KONZENTRATION Flug im Verband
Anfang Dezember wird der Spatz den Schmetterling heiraten. Ungefragter Ehestifter ist Katalog-Krösus Josef Neckermann.
So viele westdeutsche Flug-Touristen haben er und Gustav Schickedanz vom Versandhaus Quelle in diesem Jahr verfrachtet, daß die Reisekonzerne Touropa (Markenzeichen: Schmetterling) und Scharnow (Markenzeichen: Spatz) sich gegen die Konkurrenz verbünden müssen: Jeder beteiligt sich am andern mit etwa 20 Prozent.
Die Versandhäuser Neckermann und Quelle, die erst vor vier Jahren ins Reisegeschäft einstiegen und fast nur Flug- und Schiffs-Trips anbieten, brachen 1966 Rekorde. Im Vorjahr hatte in der Rangliste der Lufttouristik noch Scharnow mit 72 000 Kunden obenan gestanden; es folgten Neckermann (70 000),
Touropa (67 000), Quelle (60 000). In diesem Jahr wird die Liste so aussehen:
- Neckermann 127 000 Fluggäste;
- Scharnow 90 000;
- Quelle 85 000;
- Touropa 80 000.
Die Versandhäuser profitieren vor allem vom direkten Draht zur millionenstarken Katalog-Gemeinde. Auch bieten sie Flugreisen an, die das Bedürfnis jüngerer Urlauber nach Prestige und dem Duft der weiten Welt preiswert befriedigen. Neckermann etwa offeriert Indien für 1595 Mark (mit »Maharadscha-Service": 2540 Mark), Bangkok ebenfalls für 1595 Mark, Acapulco für 1980 Mark, Ceylon schon für 1498 Mark. Das fernste Flugziel von Touropa und Scharnow ist Ostafrika.
Touropa-Chef Walter Vogel, 55, und Scharnows Boß Hanns-Albrecht Seiffert, 58, mobilisieren nun die »größte Tour-Operator-Gruppe der Welt« (Geschäftsführer Klatt vom Deutschen Reisebüro-Verband). Gemeinsam bringen sie es in diesem Jahr auf mehr als 800 000 verkaufte Reisen, das sind rund 60 Prozent der im regelmäßigen Turnus
veranstalteten Pauschalreisen. Ihr vereinter Umsatz wird 1966 rund 320 Millionen Mark erreichen.
Die Unternehmen wollen künftig gemeinsam Projekte entwickeln und miteinander Public Relations sowie Flugplan-Strategie betreiben. Sie werden, so Scharnow, »einander stützen und nicht im Kampf gegeneinander verschleißen«.
Das ist vor allem bei dem komplizierten und risikoreichen Flugzeug-Chartergeschäft lebenswichtig. Für den Touristenstrom müssen ein Jahr im voraus, ehe sein Umfang exakt bekannt ist, die Maschinen fest gebucht werden. Die Entwicklung verläuft aber nie nach Plan, und nur große Unternehmen können die Zacken in der Bedarfskurve ohne finanziellen Verlust einigermaßen ausgleichen. Nur sie können auf lange Sicht niedrige Preise garantieren.
Schon vor ihren Eheplänen übten deshalb Scharnow und Touropa den Verbandsflug. Sie ließen sich Anfang dieses Jahres vom Bundeskartellamt ein Rationalisierungskartell für ihre Flugreisen genehmigen«. Seither chartern sie gemeinsam Flugzeuge zu den gleichen Reisezielen. Außerdem beteiligten sich beide im Januar dieses Jahres mit je 25 Prozent an dem Stuttgarter Charter -Unternehmen Südflug GmbH.
Ihre Flug-Prospekte sehen sich schon jetzt sehr ähnlich. Bei beiden haben die billigsten Angebote für Teneriffa, Tunesien und Mallorca den gleichen Preis, für Andalusien und Ostafrika differieren sie nur um wenige Mark. Alle Ziele fliegen sie nach einheitlichem Flugplan mit denselben Maschinen an.
Neckermann gab sich ob des neuen Bündnisses der Konkurrenz geschmeichelt: »Daß die aus Risikofurcht derart reagieren, zeugt von einer Verschärfung des Wettbewerbs, und das ist für uns ein Riesenkompliment.«
** Nach dem Gesetz sind Kartellverträge erlaubt, wenn sie der Rationalisterung wirtschaftlidcer Vorgänge (dienen) und geeignet (sind) . . . die Befriedigung des Bedarfs zu verbessern«.
Touropa-Chef Vogel, Scharnow-Chef Seiffert: Gegen Neckermanns Reise-Rekord ...
... eine gemeinsame Strategie: Südflug-Chartermaschine in Mallorca