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SPANIEN Freunde in der Not

aus DER SPIEGEL 4/1952

Die Spanier hatten so etwas noch nie vorher erlebt. An einem Tag der letzten Woche dampften 35 amerikanische Kriegsschiffe fast zur gleichen Stunde in acht verschiedene spanische Häfen mit romantisch klingenden Namen: Barcelona, Alicante, Cartagena, Valencia, Almeira, Malaga, Tarragona und Palma auf den Majorca-Inseln. In Valencia konnte der 45 000-Tonnen-Flugzeugträger »Franklin D. Roosevelt« wegen seiner Größe nicht ins Hafenbecken einfahren und mußte auf der Reede ankern. Seit 1926 war er das erste US-Kriegsschiff, das diesen Hafen anlief.

Ueberall schrillten Bootsmannspfeifen auf den amerikanischen und den spanischen Kriegsschiffen, standen weißgekleidete Matrosen in schnurgeraden Reihen an der Reeling, dröhnten Sirenen, wurden Flaggen gedippt, jubelten insgesamt über hunderttausend Spanier an den Piers.

Die Hälfte der mächtigen, nicht nur in allen Hafenvierteln gefürchteten 6. US-Flotte im Mittelmeer unter Admiral Gardner (Flaggschiff: Schwerer Kreuzer »Des Moines") stattete der spanischen Nation einen »Freundschaftsbesuch« ab.

In Madrid sagte der US-Marineattaché vorher vertraulich: »Diesmal haben unsere Leute besondere Instruktionen bekommen, bezüglich ihres Auftretens und Verhaltens gegenüber Spanien.« Sie sollten sich wie in »gleichstehenden« Nationen benehmen, »nicht etwa wie bei Italienern, Griechen oder Franzosen«. Außergewöhnlich scharfe Strafen waren für Trunkenheit festgesetzt worden (Spanier trinken regelmäßig, aber mäßig, und ekeln sich vor Betrunkenen).

Tatsächlich gab es während des Besuches keinen einzigen ernstlicheren Zwischenfall, abgesehen von dem in Valencia rechtzeitig aufgedeckten Anschlag auf den US-Botschafter in Madrid, Stanton Griffis. Er steckte eine schwere Armee-Pistole ein und fuhr unentwegt fort, um Spaniens guten Willen zu werben.

Mit dem Flottenbesuch endete eine der größten Grotesken der Nachkriegszeit. Sie spielte sich im letzten Dreivierteljahr in aller Stille ab und hieß »spanisch-amerikanische Verhandlungen zum Abschluß eines Militär- und Hilfsabkommens zwischen beiden Nationen«.

Seit dem spanischen Bürgerkrieg hatte Amerika die Spanier mit Verachtung und diplomatischem Bann gestraft. 1950 merkten die Amerikaner, daß sie die Iberische Halbinsel, die einzige gegenwärtig zu verteidigende Bastion in Europa, dringend brauchen; das völlig verarmte Spanien brauchte Dollars: das war die Verhandlungsgrundlage. Francos Leute erkannten die Not der Amerikaner, feilschten rücksichtslos und erhandelten von den US-Unterhändlern Griffis und Generalmajor Spry folgende handfeste Konzessionen:

* Spanische Truppen werden nicht in die Nordatlantikpakt-Organisation einbezogen und werden im Kriegsfall nur zur Verteidigung der iberischen Halbinsel eingesetzt - ebenso wie die Soldaten des NATO-Partners Portugal.

* In Spanien einzurichtende Stützpunkte werden von der spanischen Regierung verwaltet.

* Der Oberbefehl in Spanien bleibt in spanischen Händen, auch nach Spanien abgedrängte US- und NATO-Truppen unterstehen zumindest nominell den Spaniern.

Der Verlauf der Verhandlungen und ihre ersten konkreten Ergebnisse erregten scharfe Proteste Frankreichs in Washington. Die Franzosen fühlten sich verraten. Grund: 200 spanische Offiziere sind bereits in USA, wo sie an noch geheimen Waffen ausgebildet werden. Erste Lieferungen modernster Geräte trafen bereits in Spanien ein, während die NATO-Partner bisher nur veraltete Weltkrieg-II-Ausrüstung erhalten haben. Frankreich erklärte, niemals werde es seine Truppen spanischem Oberbefehl unterstellen, aber dennoch kapitulierten die Amerikaner in der Oberbefehlsfrage vor den unbeugsamen Spaniern.

Die Spanier bekommen von Amerika zunächst mindestens 100 Millionen Dollar Hilfsgelder. Nur für 45 Millionen brauchen sie Waffen zu kaufen, und das zu besonders billigen Anrechnungssätzen. Diese Lieferungen werden weder vom US-Außenministerium, noch von einer NATO-Agentur, sondern völlig selbständig vom US-Verteidigungsministerium überwacht.

Die amerikanischen See- und Luftbasen in Spanien sollen wegen der mittelalterlichen Verkehrsverhältnisse des Landes sämtlich im Küstengebiet angelegt werden. In erster Linie sollen Cadiz und Menorca

ausgebaut werden. Vigo-Ferrol und Cartagena in Nordwestspanien sollen später drankommen. Alle Basen werden von spanischen Ingenieuren und Arbeitern gebaut - nur Oberleitung und Finanzierung sind amerikanisch.

Kein Wunder, daß Spaniens Presse letzte Woche jubelte. Meinte »La Vanguardia": »Das gegenseitige Hilfsabkommen ist ein persönlicher Erfolg des Caudillo, der finanzielle Unterstützung erworben hat, ohne eine Hypothek auf die politische Freiheit seines Volkes aufzunehmen.«

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