Flüchtlingshilfe: »Unheimlich quälend«
Bundeskanzler Helmut Schmidt und die Länder-Ministerpräsidenten müssen sich am Freitag dieser Woche mit dem Flüchtlingsproblem in Indochina befassen. Grund: Die von Bonn festgelegte Quote von 20 000 Kambodschanern und Vietnamesen, die in der Bundesrepublik aufgenommen werden, ist bis auf 65 Plätze ausgeschöpft.
Schmidt hat in einem Brief an die Regierungschefs der Länder bereits vorgeschlagen, die Kapazität um 5000 zu erhöhen und auch weiterhin zu garantieren, daß alle »boat people«, die von deutschen Schiffen gerettet werden, in Westdeutschland eine neue Heimat bekommen. Die Länder-Innenminister, bereits am 18. April mit dem Thema konfrontiert, hatten die Entscheidung über die neue Aufnahmequote auf ihre Vorgesetzten abgewälzt.
Inzwischen haben sich Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen grundsätzlich bereit erklärt, mehr Flüchtlinge einreisen zu lassen. Düsseldorf und Mainz plädieren allerdings dafür, die »boat people« in die Quote miteinzubeziehen. Ein Beamter aus dem Bonner Innenministerium: »Möglicherweise geht am Freitag das große Feilschen wieder los.«
Mancher Hilfsorganisation dauert die Entscheidungsprozedur zwischen Bund und Ländern ohnehin zu lange. Denn die Transitlager in Singapur sind wegen des wachsenden Flüchtlingsstroms derzeit überfüllt und nehmen nur wenige Neuankömmlinge auf.
Die Insassen dürfen die Lager aber erst verlassen, wenn ihre Aufnahme in einem Land gesichert ist. Folge: Das von dem deutschen Komitee »Notärzte für Somalia/Schiff für Vietnam« gecharterte Rettungsschiff »Cap Anamur«, das seit Tagen in Singapur liegt, kann 320 »boat people« nicht von Bord lassen, mithin nicht zu einer neuen Suchaktion auslaufen. Komitee-Vorsitzender Rupert Neudeck: »Der ganze Prozeß läuft unheimlich quälend.«