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Briefe

FREIWILD
aus DER SPIEGEL 19/1971

FREIWILD

(Nr. 15/1971, Ausländerstudium)

Ich habe selbst das Studienkolleg besucht und mir sträuben sich die Haare, wenn ich heute noch daran denke. Es war wirklich eine fürchterliche Zeit, und ich habe mehr verlernt als gelernt.

München ABD. HUSSEIN

Als ehemaliges »Opfer« des West-Berliner Studienkollegs muß ich Ihnen für Ihren Artikel »Dritte Klasse« danken. Zwei langweilige Jahre mußte ich dort Physik, Atomgewichte, die Arten der Würmer und Parabeltangenten pauken. Nur, weil ich mein Abitur zu Hause in der sogenannten literarischen Abteilung gemacht habe. Wer nach Meinung und »Logik« (ich weiß nicht, ob so etwas vorhanden ist) der Studienkollegslehrer und Direktoren -- Publizistik in Deutschland studieren will, muß unbedingt ein guter Physiker, Chemiker, Mathematiker und Biologe sein!

Berlin T. AHMED

stud. phil. au der FU

Wenn es Ihnen ausschließlich um eine Sammlung anekdotischer Erlebnisse über das Studienkolleg geht oder um angebliche »Kritikansätze« technischakademischer Mißstände, womit die ausländischen Studenten (und besonders diejenigen aus der »Dritten Welt") täglich konfrontiert werden, so kann ich die Liste weiterführen: ich (Portugiesin, damals Studienkollegiatin und Dolmetscheranwärterin an der Universität Heidelberg) erhielt schon in der ersten Geographiestunde eine ausführliche Predigt über die Vorzüge der westlichen Demokratie im Vergleich zu den Ostblockstaaten einschließlich der »sogenannten DDR«, ferner wurde das prächtige US-Frühstück (Eier mit Schinken, viel Milch, zwei Brotsorten, Marmelade, Corn Flakes nicht vergessen) als westliches Wohlstandssymbol gepriesen -- nicht zu reden von der VR China, wo der Bauer sowieso nur trockenes Brot zu fressen bekommt. Weiter stand auf dem Studienkollegprogramm: Trigonometrie, Differentialrechnung, Ruhrkohle, deutsche Binnenschiffahrt, Hebels Kalendergeschichten.

Berlin TERESA M. TREPP

Germanistikstudentin

Die Herren Kultusminister der verschiedenen Bundesländer haben derartige Kollegs für die ausländischen Ingenieurschulbewerber in Dortmund, Konstanz und Hannover mit dem hochtrabenden Namen: »Institut für ausländische Ingenieurschulbewerber« eingerichtet. Die Dauer der »Vorbereitung« dauert ein ganzes Jahr. Dort wird nur dummes Zeug gelehrt. Ich bin ganz Ihrer Meinung, wenn Sie behaupten, »daß ein Auslandsstudium ohne spezielle Vorbereitungen kaum Aussicht auf Erfolg hat«, jedoch braucht man nicht »was der Lehrer im Ersten und Zweiten Weltkrieg erlebt hat« zu wissen. So etwas erfährt man zur Genüge bei der Bevölkerung und eventuell bei seinen Wirtsleuten. Im Zeitalter der Raketentechnik und Elektronik sollten die Herren Ausländer viel besser auf das Fachstudium vorbereitet werden. Den deutschen Kommilitonen ermöglicht man mit Hilfe der Fachschulreife, die eine viel bessere Vorbereitung für das Ingenieurstudium ist, den Besuch einer Ingenieurschule. Den Ausländer füttert man mit billigem und dummem Zeug für die Dauer eines Jahres. Kaum Wunder, wenn viele Ausländer schon im ersten Semester scheitern. Da freuen sich die Herren Dozenten, die man auch »Absäger« zu nennen pflegt, und reiben sich die Hände und behaupten sogar, daß das Ingenieurstudium den Ausländern wesentlich schwerer fällt als den Einheimischen. Es werden hierüber sogar Geheimberichte an den Kultusminister eingereicht, um für den Fortbestand der Einrichtung zu werben. Frankfurt

MAHMOUDI SADEGH ALFANDRIAH

Eins kann ich Ihnen jedenfalls versichern, daß ausländische Studenten und insbesondere Orientalen und Afrikaner für manche Lehrer und Dozenten wie Freiwild sind. Sie werden auch entsprechend behandelt. »Kameltreiber« und »Buschmenschen« sind manchmal gar nicht so beleidigend wie manches andere. Im Studienkolleg hatten wir einen Dozenten, der ließ sich von seinen Schülern -- von mir auch -- einladen. Ich habe ihn dreimal einladen müssen, was mich jedesmal über 50 Mark kostete. Für einen Studenten im Jahre 1962 war das noch viel Geld. Und in einem anderen mir bekannten Fall hatte ein Landsmann von mir nicht nur seine »Noten«, sondern auch eine Zulassung an irgendeiner Universität für 1000 Mark gekauft. Er hat es mir selber erzählt. Das glaube ich ihm auch, denn er sprach sehr schlechtes Deutsch und hatte nur die mittlere Reife, trotzdem bestand er die Prüfung, obwohl andere, die viel besser waren als er, durchfielen.

Frankfurt ALI A. TALIS

Im Anschluß an meinen Namen steht der Satz, »daß deutsche Mädchen durch Ausländer verdorben werden«, der nicht von mir stammt. Das schlimmste ist nicht, daß mir eine derartige Anekdote zugeschrieben wurde, sondern daß Sie eine Ansammlung (fast> lustiger Geschichten brachten, die mit den wahren Hintergründen des Problems nichts gemeinsam haben. Die Misere an den Studienkollegs ist kaum von der allgemeinen Misere an den hiesigen Hochschulen zu trennen.

Berlin FRANKLIN HESS

Ich möchte Ihnen dazu mitteilen, daß es für ausländische Lehrer, die an deutschen Hochschulen tätig sein möchten, ähnlich Schlimmes gibt! So ist mir bekannt, daß ein deutschstämmiger Professor Dr. erst nach langwierigen und sehr schleppenden Bearbeitungen vom Oberschulamt wenigstens an einem Gymnasium in einer Kleinstadt eingesetzt wurde.

Dettenhausen (Bad.-Württ.)

ERNST SCHMID

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