Frage der Zivilcourage, Impressum
(Nr. 42/1977, Sowjet-Union: Der emigrierte Pianist Michael Rudy über das Kulturleben in der UdSSR)
Michael Rudys Bericht trieft vor Selbstmitleid. Er weiß exakt, was man hier sagen muß, um »lieb Kind« zu sein -- schließlich wimmelt es nicht nur in der UdSSR von begabten Pianisten. Also gibt er vor, nicht zu wissen, daß es seit 15 Jahren immer eine Frage der Zivilcourage war, bestimmte Werke aufzuführen. Aber wenige brachten Zivilcourage auf, und so bedurfte es keiner formellen Verbote, nur gelegentlicher Ermahnungen. Importe westlicher Partituren -- auch von Stockhausen -- funktionieren nach wie vor: als private Geschenksendung. Geistliche Musik erklingt regelmäßig im Allunionsrundfunk, wenn auch nicht als Gottesdienst, sondern als kulturelles Erbe. Rudy sollte schleunigst differenzieren lernen, denn es ist möglich, daß er -- als einer von Dutzenden heute vergessenen Gewinnern des Wettbewerbs »Marguerite Long« -- auch hier Bestechungsgelder (an Verleger und Komponisten) zahlen muß, wie es einige seiner hiesigen Kollegen tun mußten, um Erfolg zu haben.
Holzhausen (Bad.-Württ.) FRED K. PRIEBERG Autor von »Musik in der Sowjet-Union« (Köln 1965>
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