Nachruf Frank Zappa
Die Sängerin Grace Slick nannte ihn einmal »das intelligenteste Arschloch, das ich je getroffen habe«. Frank Zappa, der große, brillante Entertainer, hat nie einen Hehl daraus gemacht, daß ihm dieses Kompliment ganz gut gefiel.
Als er Mitte der sechziger Jahre mit einem langen, verfilzten Mantel, seiner gewaltigen Nase und der Forderung »Freak Out!« über die USA herfiel, hatte er im Gegensatz zu den meisten Rockmusikern die Pubertät längst hinter sich. Er war 25 Jahre alt, hatte die Kompositionen von Schönberg und Varese studiert und festgestellt, daß einer wie er mit seiner Leidenschaft für klassische Musik im besten Fall Musiklehrer in San Diego werden konnte. Also entschied sich Zappa für den Rock'n'Roll, also revolutionierte er mit den »Mothers of Invention« die Popkultur.
Bis dahin hatten die Bands von Mondschein und gebrochenen Herzen, von armen Leuten am Straßenrand und vom Frieden gesungen und ein wenig die Barregriffe hin- und hergeschoben. Zappa erzählte von einsamen elektrischen Truthähnen und prahlte, daß sein Ding ein Monster sei, und ließ dazu Jazz und Rock, Folk und Klassik aufeinanderkrachen, verspielt, zynisch und immer böse, getreu seinem Slogan, kein Akkord sei »häßlich genug, um all die Scheußlichkeiten zu kommentieren, die von der Regierung in unserem Namen verübt werden«.
Damit wurde er anfangs nicht reich, aber zu einer der berühmtesten Figuren der amerikanischen Gegenkultur. Und im Gegensatz zu den anderen, zu Jerry Rubin, der heute als Yuppie an der Wall Street arbeitet, zu Timothy Leary, der in der virtuellen Realität die Freiheit sucht, oder zu Bob Dylan, der als weltabgewandter Jet-set-Hobo durch die Lande zieht, gehörte Zappa zu den wenigen, die bis zuletzt mit Kraft und Intelligenz gegen Washington anstänkerten, wo er eine Versammlung von Clowns bei der Arbeit wähnte. Wie viele tun das noch? »Drei oder vier«, sagte Zappa 1992 im SPIEGEL-Interview, »ich telefoniere manchmal mit ihnen.«
Seine Musiker heuerte und feuerte der perfektionsversessene Eigenbrötler, und die einzige Band, die auf Dauer seinen Ansprüchen genügen konnte, war das digitale Synclavier, das er Anfang der achtziger Jahre entwickelte. Mit dem »Gelben Hai« brach er noch einmal aus seinem elektronischen Elfenbeinturm aus und feierte in Frankfurt mit dem »Ensemble Modern« die Premiere dieses komplexen Orchesterwerks.
Es war eine seiner letzten Fluchten. Genau wie sein Versuch, in der zerfallenden UdSSR Wirtschaftshilfe zu leisten, Kulturbotschafter für Vaclav Havel zu werden oder gar für das Präsidentenamt der USA zu kandidieren. Die tödliche Krankheit hatte ihn längst im Griff.
Der Kampf gegen den Krebs ist vielleicht das einzige, was dem willensstarken Zappa mißlungen ist. Bis zuletzt arbeitete der Amerikaner, der Pionier und Idealist, der Mann, der immer nach Freiheit und Unabhängigkeit strebte, in seinem bunkerähnlichen Holzhaus im Laurel Canyon von Los Angeles. Seine Assistenten mußten 24 Stunden am Tag die TV-Wirklichkeit mitschneiden, er kontrollierte ehrgeizig sein Gesamtwerk, das er der Plattenindustrie entrissen hatte, er rauchte schachtelweise Marlboro, bastelte in seinem gigantischen Tonstudio, er schimpfte und scherzte mit seiner Frau Gail und seinen vier Kindern.
»Das Leben wird komplizierter«, sagte der sterbende Revolutionär vor gut einem halben Jahr, »weil man neben seinen sonstigen Aufgaben auch noch jeden Tag aufs neue um sein Leben kämpfen muß.«