FREITAGS FLEISCH
(Nr. 41/1969, DDR)
Ich habe in Ihrem DDR-Artikel einen Hinweis darauf vermißt, wie das Verhältnis der Ostdeutschen zu den »Garanten der Freiheit« im allgemeinen und zwischen Russen-Soldaten und ostdeutschen Mädchen im besonderen ist.
Frankfurt ANNEMARIE WEISE
Sie waren sich nicht sicher, ob das Selbstwertgefühl der DDR-Bewohner gestiegen sei. Ich kann hierzu natürlich nur aus einem mir bekannten Kreis schlußfolgern. Dieser Verwandten- und Bekanntenkreis umfaßt vom einfachen Arbeiter über Facharbeiter, Bauern bis zu Akademikern (Ärzten, Hochschullehrern) einen repräsentativen Querschnitt. Seit dem Mauerbau, ich fahre jährlich einmal in die DDR, ist nach meiner Ansicht dieses Staatsbewußtsein gefestigt und gewachsen. Es ist ein Abfinden mit der Realität und ein sich darauf aufbauendes Wertgefühl. Auf meine Frage, ob die Bundesrepublik die DDR anerkennen solle, sprachen sich alle entschieden für eine Anerkennung aus. Was sie sich von der Anerkennung erhoffen! Ein geregeltes Miteinander, eventuell Heirat zwischen jungen Leuten, Besuche in die Bundesrepublik, wenn auch mit Einschränkungen. Eindeutig wurde auch Hallstein-Doktrin und Alleinvertretungsanspruch abgelehnt, denn man sei ja immerhin unter den ersten zehn Industriestaaten der Welt. Allerdings ist ihnen voll bewußt, daß ihr Staat keine Demokratie ist. Erstaunlicherweise meinte man, dirigistische Maßnahmen kämen besonders von unterer Parteiebene. Dafür sprechen auch viele politische Witze, in denen Ulbricht leicht belächelt, aber als »Vaterfigur« herausgestellt wird. Zustimmen muß ich Ihrer Vermutung über die Ablehnung der westdeutschen Großmannssucht. Darauf reagieren alle gleichermaßen allergisch.
Spessart (Bad.-Württ.) RENATE MANIKE
Ihre Schilderung ist so tendenziös, daß sie beinahe von Karl Eduard von Schnitzler verfaßt sein könnte. Nach Ihrem Artikel ist die DDR ja beinahe ein Paradies! Die Verfasser scheinen mir pseudowissenschaftlichem Materialismus zu huldigen.
München DR. WALTER GEISLER
Nach mehreren Reisen in der DDR und Gesprächen dort mit Staatsfunktionären wie -feinden, und nicht zuletzt nun durch Ihren zutreffenden Artikel, kann ich beim besten Willen keine grundsätzlichen Unterschiede zu allen anderen deutschen Staatswesen seit 1871 entdecken. Denn nicht nur nach Sven Olof Palme und Enrico Berlinguer sind im modernen Industriestaat die Eigentumsverhältnisse bei den Produktionsmitteln für das gesellschaftliche Verhalten -- tägliches Leben -- von minderer Bedeutung. Es bleibt dabei: Unsere von der DDR zu Grabe getragenen Hoffnungen sind schon vor längerer Zeit auferstanden und von den kubanischen Gastgebern noch nicht enttäuscht worden.
Hamburg HANS-WILHELM BAUMANN
Ihr Bericht kommt bei mir Gott sei Dank um einen Monat zu spät, ansonsten würde ich -- bestärkt durch Ihren Artikel -- noch weiterhin daran glauben, daß es »dort drüben« doch auch einmal besser werden müßte. Viele Gespräche, die ich mit Urlaubern aus der DDR am Goldstrand in Bulgarien führen konnte, zeigten indes, daß die Verhältnisse so unerträglich wie ehedem geblieben sind! Die Leute bekommen weiterhin nur zweimal im Jahr Apfelsinen und die Hausfrau weiß am Donnerstag nicht, welches Fleisch sie am Freitag bekommen wird. Völlig unbegründet ist unsere Angst vor der besseren Schulausbildung in der DDR und vor ihrer größeren Abiturientenzahl. Gut 40 Prozent der Studienzeit ist mit Politik ausgefüllt, womit auch ein sonst leistungsschwacher Schüler das Abitur schafft, Hauptsache, er kann zitieren, wo und wann der Genosse Ulbricht was gesagt hat. Ihr Artikel ist von seiner Grundstimmung zu hoffnungsfroh. Dem trägen Bundesbürger geben Sie damit das trügerisch-wohlige Gefühl, daß die Verhältnisse in der DDR besser würden und er weiterhin beruhigt sein kann über das Schicksal der Menschen »dort drüben«!
Krumbach (Bayern) WALTER CZECH