Polen Frau Präsident
Kein Detail entgeht der strengen Prüfung. Beweist Jolanta Kwa-'sniewska nicht eine Vorliebe für allzu grelle Farben? Sind ihre Dekolletés nicht ein wenig gewagt? Und die Röcke, die sie trägt, auf jeden Fall zu frech?
Die Frage, ob sich die Frau des Präsidenten Aleksander Kwa'sniewski ihrem gesellschaftlichen Rang entsprechend kleidet, löst in Polen hitzige Diskussionen aus. Zuletzt Anfang Juli, beim Besuch der amerikanischen Präsidentengattin Hillary Rodham Clinton.
Bei der Begegnung der beiden Damen starrte ganz Polen via Fernsehen gebannt auf deren Beine. Und es war nicht zu übersehen: »Die polnische erste Dame trägt deutlich kürzere Röcke als die amerikanische First Lady«, meldete das politische Wochenmagazin Wprost aufgeregt.
Daß Frau Kwa'sniewska sogar beim gemeinsamen Besuch von Auschwitz nicht auf ihren Minirock verzichten wollte, erschien vielen Polen, besorgt um das internationale Ansehen ihres Landes, »alles andere als eine glückliche Wahl« (Wprost).
Schon beim Besuch der britischen Königin im März dieses Jahres hatte Jolanta Kwa'sniewska, 41, mit einer goldenen Kreation eines polnischen Couturiers, schulterfrei und tiefes Dekolleté, Aufsehen erregt. »Sie kleidet sich zu auffällig, grell und kitschig«, urteilt Basia Czartoryska, Stylistin der polnischen Ausgabe von Elle, die Jolantas Geschmack »provinziell« nennt: »Typisch für die polnischen Neureichen.«
Die junge Modeexpertin aus dem polnischen Hochadel vergleicht die »aufdringliche Erscheinung« der neuen First Lady mit der »vornehmen Zurückhaltung« ihrer Vorgängerin Danuta Walesowa. Das junge Präsidentenpaar bietet in seinem ganzen Äußeren nichts als »Nachahmung amerikanischen Stils«, meint Basia Czartoryska.
Ob anderes ästhetisches Empfinden, ob eigene Spießigkeit oder schlichter Neid: Viele Polen kommen einfach nicht zurecht mit dem Typus selbstbewußte Frau, den Warschaus First Lady verkörpert. Politikergattinnen traten hier bisher kaum in Erscheinung, höchstens bei Staatsbesuchen als eher dezente Dekoration am Rande. Auch Danuta Walesowa mied den Präsidentenpalast in Warschau und blieb in Danzig bei ihren zahlreichen Kindern.
Jolanta Kwa'sniewska hat von Anfang an einen anderen Stil geprägt, nach dem Vorbild von Jacqueline Kennedy oder Hillary Clinton; für die Polin ist letztere einfach eine »wunderbare Frau«. Die Mutter einer 15jährigen Tochter betont zwar immer wieder, sie wolle »nicht den geringsten Einfluß ausüben auf irgendwelche Regierungsgeschäfte«, andererseits könne sie sich aber auch nicht vorstellen, »im Schatten meines Mannes zu leben«.
Das hat sie bisher nie getan. Die Präsidentengattin, die aus Danzig stammt, hat dort Rechtswissenschaften studiert und dieses Studium mit dem Magister abgeschlossen - ihr Mann, der ebenfalls in Danzig Ökonomie studierte, hatte sein Studium, im Gegensatz zu den Behauptungen im offiziellen Lebenslauf, ohne Titel beendet. In der letzten Phase des Wahlkampfes mußte er diese Angabe kleinlaut richtigstellen.
Auch in puncto Geschäftstüchtigkeit kann das Staatsoberhaupt seiner Frau kaum das Wasser reichen. Sie kümmert sich nicht nur um das gepflegte Äußere ihres Mannes und sucht seine Anzüge und Krawatten aus, sondern trifft auch alle wirtschaftlichen Entscheidungen im Haus. Sie hat den Mazda 323 gekauft, den das Ehepaar bis zum Wahlsieg fuhr, und auch die beiden Grundstücke, welche die Kwa'sniewskis ihr eigen nennen.
Mit ihrem ausgeprägten Sinn fürs Merkantile hat Jolanta Kwa'sniewska ihren Mann im Wahlkampf Ende letzten Jahres allerdings in schlimme Turbulenzen gebracht. Zeitungen deckten damals auf, daß die clevere Politikergattin ein Aktienpaket der Versicherungsfirma Polisa besaß - was der Präsidentschaftskandidat in seiner Vermögenserklärung verschwiegen hatte.
Er könne sich nicht an den Vorgang erinnern, sagte Aleksander Kwa'sniewski zunächst; er habe nicht gewußt, daß auch Vermögensanteile der Ehepartner angabepflichtig seien, schob er später nach.
Zusätzliche Brisanz erhielt die Affäre um die nicht gemeldeten Aktien durch die Tatsache, daß auch die Frau des damaligen Ministerpräsidenten Józef Oleksy und andere prominente Sozialdemokraten große Anteile an der Polisa besaßen.
Die Firma gehört zum »roten Spinnennetz«, das die polnischen Ex-Kommunisten nach Ansicht der Opposition in weiten Teilen der Wirtschaft des Landes gesponnen haben, um sich Macht und Einfluß zu sichern.
Jolanta Kwa'sniewska begegnete den Vorwürfen mit der selbstbewußten Erklärung, sie habe die Aktien »auf eigenes Risiko und mit eigenem Geld« gekauft; im übrigen seien Frauen von Politikern wirtschaftliche Aktivitäten ja wohl nicht verboten.
Das Business war immer ihre Domäne. Nach einem erfolglosen Versuch, bei Gericht unterzukommen, startete sie ihre Karriere, zuerst in einem polnischschwedischen Joint-venture. Schon 1991 gründete sie ihre eigene Maklerfirma mit dem hochtrabenden Namen Royal Wilanów, »in einem kleinen Mietzimmer mit geborgten Möbeln«, erinnert sich Frau Kwa'sniewska. Eine Goldgrube, mit der sie bald mehr verdiente als ihr Mann in der Politik, wie sie heute noch gern betont.
Zur Politik hatte sie immer ein eher distanziertes Verhältnis. Sie war, im Gegensatz zu ihrem Mann, nie in der Kommunistischen Partei und trat auch nach dem Zusammenbruch der KP nicht den »gewendeten« Sozialdemokraten bei.
In Fragen der Wirtschaft denkt sie liberaler als ihr Mann, und darüber gibt es nach ihren Worten auch öfter Streit zu Hause. Viele ökonomische Entscheidungen der Regierung »ärgern mich«, klagt Jolanta Kwa'sniewska: »Das polnische Steuersystem ist undurchschaubar, die Steuern sind zu hoch, da muß etwas geschehen.«
Viele Polen nennen die attraktive Erfolgsfrau schon »Frau Präsident«, wenn sie ihre Sorgen und Wünsche vortragen. Aus solchen Begegnungen und den vielen Briefen, die sie jetzt bekommt, weiß die First Lady, »wie ungeheuer groß in Polen die Armut ist«. Deshalb will sie sich nach ihrem Ausscheiden aus dem Geschäftsleben, ganz nach amerikanischem Muster, karitativ betätigen. Geplant ist die Gründung eines Vereins für behinderte Kinder.
Aber Jolanta Kwa'sniewska möchte noch mehr erreichen. Ebenso wichtig erscheint es ihr, Frauen in der Politik zu fördern. Die würden immer noch von den Männern aus Angst um Positionen an den Rand gedrängt, kritisiert die First Lady in einem Interview mit der New York Times, das in Polen nicht überall freundlich aufgenommen wurde.
Hier hätte sich Jolanta Kwa'sniewska als »verantwortungsbewußte Frau eines Staatsmannes präsentieren können«, bemängelte die Zeitung Gazeta wyborcza.
Statt dessen habe sie sich als überhebliche »Dame aus höheren Sphären« aufgeführt, »die sich über die Rückständigkeit ihrer Landsleute beklagt«.