhodesien, Südafrika und Namibia, die ehemalige deutsche Kolonie Südwestafrika.

MOBUTU: Man sollte die Weißen nicht von diesem Kontinent vertreiben. Aber Zaire nimmt es nicht hin, daß die Kolonialisten mit Gewalt die Macht an sich reißen, wie in Rhodesien, und sagen: Wir lassen uns hier nieder, wir sind kaum 200 000, aber wir üben die Macht aus, wir töten die Schwarzen. die mit uns nicht zufrieden sind, und all das durch Gewalt. Da können wir uns nicht beugen.

SPIEGEL: Gibt es einen Weg des Dialogs?

MOBUTU: Sie gebrauchen Gewalt und verlangen von Afrika, keine Gewalt anzuwenden! Wären diese Weißen vernünftig genug zu sagen: Wir akzeptieren dieses Rhodesien als unsere zweite Heimat, dort wollen wir leben und unser technisches Wissen den Verantwortlichen, die diesem Lande entstammen, zur Verfügung stellen, dann könnte man einverstanden sein.

SPIEGEL: Gilt das auch für Südafrika?

MOBUTU: Dort sind die Einwanderer seit vier, fünf Jahrhunderten. Das ist eine lange Zeit, man kann sie nicht mit Gewalt vertreiben. Wir verurteilen den Rassismus der Apartheid, aber man will niemanden mit Gewalt aus Südafrika vertreiben. Auch die Weißen sind da zu Hause. Sie sind Weiße und ich bin ein Neger, wir unterhalten uns.

SPIEGEL: Ist die neue Entspannungspolitik des Südafrika-Premiers Vorster, die Politik der kleinen Schritte, ein Einstieg in den Dialog?

MOBUTU: Welche kleinen Schritte in eine gute oder schlechte Richtung er auch immer unternehmen mag -- Zaïre erwartet von Premierminister Vorster nur eines: Er soll beweisen, daß er in der Frage Namibia guten Willens ist. Solange Namibia nicht unabhängig ist, handelt es sich um Jonglierspiele, die wir nicht akzeptieren. Wenn der Unabhängigkeitsvertrag über Namibia fertiggestellt ist. werden wir zufrieden sein, dann können wir sogar einige unserer Standpunkte revidieren.

SPIEGEL: Zaire hat ein besonderes Gewicht, weil es eines der reichsten Länder Afrikas ist. Staatsminister Wischnewski hat Sie gerade besucht. Was bieten Sie der Bundesrepublik, was erwarten Sie von ihr?

MOBUTU: Wir haben gemeinsam mit bundesrepublikanischen Geschäftsleuten die »Assinez« geschaffen, also die Internationale Vereinigung zur In-

* Mit Jutta Fischbeck und Dirk Koch,

dustrialisierung von Zaire. Es wird also eine Art Partnerschaft geben, fifty/fifty Prozent zwischen europäischen und zairischen Interessen -- die Bundesrepublik müßte ja ganz zufrieden sein.

SPIEGEL: Diese Beziehungen wollen Sie noch intensivieren«?

MOBUTU: Ja, aber natürlich. Da geht es einmal um die Ausbeutung von Methangas im Kiwu-See, um den Bau von Asphaltstraßen in Ober-Zaire, ferner um ein Wasserkraftwerk im Zairefluß, um die Ausbeutung von Eisenerzvorkommen, dann noch um zwei Zementfabriken und die Ausbeutung der Edelholzvorkommen. Nicht zu vergessen: Wir planen ein Kernkraftwerk in der Nähe des Inga-Staudammes.

SPIEGEL: Und den Bau eines Volkswagenwerks.

MOBUTU: Ja, so was haben wir auch vor.

SPIEGEL: Wie wollen Sie solche ehrgeizigen Projekte bezahlen? Im Augenblick ist Zaire doch ziemlich pleite infolge der weltweiten Rezession, und weil der Preis des Kupfers, des wichtigsten Produkts Zaires, stark gesunken ist.

MOBUTU: Es ist ein grundlegender Fehler. über Zaire unter kurzfristigen Gesichtspunkten zu sprechen, denn Zaïre ist ein Land der Zukunft. Die Entwicklung Zaires kann man nur langfristig betrachten. Zaire hat enorme Möglichkeiten. Es ist ein Land. das allein über 47 Prozent des tropischen Waldbestandes Afrikas verfügt, ein Land, das der führende Kobaltproduzent ist, der führende Produzent von Industriediamanten, alle Erze, die es

* Mit Sohn Mwanza.

auf der Erde gibt, finden sich in unserem Boden.

SPIEGEL: Das Land hat kein Geld.

MOBUTU: Unser Problem ist die Verwertung. Deshalb dürfen Partner, die uns bei der Verwertung helfen wollen, uns nicht auf Grund der vorübergehenden Schwierigkeiten beurteilen. Man muß weiter blicken, viel weiter. Eine deutsche Firma hat bereits eine Untersuchung ausgearbeitet, in der nachgewiesen wird, daß durch den Bau einiger Fabriken in der Umgebung des Inga-Staudamms -- Zaire hat die billigste Elektrizität der Welt, ein Kilowatt ein Centime statt elf Centimes in Frankreich -- die Produkte in Deutschland zum halben Preis dessen verkauft werden könnten, die sie jetzt kosten, Transportkosten inbegriffen.

SPIEGEL: Müssen deutsche Investoren nicht damit rechnen, kurzerhand enteignet zu werden? Es gab den Fall Danzer, einer holzverarbeitenden deutschen Firma, die zumindest vorübergehend verstaatlicht wurde. Welche Sicherheiten bieten Sie jetzt?

MOBUTU: Die entsprechenden Investitionsbestimmungen, der Code des Investissements du Zaire, wurden -- von mir unterschrieben -- am 29. Juni 1969 veröffentlicht. Aber in Zaire gab es eine Bestimmung über den Export von berindetem Holz, den wir lieber vom Staat Zaire abgewickelt sehen und nicht von Dritten. Durch diese Bestimmung wurde Danzer indirekt aufs Korn genommen. Aber die Sache ist geregelt und erledigt.

SPIEGEL: Sie haben in Ihrem Land eine Bewegung eingeleitet, die eine Rückkehr zur afrikanischen Identität anstrebt, eine Art bodenständigen Nationalismus mit viel Nostalgie ...

MOBUTU: Die Kolonisatoren hatten uns entwurzelt, uns unseres afrikanischen Ursprungs beraubt! Sie haben uns zu schwarzen Franzosen oder den Belgiern Afrikas gemacht! Und hier setzt die Philosophie der Rückbesinnung auf unsere Authentizität an. Um es an meinem eigenen Beispiel zu verdeutlichen: Ich selbst war Joseph

SPIEGEL: Sie sind als Joseph-Désiré getauft worden.

MOBUTU: ... und bei aller Entfremdung. die ich erlebt hatte, glaubte ich, als Joseph zum lieben Gott im Himmel kommen zu müssen. Die Rückbesinnung auf meinen Ursprung jedoch hat mir die Augen geöffnet und mich erkennen lassen, daß ich nicht mehr Joseph-Désiré bin, sondern Mobutu Sese Seko Kuku Ngbenda Wa Za Banda. Und als der werde ich vom lieben Gott akzeptiert werden.

SPIEGEL: Was bedeutet das für die Bürger von Zaire?

MOBUTU: In meiner Entfremdung glaubte ich auch, zum Empfang eines ausländischen Freundes mich besonders kleiden zu müssen, daß ich einen Gehrock, einen Kragen, eine neue Fliege und so anlegen müßte. Dann aber erkannte ich, daß es viel würdevoller ist, nicht das Ausland zu imitieren, sondern ich selbst zu bleiben.

SPIEGEL: Die alten afrikanischen Sitten sollen wieder gepflegt werden?

MOBUTU: Vor dieser Rückbesinnung auf die Authentizität, vor dieser großen Bewegung glaubte ich auch. daß ich, um einen Ausländer würdig zu empfangen, ein großes Menü mit Beefsteak, Pommes frites und dergleichen auftischen müßte. Das ist in Zaire nun alles vorbei. Wenn wir heute ausländische Freunde empfangen, setzen wir ihnen unsere Gerichte vor, wie wir sie selbst essen -- so wie es auch in anderen Ländern üblich ist.

SPIEGEL: Gibt es nun auch eine neue Kleiderordnung?

MOBUTU: Unsere Frauen haben lange Zeit die ausländische Mode imitiert. Sie trugen Hosen wie die Damen in Europa, sie benutzten wie sie einen Lippenstift, sie kopierten einfach alles. Das ist jetzt vorbei. Und sie sind jetzt viel schöner ohne all diese fremde Imitation. Es ist doch viel würdiger so.

SPIEGEL: Sie haben sich vollkommen emanzipiert.

MOBUTU: Wir sind mit dieser Philosophie wieder das geworden, was wir sein sollten.

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