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ALKOHOL Flug und Flasche

aus DER SPIEGEL 45/1966

Versteckte Infrarot-Kameras beobachteten vier Jahre lang die Piloten von US-amerikanischen Luftfahrtgesellschaften. Verfänglichstes Photo: ein Kopilot während des Flugs im Cockpit einer TWA-Maschine zwischen Denver und Los Angeles - auf seinem Schoß eine Stewardeß.

Durch Umfragen statt durch Kameras sind jetzt auch die Sünden der Piloten von US-Luftwaffe, -Heer und -Marine bekanntgeworden. 1172 anonym gebliebene Flugzeugführer, die zwischen September 1964 und März 1966 im Europa -Hauptquartier der US-Luftstreitkräfte in Wiesbaden befragt wurden, äußerten sich freimütig über ihre Trink-Sitten. Die Auswertung der Trinker-Statistik ergab unter anderem:

- 47 Prozent der Piloten haben sich während ihrer gesamten Dienstzeit wenigstens einmal mit einem Katzenjammer hinter den Steuerknüppel ihrer Maschine gesetzt.

- Sechs Prozent der Befragten sind in

angetrunkenem Zustand geflogen.

- Fast ein Prozent der Flugzeugführer konsumiert täglich zwischen 170 und 226 Gramm hochprozentige Alkoholika - was vier bis fünf Glas Whisky entspricht.

Mitte dieses Monats gab der US -Oberst und Luftfahrtmediziner Dr. William C. Marett vor Fachkollegen in Wiesbaden erstmals Einblick in seine Befunde. Danach bezeichnen sich lediglich drei Prozent der befragten 11,72 US -Piloten als Abstinenzler. Alle anderen trinken Alkohol, doch möchte keiner als Säufer gelten. Jeder zweite greift täglich zur Flasche, die übrigen nur gelegentlich, etwa bei Cocktail-Parties.

Doch selbst bei scharfen Trinkern

zehn der befragten Flugzeugführer rechnen sich dazu - ist laut Marett die Flugsicherheit nicht bedroht gewesen. Wegen ihres hohen Blutalkoholspiegels oder eines Katers sind bisher nach eigenen Angaben nur vier der 1172 in gefährliche Situationen geraten.

Immerhin bekennt die Mehrheit der Flieger, wie das US-Soldatenblatt »The Overseas Weekly« erfahren haben will, der Alkohol: baue ihre Leistungsreserven ab, schränke ihre Konzentrationsfähigkeit ein und beeinträchtige ihr Reaktionsvermögen.

Gleichwohl wird die Piloten-Umfrage ohne Folgen, bleiben. Anders als etwa die Lufthansa, die jeden Flugzeugführer feuert, der nachweislich zwölf Stunden vor dem Start getrunken hat, will die US-Luftwaffe gegen die durstigen Flieger nichts unternehmen. Denn die meisten der angetrunkenen Piloten, so mutmaßt Oberst Marett, »flogen zu Feind-Einsätzen«.

US-Luftwaffenpiloten*: Nach der Party ...

US-Luftfahrtmediziner Marett

... Kater im Cockpit

* Auf dem US-Flugplatz Wiesbaden-Erbenheim.

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