Irak Flotte im Golf
Sowjet-Premier Kossygin landete südlich von Bagdad, dort, wo Bibelforscher den Garten Eden wähnen. Der Gast aus Moskau kam per Hubschrauber in die Wüste von Nord-Rumeila, um feierlich ein vom irakischen Staat verwaltetes Erdölfeld in Betrieb zu setzen.
Fast 700 Millionen Mark hat die Sowjet-Union für die Förderung der riesigen Öllager in Rumeila investiert, um sich einen verläßlichen Freund zu erkaufen -- den einzigen, der ihr im Nahen Osten noch bleibt. Denn
* Libyen und der Sudan verhalten sich stramm antikommunistisch, > Syrien ist Libyen in einer Föderation eng verbunden,
* Jordanien zieht amerikanische Hilfe vor,
* der Libanon will sich an keinen Block fest binden,
* Saudi-Arabien und die Kleinstaaten am Persischen Golf werden von reaktionär-feudalen Herrschern geführt,
* Ägypten, der bislang wichtigste Sowjet-Partner, hat moskautreue Politiker ins Gefängnis gesperrt und weigert sich, entgegen verbindlicher Zusage, Moskau autonome Luft- und Marinebasen einzuräumen; die 20000 in Ägypten stationierten Sowjetsoldaten fühlen sich wie in einem feindlichen Land.
Mit dieser arabischen Staatenwelt, die zwar gern von Moskau Waffen annimmt, aber dem Kreml im Grunde mißtraut -- ebenso wie Moskau den Arabern -, ist der Irak unter Staatschef Ahmed Hassan el-Bakr seit Jahren verfeindet. Mit dem oft arrogant vorgetragenen Führungsanspruch der irakischen Baath-Partei in ganz Arabien verärgerte Bakr alle Nachbarn.
Den Sowjets aber muß der Irak als idealer Partner erscheinen. Er hat eine wenn auch nur schmale Küste am Persischen Golf und damit direkten Zugang zum »reichsten Gebiet der Erde« ("International Herald Tribune"): Unter dem Persischen Golf lagern zwei Drittel der Weltvorräte an Erdöl.
Nach dem Abzug der einstigen Schutzmacht Großbritannien zu Beginn dieses Jahres ist im Golf-Gebiet ein Machtvakuum entstanden, um dessen Ausfüllung sich die Anrainer Iran, Irak und Saudi-Arabien streiten.
Wenn die Großmacht Sowjet-Union dort Fuß faßt, könnte sie bei Bedarf die Ölversorgung Europas wie Japans gefährden.
Kossygin drohte bei seinem Besuch in Rumeila denn auch schon: »Wir werden keine Anstrengung scheuen, allen arabischen Ländern zu helfen, volle Souveränität über ihre Bodenschätze, in erster Linie das Erdöl, zu gewinnen.« Dazu müßte sie freilich die bislang am Golf dominierenden euroamerikanischen und japanischen Ölgesellschaften ausschalten.
* Am Grab des irakischen Unbekannten Soldaten.
Nach der Einweihung Rumeilas flog Kossygin mit Bakr nach Bagdad zurück, um die Rechnung für die sowjetischen Investitionen zu kassieren: Die beiden Staatschefs unterzeichneten einen für 15 Jahre geltenden Freundschafts- und Kooperationsvertrag, ähnlich wie ihn der Kreml im Mai vorigen Jahres mit Ägypten geschlossen hatte.
Doch den Irakern gestanden die Sowjets mehr zu als den Ägyptern. Während sich der Vertrag von Kairo deutlich wie ein Abkommen zwischen einer großen Schutzmacht und einem abhängigen Staat liest, ist der Vertrag von Bagdad -- zumindest verbal -- ein Pakt zwischen Gleichberechtigten.
Den Ägyptern sagten die Sowjets lediglich die »Festigung der Verteidigungsfähigkeit der Vereinigten Arabischen Republik« zu, den Irakern schmeichelten sie, »im Interesse der Sicherheit beider Länder die Zusammenarbeit zur Festigung ihrer Verteidigungsfähigkeit weiterzuentwickeln«. Kairo verpflichtete sich vertraglich zum »Ziel des sozialistischen Umbaus der Gesellschaft«, Bagdad bekennt lediglich, daß es nötig sei, »soziale und wirtschaftliche Errungenschaften zu erhalten und auszubauen«.
Zudem verspricht Moskau dem Irak, »Auseinandersetzungen über die Interpretation dieses Abkommens im Geiste der Freundschaft, des Respekts und des gegenseitigen Verständnisses« zu regeln. Ein solcher Passus fehlt im Vertrag mit Kairo.
Beim neuen Freund in Bagdad gelobte Partner Kossygin: »Feinde der arabischen Völker möchten einen Keil zwischen die Sowjet-Union und die arabischen Länder treiben. Derartige Machenschaften sind jedoch zum Scheitern verurteilt.«
Der Kreml bewies sogleich, daß er seine Präsenz im Irak ernst nimmt. Als Kossygin in die Wüste reiste, dampfte ein sowjetischer Flottenverband durch den Persischen Golf. Und als der Premier aus Bagdad abflog, liefen die Einheiten der Roten Flotte im irakischen Golfhafen Umm Kasr ein -- zu einem fünftägigen Freundschaftsbesuch.