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USA Forsch, naßforsch

Der nächste US-Botschafter in Bonn soll Richard Burt heißen - er ist noch nicht 40 Jahre alt und in Washington allseits unbeliebt. *
aus DER SPIEGEL 9/1985

Der Mann ist brillant und bissig, aggressiv und arrogant, dynamisch, ehrgeizig, laut (zuweilen vorlaut), forsch (zuweilen naßforsch) und gut ein Dutzend Jahre jünger, als er aussieht.

Richard R. Burt, graumeliert, dezenter Diplomaten-Anzug, darunter oft breite, schreiend rote Hosenträger, hat es für einen gerade 38jährigen weit gebracht: Er war Vize-Direktor des Internationalen Instituts für Strategische Studien in London, war sicherheitspolitischer Korrespondent der »New York Times«, war im State Department Direktor der Abteilung Militärpolitik.

Seit 1982 ist er Unterstaatssekretär für europäische Angelegenheiten, seit Anfang dieses Jahres zudem Ehemann mit direktem Draht ins Weiße Haus - seine Frau Gahl berät den Präsidenten und Nancy Reagan als »Social Secretary« in Fragen von Partys und Protokoll -, und nun steht sogar, so scheint es, ein neuer Karrieresprung bevor: »Rick« Burt wird möglicherweise schon bald Washingtons erster Mann in Bonn.

Daß der gegenwärtige US-Botschafter in der Bundesrepublik, Arthur F. Burns, 80, nur noch Ronald Reagans Mai-Besuch abwartet, bevor er in den Ruhestand geht, steht zumindest im State Department seit langem fest.

Und fest steht auch, daß der bislang steile Aufstieg des Mr. Burt in Washington - sehr zur Freude derer, die nicht mit ihm können (und das sind die meisten) - vorübergehend beendet ist. Denn seit Amtschef George Shultz den versierten US-Diplomaten Paul Nitze zu seinem abrüstungspolitischen Sonderberater machte und ihn in seine unmittelbare Nähe im siebten Stock des Ministeriums holte, ist Burts strategischer Sachverstand nicht mehr unentbehrlich.

Und auch sonst kann der Aufsteiger in Washington derzeit politisch kaum noch etwas werden: Das Amt des Sicherheitsberaters im Weißen Haus, für das Burt sich durchaus qualifiziert hielt und das er offen anstrebte, ist schon deshalb fest in der Hand von Robert McFarlane, weil dessen Ablösung sofort die Konservative Jeane Kirkpatrick und ihre Anhänger in Positur bringen würde. Einzelgänger Burt hätte wohl auch keine Impulse für den von Reagan geschätzten Mannschaftsgeist geben können.

Als Burt Mitte des Monats eine Art diplomatisches Gesellenstück ablieferte - er besorgte seinem Präsidenten für den 8. Mai eine Einladung als Gastredner vor dem Europäischen Parlament in Straßburg und befreite ihn so von der peinlichen Pflicht, mit den Deutschen deren Kapitulation vor 40 Jahren feiern zu müssen -, wagte George Shultz einen Schachzug: Er schlug dem erleichterten Präsidenten vor, Richard Burt mit der Wacht am Rhein zu betrauen.

Für die Regierung in Bonn, sagt ein Burt-Kenner im State Department, müßte der junge Mann allein schon wegen seines Sachverstands »mehr als akzeptabel« sein - auch wenn ihm nachgesagt wird, für die Deutschen nicht allzuviel übrig zu haben. Im Gegenteil, deutsche Gesprächspartner haben in Burts Auftritten die Haltung eines imperialen Prokonsuls zu verachten gelernt.

Ein anderer US-Diplomat beurteilt Burts Chancen beim Kanzler: »Kohls erste Wahl wäre er sicherlich nicht. Der

Kanzler würde vermutlich eine etwas reifere Persönlichkeit vorziehen.«

Eine Burt-Berufung an den Rhein wäre in der Tat ein Bruch mit der US-Tradition, nach Bonn stets gestandene Diplomaten oder verdiente Politiker zu schicken - Kenneth Rush etwa, der das Berlin-Abkommen mit aushandelte, Walter Stoessel, der zuvor schon in Warschau und Moskau gedient hatte, oder eben auch den Ex-Chef der amerikanischen Zentralbank, Arthur Burns.

Mit Richard Burt hielte ein Mann Einzug in die zur Festung ausgebaute US-Botschaft an der Godesberger Deichmanns Aue, der sich in der Vergangenheit immerhin durch eine Eigenschaft ausgezeichnet hat, die dem Aufstieg in diplomatische Spitzenpositionen durchaus zuträglich ist: Er kann mit der Stimme seines Herrn reden.

Als Star-Korrespondent der »New York Times« machte er sich zu eigen, was ihm Jimmy Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski steckte, den er mehrmals in der Woche sah. »Wenn man Richard Burt liest«, scherzte damals Hodding Carter, Sprecher des State Department, »sieht man, wie sich Brzezinskis Lippen bewegen.«

Als Abteilungsdirektor im State Department, zuständig für Militärpolitik - »der ''New York Times''-Job im State Department«, so ein Sprecher des Ministeriums _(Vorgänger Burts war, unter Carter, der ) _(sicherheitspolitische Korrespondent der ) _("New York Times«, Leslie Gelb, der ) _(inzwischen wieder für seine alte Zeitung ) _(aus Washington berichtet. )

-, mischte sich Burt sogleich in eine Vielzahl anderer Abteilungen ein (deren Mitarbeiter ihm heute noch gram sind) und setzte sich an die Spitze eines »Ein-Mann-Kreuzzugs« (Burt), dessen Ziel es war, alle mit der Abrüstung zusammenhängenden Fragen in einem Ausschuß zu vereinen, an dessen Spitze niemand anders stand als er selbst.

Mit Richard Burts intellektueller Überheblichkeit haben nicht nur die Untergebenen

des Assistant Secretary Bekanntschaft gemacht, die hinter vorgehaltener Hand berichten, daß Burts chronische Migräne häufig zu unmotivierten Wutausbrüchen schlimmster Art führe - wenn er beispielsweise unter Zeugen über den Genf-Unterhändler Paul Nitze pöbelte: »Der hat doch die Hosen gestrichen voll, der besteht nur noch aus Panik und bricht zusammen.«

Auch Bonns Sonderbotschafter Friedrich Ruth, häufiger Gesprächspartner Burts, fand sich eines Tages als Zielscheibe des Besserwissers aus Washington: Als sich Ruth bei Gelegenheit nicht sofort mit Burts Ausführungen identifizierte, fuhr ihn der junge Mann an: »Fred, halt die Schnauze, und hör mir zu!«

Würde sich ein Botschafter Burt über Einwände der Bonner Opposition oder gar der Regierung ebenso arrogant hinwegsetzen, einen Kanzler oder Minister ebenso unnachsichtig darauf hinweisen, daß nicht die Meinung des Musterschülers Bundesrepublik zählt, sondern allein die des Amerikaners?

Für Burt spricht andererseits, daß es ihm mit der Abrüstung ganz offensichtlich ernst ist und daß er diesen Standpunkt auch dann vertritt, wenn ihm das nicht unbedingt nützt - innerhalb der Reagan-Regierung zum Beispiel, und da vor allem im erbitterten Streit mit dem anderen Richard, dem Unterstaatssekretär Perle aus dem Pentagon, der von sich glaubt, er habe die reine Lehre für sich gepachtet und in Burt einen verdächtigen Abweichler erblickt.

Gegen Perle liierte sich Burt mit den moderaten Männern im State Department und im Weißen Haus - und seit kurzem gilt der ansonsten so konservative Mann den Rechten als »Taube«.

Sie hatten von Anfang an Einwände gegen den Intellektuellen aus dem Mediengewerbe gehabt. War es nicht Burt gewesen, der vermeintlich Geheimes über den US-Satelliten »Chalet« in der »New York Times« enthüllt hatte? Lebte er nicht damals mit einer Kollegin zusammen, der er immer wieder Nachrichten zuschob, sobald er aus dem Pentagon zurückkehrte ins gemeinsame Heim?

Sieben Monate verweigerten Washingtons Konservative ihm - unter Führung ihres Bannerträgers Jesse Helms - im Senat die Bestätigung im hohen Amt, und sie sind schon wieder, diesmal möglicherweise heimlich beklatscht aus Bonn, fleißig dabei, Hindernisse für einen Karrieresprung des Richard Burt aufzutürmen.

Und während die »Washington Post« bereits von der Bereicherung der Bonner Party-Szene durch das Jung-Ehepaar Burt schwärmte, malte die erzkonservative »Washington Times« aus, was durchaus auch passieren könnte: daß Richard Burt, weil er nirgendwo mehr gebraucht wird, zurückkehren muß in das Washingtoner Großraumbüro der »New York Times«.

Vorgänger Burts war, unter Carter, der sicherheitspolitischeKorrespondent der »New York Times«, Leslie Gelb, der inzwischenwieder für seine alte Zeitung aus Washington berichtet.

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