FLUG IN DEN TOD
Am 12. Juni 1972 um 19.20 Uhr startete die Maschine der American Airlines in Detroit zum Flug Nummer 96 nach Buffalo und New York. An Bord der Maschine, einer DC-10, befanden sich nur 56 Passagiere, außerdem Frachtgut und eine Leiche -in einem Sarg im hinteren Frachtraum, der unter dem Fußboden der rückwärtigen Passagierkabine liegt.
Beim Start wurde das Flugzeug von dem Kopiloten, dem Ersten Offizier Peter Paige Whitney, 34, gesteuert. Der Flugkapitän, der 52jährige Bryce
© 1976 Sunday Times, London
McCormick, hatte den Funkverkehr mit den Bodenstellen übernommen. Als das Flugzeug die Hohe von 1800 Metern erreicht hatte, schaltete Whitney auf Autopilot um, doch er ließ die Steuerknüppel nicht los -- aus purer Gewohnheit und weil die Maschine immer noch durch Wolken flog.
Im Passagierraum waren die Leuchtschilder »Bitte anschnallen« und »Bitte nicht rauchen« ausgeschaltet worden. Da so wenige Passagiere an Bord waren, konnten sich die acht Stewardessen mit ihrer Arbeit Zeit lassen. Cydya Smith, die Erste Stewardeß, machte sich daran, Kaffee zu kochen, die anderen blieben auf ihren Plätzen sitzen und unterhielten sich oder lasen.
In 3500 Meter Höhe, fünf Minuten nach dem Start, durchstieß die DC-10 die Wolkendecke. Flugkapitän McCormick entdeckte hoch über ihnen eine Boeing 747, und Whitney beugte sich vor, um sie besser sehen zu können. In diesem Augenblick, drei Kilometer vor Windsor in Ontario, trat bei der Maschine urplötzlich ein fundamentaler Konstruktionsfehler auf, der -- noch unentdeckt -- in jede DC-10 eingebaut war.
McCormick hörte einen lauten Knall. Die Pedale des Seitenleitwerks unter McCormicks Füßen schnellten ruckartig in entgegengesetzte Richtungen -- das linke Pedal nach unten, das rechte aufwärts, so daß McCormicks Knie gegen seine Brust gestoßen wurde. Gleichzeitig schoß aus allen Ecken und Winkeln der Pilotenkanzel Staubnebel dem Flugkapitän ins Gesicht, so daß er einen Augenblick wie blind war. Der Kopfhörer wurde ihm vom Hinterkopf gerissen.
Whitney bekam den Staubsturm nicht ganz so arg zu spüren, weil er sich gerade vorgebeugt hatte. Aber die drei Hand-Gashebel -- je einer für die drei Triebwerke der DC-10 -- hatten sich von selbst nach hinten bewegt, blieben fast in Leerlaufstellung stehen, so daß die Maschine immer mehr an Geschwindigkeit verlor.
Die Tür des Kommandoraums sprang auf, durch den entstehenden Sog wurden der Besatzung die Mützen vom Kopf gerissen und durch das Erster-Klasse-Abteil gewirbelt. Der ganze Passagierraum füllte sich nun mit feuchtem, weißem Nebel, der von der Decke und aus den unten gelegenen Küchenräumen zu kommen schien.
Zwei Metall-Flügel einer Klappe im Fußboden des Passagierraums. die normalerweise von dem Teppichboden verdeckt sind, wurden nach oben geschleudert, einer von ihnen traf die Passagierin Mrs. Kaminsky im Gesicht. Die Verletzung begann heftig zu bluten. Im Passagierraum fielen Deckenteile herunter, ein Stück der Decke hing an einer elektrischen Leitung herab.
Im rückwärtigen Passagierraum, wo sich bei diesem Flug nur zwei Stewardessen aufhielten, sackte der Fußboden teilweise in den darunterliegenden Frachtraum. Eine runde Cocktailbar fiel durch das Loch nach unten. Ebenso stürzte die Stewardeß Beatrice Copeland, die für einen Augenblick das Bewußtsein verlor, hinab.
Die andere Stewardeß, Sandra McConnell, kämpfte auf einem Teil des Fußbodens, der langsam nachgab, um ihr Gleichgewicht. Sie hatte das Gefühl, als rutsche sie in den Frachtraum hinab und auf eine große Öffnung zu, in der sich die hintere Frachtraumtür befunden hatte. Durch diese Öffnung war unmittelbar zuvor bereits der mitgeführte Zinksarg mit dem Leichnam nach draußen gerutscht und aus 3000 Meter Höhe in die Tiefe gestürzt. Sandra konnte unter ihren Füßen die Wolken vorbeiziehen sehen.
Die verletzte Mrs. Kaminsky und ihre Freundin Mrs. Scheff hatten die Nerven verloren. Sie glaubten sich dem Tode nahe, und Mrs. Scheff schrie immer wieder, sie werde ihre Kinder nie wiedersehen.
Das Problem der Großraum-Jets:
Sie sind von der Hydraulik abhängig.
Die Männer im Cockpit wußten nichts von diesen dramatischen Vorgängen. Sie hatten auch keine Ahnung von der Öffnung in der Außenwand der Maschine, sie kämpften vielmehr darum, das Flugzeug wieder unter Kontrolle zu bekommen. Der Autopilot hatte sich von selbst ausgeschaltet. Als McCormick wieder etwas sehen konnte, rief er: »Laß mich ran!« und übernahm das Steuer von Whitney. Die Nase der DC-1O neigte sich immer mehr dem Horizont zu.
Bryce McCormick ist aus Gewohnheit und Neigung ein konservativer Mensch. Er ist vorsichtig, ein Pedant, wenn es um die Disziplin der Besatzung geht, und er fliegt unbeirrbar nach Vorschrift.
Die DC-IO unterschied sich offensichtlich radikal von den anderen Maschinen, die McCormick während seiner 28jährigen Laufbahn bei der Luftfahrtgesellschaft geflogen hatte. Was ihm jedoch Sorge bereitete, war nicht der gewaltige Unterschied in Größe und Triebkraft, sondern die Tatsache, daß sieh die Steuerflächen überhaupt nicht durch mechanische Hilfsmittel betätigen ließen.
In kleineren Düsenmaschinen, zum Beispiel bei der Boeing 707 oder der DC-8, gibt es einen Steuermechanismus, durch den die Klappen, die Seiten- und Höhenleitwerke von Hand bedient werden können, wenn das hydraulische System einmal ausfallen sollte. Doch Großraum-Jets wie die DC-10, die Boeing 747 oder die Lockheed 1011 TriStar sind völlig von der Hydraulik abhängig. Was würde geschehen, so hatte sich McCormick gefragt, wenn alle Systeme ausfielen?
Er fand die Antwort durch Herumexperimentieren in dem DC-10-Flug-Simulator einer Ausbildungsschule seiner Gesellschaft in Forth Worth, Texas. Die meisten Piloten der Fluggesellschaften verbringen die längste Zeit ihrer Ausbildung in Simulatoren, die jede Flugsituation -- und fast jede Gefahr -- verblüffend wirklichkeitsnah vortäuschen können.
In dem Simulator von Forth Worth hatte McCormick seine beunruhigende Hypothese eines totalen Ausfalls der Hydraulik testen können. Mit Hilfe eines Ausbilders lernte er nach und nach, die ungewöhnliche Fähigkeit der DC-10 auszunützen, »mit den Triebwerken zu steuern
Mit dieser Maschine kann man etwa ohne Betätigung des Seitenleitwerks oder der Querruder eine Linkskurve fliegen, indem die Schubkraft des rechten Tragflächentriebwerks erhöht wird. Wird die Schubkraft beider Tragflächentriebwerke verstärkt oder die des Hecktriebwerks vermindert, dann hebt sich die Nase der DC-10. Beim umgekehrten Verfahren senkt sie sich.
McCormick lernte diese Technik so gut zu beherrschen, daß er schließlich imstande war, den Simulator in Forth Worth nach Erreichen der Flughöhe bis zum Beginn der Landephase allein mit den Drosselhebeln der Triebwerke »zu fliegen«, ohne auch nur einen der Steuerhebel zu berühren. Am 12. Juni 1972 hing das Leben der 67 Menschen von McCormicks Fähigkeit ab, denselben Trick anzuwenden, diesmal in der Wirklichkeit.
Das Seitenleitwerk war nicht nur unbrauchbar -- die Pedale im Cockpit ließen sich nicht bewegen -, sondern zog nach Steuerbord, so daß die Maschine fortwährend nach rechts gierte. Das Höhenleitwerk reagierte langsam, der Flugkapitän brauchte allerdings viel Kraft, um die Klappen auf- und abzubewegen. Die Stabilisatoren funktionierten nicht, zudem war das Steuerkabel des Hecktriebwerks zerbrochen, daher fühlte sich der Drosselhebel dieser Turbine schlaff und kraftlos an. Alle Tragflächenklappen funktionierten, doch die Querruder -- die Bewegungen um die Längsachse bewirken -- mußten mit Vorsicht bedient werden, damit die Maschine nicht ins Trudeln und in größte Gefahr geriet.
McCormick stoppte als erstes das Absinken der DC-10, deren Nase sich schon dem Horizont entgegenneigte. Keinen Augenblick zu früh schob er die Drosselhebel der Tragflächentriebwerke ganz nach vorn. Sofort reagierten beide Triebwerke mit voller Schubkraft, und die Nase der DC-10 hob sich. Da die unmittelbare Gefahr vorüber und der Flugzustand stabilisiert war, konnte der Pilot reine nächsten Maßnahmen überdenken. Wichtigste Überlegung: Sollte er eine kontrollierte Notlandung versuchen? Dieses Verfahren ist in den meisten Flughandbüchern für den Fall eines Zusammenstoßes in der Luft vorgesehen. Tatsächlich konnte sich die Crew der DC-10 zunächst nur vorstellen, daß ein Zusammenstoß stattgefunden hatte.
Doch allzu viele Piloten hatten sieh in der Vergangenheit zu einer Notlandung entschlossen, ohne
das Ausmaß der Beschädigung richtig erkannt zu haben -- die Folgen waren katastrophal gewesen. McCormick hielt sieh statt dessen an die Erfahrung, daß Piloten, die nicht voreilig eine Entscheidung treffen, aller Wahrscheinlichkeit nach überleben. Fr begann daher ganz behutsam mit den Leitwerken und mit der ausgleichenden Triebwerkkraft zu experimentieren. Notlandung in Detroit.
Bedächtig wendete McCormick die Maschine und flog nach Detroit zurück. Während er zu einem Sinkflug in sanftem Gleitwinkel ansetzte, erwog er das Problem der Landung.
Unterdes war Beatrice Copeland wieder zu bewußtsein gekommen. Sie lag auf den Trümmern jener Fußbodenteile der Passagierkabine, die in den Frachtraum hinuntergefallen waren. Teile der Decke waren auf sie gestürzt. und ein Fuß war eingeklemmt.
Der zweiten Stewardeß, Sandra McConnell, war es gelungen, sich von der Öffnung in der Bordwand zu entfernen und in einen der hinteren Waschräume zu klettern. Dort wartete sie auf Hilfe.
Eine ihrer Kolleginnen rief über die Bordsprechanlage die Kollegen im Cockpit an und bat um Hilfe. Bordingenieur Clayton Burke, der an die Vorschriften der American Airlines dachte, zögerte zunächst, weil er nicht ohne Mütze durch den Passagierraum gehen mochte. Während er noch vergebens nach seiner davongeflogenen Kopfbedeckung suchte, konnte Beatrice ihren Fuß aus dem eingeklemmten Schuh ziehen und sich in Sicherheit bringen.
Flugkapitän McCormick nahm sieh nunmehr sogar die Zeit, die Passagiere zu beruhigen. Über den Bordlautsprecher teilte er den Fluggästen mit, es liege ein technisches Problem vor, und die Maschine kehre nach Detroit zurück. Er sei sicher, daß American Airlines eine andere Maschine zur Verfügung stellen würden. Was er sagte, klang so überzeugend nach Routine, daß sich sogar Mrs. Kaminsky getröstet fühlte.
Cydya Smith bereitete die Passagiere auf eine Notlandung vor: Da sie den für solche Fälle vorgesehenen Text nicht finden konnte, improvisierte sie und beschrieb die Stellung, die den Aufprall bei einer harten Landung mildern soll: Kopf vor die Brust, Hände unter den Knien ineinander verflochten.
Die anderen Stewardessen nahmen Plastiktüten und sammelten Brillen, Füllhalter, Kämme und Schmuckstücke ein, weil diese Gegenstände beim Aufsetzen zu gefährlichen Geschossen werden können. Außerdem mußten die Passagiere zur Vermeidung von Verletzungen ihre Schuhe ausziehen.
Etwa 20 Minuten nach dem Start in Detroit erschien Flug 96 wieder auf den Radarschirmen des Flughafens. Die DC-10 näherte sich der Landebahn mit einer Geschwindigkeit von 160 Knoten (240 km/h) -- 30 Knoten (45 km/h) schneller als die normale Landegeschwindigkeit. Der Grund: McCormick konnte die Schubkraft nicht vermindern, ohne die Sinkgeschwindigkeit der Maschine zu erhöhen.
Die DC-10 setzte auf und brach sogleich unter dem Einfluß des unberechenbaren Seitenleitwerks nach rechts aus, so daß sie von der Landebahn abkam und nun über den Rasen auf die Flughafengebäude zuraste.
Während die 150 Tonnen schwere Maschine über den unebenen Boden rumpelte, kamen McCormick Zweifel, ob er imstande sein würde, die Maschine zu retten. Er schaltete beide Tragflächentriebwerke auf Schubumkehr, doch offenbar konnte auch dieser Bremseffekt die DC-10 nicht rechtzeitig zum Stehen bringen. Ohr an der Tür
und bis zehn gezählt.
Es war der Kopilot Whitney, der die Lösung fand. Ohne auf Befehle zu warten, schob er den Drosselhebel des linken Triebwerks auf »Volle Kraft rückwärts« und noch weiter -- dadurch lieferte die Turbine kurzfristig 10 Prozent mehr Kraft als das zulässige Maximum -, gleichzeitig nahm er das rechte Triebwerk aus dem Rückwärtsgang. Die DC-10 verließ abrupt ihren Kollisionskurs und drehte in Richtung Landebahn. Halb auf dem Beton, halb auf dem Rasen kam sie zum Stehen -- 2,4 Kilometer vom Ende der Piste entfernt.
Die Passagiere glitten über die Notrutschen hinaus -- und wurden sogleich von einem Heer von FBI-Agenten aufgehalten, die den Verdacht hatten, Flug 96 sei einem Sabotageakt zum Opfer gefallen. Doch Sprengkörper-Fachleute konnten an dem Flugzeug keine Spur einer Bombenexplosion finden.
Die reguläre Untersuchung der Ursache dieser knapp vermiedenen Katastrophe begann am nächsten Morgen. American Airlines setzten einen Untersuchungsausschuß ein, dessen Vorsitz der für Sicherheitsfragen zuständige Direktor der Fluggesellschaft, Mark Eastburn, übernahm. Der Ausschuß vernahm die Besatzung und das Bodenpersonal in Detroit.
Die entscheidenden Aussagen machte William Eggert, der als Frachtverlader für die Fluggesellschaft arbeitete. Er schilderte die Schwierigkeiten, die er beim Schließen der Ladeklappe des Frachtraums der DC-10 kurz vor dem Start gehabt hatte.
Türen stellen für die Konstrukteure druckfester Flugzeugkabinen immer ein heikles Problem dar. Die einfachste Lösung ist die »Stöpsel«-Tür; diese Tür ist größer als der Türrahmen und öffnet sich nach innen, hat aber den Nachteil, daß sie entsprechend viel Platz des Frachtraums beansprucht. Außerdem erfordert das Prinzip des Badewannenstöpsels, nach dem sie funktioniert -- je stärker der Druck, desto fester der Verschluß -, daß sowohl die Tür als auch der Rahmen fest und starr sind, und das bedeutet: zusätzliches Gewicht.
Daher wurde, und zwar erstmals von der Firma Boeing. eine weniger schwere, aber kompliziertere Alternative entwickelt: die »Zug-Schnappschloß« -- Tür. Diese Tür ist außen am oberen Rand mit Scharnieren angebracht und klappt gegen eine Gummidichtung. Dann wird sie durch einen hydraulischen oder elektrischen Motor zugezogen.
Die Tür des Großflugzeugs Boeing 747 ist so konstruiert, daß bei den 17 bis 1974 registrierten Fällen, in denen der Türverschluß versagte, die Besatzung durch eine Pannensicherung rechtzeitig alarmiert wurde. Die Konstruktion bei der DC-10 sah, oberflächlich betrachtet, ebenso narrensicher aus, in Wirklichkeit war sie jedoch fast grotesk unzuverlässig.
Sobald die Tür der DC-10 gegen die Gummidichtung klappt, umklammern Fallen, ähnlich dem Bein und den Krallen eines Vogels, Rollen an der Tür und ziehen die Tür fest. Sobald diese Fallen die Rollen weiter als bis zur Hälfte umfaßt haben, können sie nicht mehr abrutschen. Zur »Sicherheit« ist der Türgriff außen mit Verschluß-Bolzen verbunden, die theoretisch nur dann einrasten können, wenn die Fallen die Rollen richtig umfaßt haben.
In der Praxis erwies sich das verbindende Gestänge zwischen dem Türgriff und den Verschluß-Bolzen jedoch als viel zu schwach und nachgiebig. Ein Verlader von normaler Körperstärke konnte den Türgriff ganz nach unten drücken und glauben, er habe die Bolzen einrasten lassen, obwohl er nur das verbindende Gestänge verbogen hatte.
Noch eine angebliche Absicherung war vorhanden. Bis der äußere Türgriff richtig einklinkte, blieb eine Ventilklappe innerhalb der Tür offen. In Wirklichkeit schloß sich diese Ventilklappe aber auch dann, wenn ein Türgriff falsch, nämlich durch das Verbiegen des Gestänges, zum Einklinken gebracht wurde.
Die Untersuchung ergab, daß alle diese Fehler heim Flug 96 aufgetreten waren. Zuerst hatte alles normal funktioniert. Der Verlader Eggert hatte die Tür elektrisch geschlossen und dann weiter auf den Knopf gedrückt, hatte das Ohr an die Tür gelegt, bis zehn gezählt und darauf gelauscht, wie die Fallen um die Rollen getrieben wurden. Er war ganz sicher, daß die vier Fallen die Rollen vollständig umfaßt hatten, obwohl er keine Möglichkeit hatte, dies visuell nachzuprüfen.
Eggert konnte jedoch den äußeren Türgriff nicht hinunterdrücken, der die Verschluß-Bolzen einrasten lassen soll. Irgendwelche Behinderungen konnte er nicht entdecken, also versuchte er es noch einmal, indem er mit dem Knie zusätzlich nachhalf -- und da gelang es ihm, den Türgriff ganz in die Verschluß-Stellung zu bringen.
Obwohl sich die Ventilklappe ebenfalls schloß, fiel es Eggert auf, daß sie sich etwas verbogen hatte. Deswegen öffnete er den Türgriff noch einmal und wiederholte die ganze Prozedur mit demselben Erfolg.
Eggert fragte einen Aufseher der American Airlines und einen Mechaniker, die neben der Maschine standen. um Rat, doch sie sagten ihm: »Mach dir keine Sorgen« -- verbogene Ventilklappen waren offensichtlich nichts Neues.
Die Frachtraumtür der Unglücksmaschine selbst wurde auf einem Feld etwa 30 Kilometer vom Flughafen entfernt gefunden. Eine Untersuchung ergab, daß die vier Fallen die Rollen nur 1,5 Zentimeter weit umfaßt hatten. Theoretisch hätte diese Abweichung verhindern müssen, daß sich die Verschluß-Bolzen bewegten -- der Türgriff hätte sich also gar nicht einklinken lassen dürfen. In Wirklichkeit war jedoch die Stange der Verschlußbolzen einfach zerbrochen.
Die Firma McDonnell Douglas, die Herstellerin der DC-10, unternahm nachträglich eine Reihe von Tests. Dabei zeigte sich, daß die Kraft, die zu Überwindung des Türverschluß-Systems nötig war, einem Druck von 120 Pfund entsprach -- keine besonders große Leistung für einen ausgewachsenen Mann. Andere Tests, durchgeführt von der Zuliefer-Firma General Dynamics, die auch die Tür für die DC-10 konstruiert und gefertigt hatte, ergaben: Schon 80 Pfund genügen.
Doch es kam bei der Untersuchung noch ein anderer Fehler heraus. Burke, der Bordingenieur, sagte aus, das Kontrollämpchen im Kommandoraum, das aufleuchten soll, wenn die Tür nicht korrekt geschlossen ist, sei erloschen -- ein Zeichen für normalen Türverschluß. Spätere Tests ergaben, daß die Kontrollämpchen nicht mehr funktionieren, wenn der Türmechanismus verbogen wird. So war die Flugzeugbesatzung zum Start verleitet worden -- trotz eines Risikos, das tödlich war wie eine mittelgroße Bombe.
Normalerweise erhält die Flugzeugindustrie ohne Verluste an Menschenleben keine derart handgreifliche Warnung, daß ein Flugzeug grundlegende Konstruktionsfehler aufweist. Die Lockheed Electra, die britische Comet und die Boeing 707 etwa haben viele Menschenleben gefordert, ehe ihre jeweiligen Mängel gefunden und abgestellt worden sind. Der Unfall über Windsor ist eine seltene Ausnahme. Alle Mitfliegenden kamen mit dem Leben davon -- dank der Erfahrung und Fähigkeit der Besatzung und durch das schiere Glück, daß die Maschine so leicht beladen war.
Es war nicht die einzige zufällige Warnung, die McDonnell Douglas erhalten hatte. Schon im Mai 1970 war die erste DC-10 -- »Ship 1« -- einige Monate vor dem Jungfernflug am Boden auf Druckfestigkeit geprüft worden. Plötzlich sprang die vordere Ladetür auf -- die Testingenieure schrieben es dem »menschlichen Versagen« eines Mechanikers zu. Und wie später beim Windsor-Fall, hatte das Aufspringen der Tür zur Folge, daß ein großer Teil des Fußbodens im Passagierraum zertrümmert wurde -- Folge des explosionsartigen Druckabfalls im daruntergelegenen Frachtraum.
Der Fußboden ist zwar für die Stabilität des Flugzeugs nicht entscheidend, dennoch spielt er bei anderen Konstruktionsentscheidungen eine wichtige Rolle, vor allem hei der Frage, wo die Steuerungskabel untergebracht werden sollen. Es liegt nahe, diese Kabel im Fußboden des Passagierraums zu verlegen, zumal wenn sich der Fußboden über die ganze Länge des Flugzeugs erstreckt und bis unter das Cockpit reicht.
Für diese Lösung entschieden sich die Konstrukteure der TriStar und der DC-10. Boeing dagegen führte die Kabel an der Decke entlang -- dies war bequemer, da bei der 747 der Kommandoraum oberhalb des Haupt-Passagierraums liegt. Selbst wenn
daher der Fußboden einer 747 zertrümmert werden sollte, würden die Steuerungskabel davon nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.
Einzelheiten der Konstruktion und Herstellung des Flugzeugrumpfes sind Sache der Firma Convair, einer Zweigfirma von General Dynamics, die für McDonnell Douglas als Zulieferer arbeitet. Am 27. Juni 1972, kurz nach dem Zwischenfall bei Windsor, verfaßte Convair-Produktionschef F. D. »Dan« Applegate eine bemerkenswerte Denkschrift. Titel: »DC-10: Zukünftige Unfall-Anfälligkeit«.
Er warnte energisch vor der »den DC-10-Maschinen innewohnenden Neigung zu katastrophalem Versagen«. Der vollständige Text seines Memorandums: »Ich mache mir immer mehr Sorgen darüber, daß man die Convair für die DC-l 0 haftbar machen könnte -- aus verschiedenen Gründen:
1. Die entscheidende Sicherheit des Verschlußsystems der Frachtraumtür hat sich seit Beginn des Bauprogramms im Jahre 1968 fortschreitend verschlechtert.
2. Das Flugzeug zeigte von vornherein eine Neigung zu katastrophalem Versagen, als es 1970 bei den Tests am Boden explosionsartigem Druckabfall im Frachtraum ausgesetzt Wurde.
3. Douglas hat bei den Verhandlungen über die Kosten einer Abänderung eine zunehmend »harte Linie' vertreten, sobald es darum ging, die Konstruktions-Verantwortlichkeit zwischen Douglas und Convair aufzuteilen.
4. Die zunehmenden Einflüsse des »Konsumentendenkens' deuten darauf hin, daß Convair in den kommenden Jahren wachsenden Rechtsansprüchen im Bereich der Unfallhaftung ausgesetzt sein könnte.
Ich darf meine Überlegungen im einzelnen erläutern. Zu Beginn des Bauprogramms der DC-10 war es die erklärte Absicht von Douglas, die Frachtraumtüren und das Türverschlußsystem der DC-10 ähnlich wie das System der DC-8 und DC-9 zu konstruieren. Die Dokumentation vom April 1968 legt dar, daß die Türen hydraulisch funktionieren sollten. Im Oktober und November 1968 wurde die Hydraulik durch einen elektrischen Antrieb ersetzt, der entschieden weniger sicher ist.
Damals erörterten wir intern, ob diese Abänderung gut sei, und wiesen auf die Verminderung der Sicherheit hin. Wir mußten jedoch anerkennen, daß Douglas das Recht hatte, solche Entscheidungen zu fällen; wir als Zulieferer seien nur dafür verantwortlich, die Konstruktionsarbeiten im Sinne der Entscheidungen von Douglas auszuführen. Zu jenem Zeitpunkt kam
uns nie der Gedanke, Douglas könne -- wie es die Firma jetzt offenbar tut -- versuchen, die Verantwortung für derlei Entscheidungen Convair zuzuschieben, da wir weder damals noch später bei solchen Entscheidungen mitreden konnten. Die Grenzen der Macht- und Kompetenzbefugnisse von Douglas und Convair waren im beiderseitigen Einvernehmen genau festgelegt worden.
»Inoffiziell dachten wir über Korrekturen nach.«
Im Juli 1970 wurde DC-10 Nummer Zwei im »Hangar' bei Douglas während der zweiten Schicht, und zwar ohne elektrischen Strom in der Maschine, auf Druckfestigkeit getestet. Dies bedeutete, daß die Elektroantriebe der Frachtraumtür und die Kontrollämpchen für die Fallenstellung außer Betrieb waren. Die Test-Mannschaft wuchtete das Verschlußsystem mit der Hand zu, doch gelang es ihr nicht, die Fallen an der vorderen Tür vollständig einrasten zu lassen. Das ließ sich von außen an der Stellung der Sperrvorrichtung ablesen, doch die Test-Mannschaft merkte es nicht.
Folge: Die vordere Tür wurde aufgedrückt, als der steigende Druck in der Kabine etwa 0,21 Kilogramm pro Quadratzentimeter erreichte. Dadurch kam es zu einem explosionsartigen Druckabfall, der den Fußboden des Passagierraums nach unten riß und die durch den Fußboden verlaufenden Hecksteuerungen sowie die Installationsleitungen funktionsunfähig machte.
Solche Schäden aber sind katastrophal. Die Steuerung der horizontalen und vertikalen Heckflächen fällt aus, das mittlere Triebwerk versagt.
Inoffiziell dachten wir über mögliche Korrekturen nach und besprachen sie mit Douglas; unter anderem wurde auch erwogen, heraussprengbare Dielen im Passagierraum einzubauen, so daß der Fußboden in einer vorbestimmten Art zerbrechen und sich dem »explosionsartigen« Druckabfall im Frachtraum anpassen würde, ohne die Heckflächen und den mittleren Heckmotor zu gefährden. Damals schien es uns geboten, auf eine solche Abänderung hinzuweisen, da »Murphy"s Law« nun einmal Murphy"s Law ist und sich Frachtraumtüren während der zwanzig Jahre, in denen es DC-10-Maschinen geben wird, manchmal öffnen werden*.
Douglas erwog selber mögliche Korrekturen und fällte dann einseitig die Entscheidung, in die Frachtraumtüren eine Ventilklappe einzubauen. Diese Hilfskonstruktion verfehlte nicht nur ihren
Zweck, den katastrophalen Defekt der DC-10 zu beseitigen, also der Zertrümmerung des Fußbodens im Passagierraum vorzubeugen; der Einbau einer Ventilklappe verminderte auch noch die Sicherheit des ursprünglichen Schnappschloßsystems, da sie das direkte, kurzgekoppelte und starre Sperrvorrichtungs-System durch ein kompliziertes und relativ unstarres Gestänge ersetzte.
Da sich die grundlegende Sicherheit des Schnappschloßsystems der Frachtraumtür immer mehr verschlechterte. sahen wir uns seit 1968 wachsenden Haftpflichtansprüchen ausgesetzt.
Am 12. Juni 1972 versagte in Detroit das elektrisch betriebene Schnappschloßsystem der Frachtraum-
* Murphy"s Law: »Wenn es passieren kann, wird es passieren.
tür bei der DC-10 Nummer 5; die Fallen der linken hinteren Frachtraumtür rasteten nicht vollständig ein. Auch das komplizierte und relativ unstarre Schnappschloß-Sperrvorrichtungs-System versagte derartig, daß es unmöglich war, die Ventilklappe zu schließen. Noch ehe die DC-10 die Höhe von 3700) Meter erreicht hatte, flog die Tür auf. Der Fußboden des Passagierraums wurde zertrümmert, wodurch die meisten Steuerungen der Heckflächen und die Regulierung des mittleren Triebwerks ausfielen. Es ist reiner Zufall, daß das Flugzeug nicht verloren ging.
Douglas hat sich dann wieder mögliche Korrekturen ausgedacht und scheint noch mehr »Hilfskonstruktionen anwenden zu wollen. Bis jetzt hat uns die Gesellschaft angewiesen, kleine Kontrollfenster mit einem Durchmesser von einem Zoll einzubauen, durch die man die Stellung der »Sperrbolzen« sehen kann; die Gesellschaft überprüft die Montage-Anweisungen dahingehend, ob sich ein tieferes Einrasten der #Sperrbolzen' erzielen läßt, und sie plant, das biegsame Gestänge zu verstärken und zu versteifen.
Man könnte fragen, warum man das Schnappschloßsystem der Frachtraumtür nicht wirklich »narrensicher« macht und den Fußboden des Passagierraums so läßt, wie er ist. Doch selbst wenn es möglich ist, das Schnappschloß »narrensicher' zu konstruieren, so löst dies doch nicht den grundlegenden Mangel des Flugzeugs.
Im Frachtraum kann ein explosionsartiger Druckabfall aus folgenden Gründen eintreten: Sabotage, Zusammenstoß in der Luft, Explosion brennbarer Stoffe im Frachtraum, und möglicherweise aus anderen Ursachen. Jeder dieser Zwischenfälle könnte zu einer Beschädigung führen, die jedoch für die DC-1O nicht verhängnisvoll sein würde, wenn nicht der Fußboden des Passagierraums die Neigung hätte, in Trümmer zu gehen.
Die Verantwortung für primäre Schäden dieser Art würde eindeutig nicht bei uns liegen, jedoch könnte man uns sehr wohl für Folgeschäden verantwortlich halten, nämlich für die Zertrümmerung des Fußbodens, die zum Verlust des Flugzeugs führen mag. Man könnte uns fragen, warum wir den Fußboden des Passagierraums nicht von Anfang an so konstruiert haben, daß er den Belastungen eines explosionsartigen Druckabfalls im Frachtraum standhält, oder warum wir nicht heraussprengbare Dielen in den Fußboden eingebaut haben, die auf sichere und vorgeplante Weise zerbrechen.
Ich kann dazu nur folgendes sagen: Unser Vertrag mit Douglas hat vorgesehen, daß Douglas alle Konstruktionskriterien und Belastungs-Daten liefert (was die Gesellschaft getan hat) und daß wir Konstruktionsentwürfe machen, die diesen Konstruktionskriterien und Belastungen entsprechen (was wir ebenfalls getan haben). Unsere Erfahrungen in der Vergangenheit gaben keinerlei Anlaß zu der Erwartung, daß der Fußboden im Passagierraum der DC-1O einem explosionsartigen Druckabfall im Frachtraum nicht standhalten würde.
Ich muß annehmen, daß die Erfahrungen, die Douglas in der Vergangenheit gemacht hat, ebenfalls keinen Hinweis auf dieses inhärente Merkmal des Flugzeugs ergeben haben, denn sonst hätte Douglas dies bei den Belastungen und Kriterien berücksichtigt, die die Gesellschaft uns geliefert hat.
Meine einzige Kritik an Douglas richtet sich dagegen, daß die Gesellschaft nicht umgehend Schritte zur Korrektur unternahm, nachdem der Test im Juli 1970 gezeigt hatte, wo die Schwachstelle ist. Es scheint mir unvermeidlich zu sein, daß auch in den nächsten 20 Jahren sich Frachtraumtüren der DC-10 öffnen werden, und ich meine, daß dies in der Regel zum Verlust des Flugzeugs führen wird.
Diese prinzipielle Art des Defekts ist bereits früher besprochen worden und wurde jetzt wieder intern in den Gesellschaften Douglas und Convair diskutiert. Man hat jedoch den Eindruck, daß Douglas auf staatliche Vorschriften wartet, in der Hoffnung, die Kosten auf uns oder ihre Kunden abwälzen zu können.
Es sollte auf höchster Geschäftsführungsebene versucht werden, Douglas zu Änderungen bei der DC-10 zu bewegen, mit denen der verhängnisvolle Defekt am Fußboden des Passagierraums behoben wird. Die Korrektur wird ziemlich viel Zeit beanspruchen -- hoffentlich bleibt Zeit genug, ehe das Nationale Transportsicherheitsamt (NTSB) oder die Bundesluftfahrtbehörde (FAA) dem Flugzeug Startverbot erteilen, was sich katastrophal auf Verkauf und Produktion auswirken würde. Diese Korrekturen werden kostspieliger als die Schäden, die bei dem Verlust einer einzigen, vollbesetzten Maschine entstehen würden.
F. D. Applegate, Produktionsleiter.« Applegates beunruhigende Darlegungen wurden von Convair nicht einmal an McDonnell Douglas weitergereicht. Convair fürchtete; durch einen derartigen Schritt könnte man bei einem fortdauernden finanziellen Streit Boden verlieren. Spätestens Mitte 1972 waren die Beziehungen zwischen beiden Gesellschaften im wesentlichen feindlich geworden. Ein fehlerhaftes Flugzeug durfte weiterfliegen.
Am 3. Juli 1972 verfaßte Applegates unmittelbarer Vorgesetzter zu der Denkschrift folgenden enthüllenden Kommentar: »Von: J. B. Hurt
Betrifft: DG-ID: Verantwortlichkeit bei zukünftiger Unfall-Anfälligkeit.
Ich will mich nicht auf eine Auseinandersetzung über die Tatsachen oder die Besorgnis einlassen, die in der Denkschrift dargelegt werden. Wir sollten jedoch bei unseren Überlegungen »die andere Seite der Medaille« betrachten:
1. Wir haben keine Einwände gegen die Konzeption der Bauweise erhoben, die Douglas ursprünglich vertreten hat; damit haben wir im wesentlichen der Lösung zugestimmt, nicht den Fußboden gegen einen möglichen Druckabfall zu sichern, sondern die Frachtraumtüren sicher und zuverlässig genug zu konstruieren.
Die Vorbehaltsklausel in unserem Vertrag verpflichtet uns dem Sinne nach, Einwände gegen eine Baukonzeption zu erheben, von der wir wissen oder vermuten, daß sie falsch oder unsicher ist; falls wir solche Bedenken nicht erheben, teilen wir im Effekt mit Douglas die Verantwortung für die Konzeption.
2. Nach Meinung unserer Konstruktions- und FAA-Fachleute entsprachen diese Konzeption und die Struktur der Frachtraumtür sowie deren ursprünglicher Sperr-Mechanismus den Bedingungen der FAA, und deshalb war das Flugzeug theoretisch sicher und zulassungsfähig.
3. Douglas hat nach der ersten Erfahrung mit der Zertrümmerung des Fußbodens den Schnappschloßmechanismus der Frachtraumtür umkonstruiert, also einseitig den Einbau von Ventilvorrichtungen im Fußboden zugunsten einer sichereren Schnappschloß-Vorrichtung verworfen.
Convair-Ingenieure haben tatsächlich die Möglichkeit von Fußboden-Entlastungsvorrichtungen mit Douglas besprochen, und zwar kurz nach dem Zwischenfall, doch es wurde ihnen gesagt: »Wir werden Ihnen mitteilen, welche Abänderungen unserer Meinung nach notwendig sind, Sie müssen unsere Anweisungen hinsichtlich der Umkonstruierung abwarten. Dieselbe Haltung wird von Douglas heute eingenommen, und wieder fällt die Gesellschaft einseitige Entscheidungen über Korrekturen, die wegen des Detroit-Zwischenfalls erforderlich sind.
4. Wir sind informell davon in Kenntnis gesetzt worden, daß Douglas kurzfristig Korrekturen an dem Türmechanismus vornimmt, jedoch auch überprüft, ob die Frage von Ventilvorrichtungen im Fußboden weiter verfolgt werden soll.
Ich habe erwogen, der (Abteilung) Douglas Major Subcontracts zu empfehlen, sie möge den Einbau von Fußboden-Ventilvorrichtungen ernsthaft prüfen; ich habe es jedoch aus folgenden Gründen nicht getan:
1. Ich bin sicher, daß Douglas eine solche Empfehlung sofort als stillschweigendes Eingeständnis seitens Convair auslegen würde, daß die ursprüngliche Übereinstimmung über die Konzeption der Bauweise ein Fehler war und daß Convair daher für alle Probleme und Korrekturen verantwortlich sei, die dadurch aufgetreten sind.
2. Ich bin nicht sicher, ob Diskussionen über dieses Thema auf »höchster Geschäftsführungsebene. wie sie in der (Applegate-)Denkschrift empfohlen werden, eine andere Reaktion als die oben vorhergesehene hervorrufen würden. Wir stehen vor einem interessanten rechtlichen und moralischen Problem, und ich glaube, daß direkte Gespräche mit Douglas über dieses Thema eines beachten sollten: Convair könnte dadurch selbst in eine Lage geraten, in der die Gesellschaft alle oder einen beträchtlichen Teil der anfallenden Kosten übernehmen müßte. J. B. Hurt,
Programme Manager DC-IO.«
Am 5. Juli 1972 berief Mr. M. C. Curtis, der Vizepräsident von Convair, der die Gesamtaufsicht über das Projekt DC-10 hatte, eine Konferenz ein, auf der das »interessante rechtliche und moralische Problem« gelöst wurde: Man entschied, Convair solle keine Annäherung an Douglas riskieren.
»Schließlich«, so sagte Hurt später, »war zu berücksichtigen, daß die meisten von Applegate gemachten Ausführungen Douglas wohlbekannt sein mußten.« Es fällt in der Tat schwer zu glauben, daß sie Douglas nicht bekannt gewesen wären.
Und so flog ein im Grunde fehlerhaftes Flugzeug weiter.
Im nächsten Heft
Das Versagen der amerikanischen Luftfahrtbehörde: Sie versäumte es, den DC10-Hersteller zu einer Konstruktionsänderung zu zwingen