Zur Ausgabe
Artikel 55 / 81

Frieden, nein danke

Der WDR Iehnte es ab, den Gladbacher Ewald Lienen mit einem Pullover der Abrüstungsbewegung als »Torschützen des Monats« in der Sportschau auftreten zu lassen. *
aus DER SPIEGEL 47/1985

Am Montag letzter Woche klingelte beim Fußballprofi Ewald Lienen, 31, das Telephon. WDR-Redakteur Werner Lux brachte fernmündlich frohe Botschaft. Der Treffer des Mittelfeldspielers von Borussia Mönchengladbach im Uefa-Pokalspiel gegen Lech Posen war von den Zuschauern der ARD-Sportschau mit großer Mehrheit zum »Tor des Monats Oktober« gewählt worden. Erfreut nahm der Kicker die Einladung ins Studio an. Doch am Ende des freundlichen Gespräches druckste der Redakteur: »Herr Lienen, was wollen Sie denn am Sonntag anziehen?«

Fast wäre Lienen »der Hörer aus der Hand gefallen«, als er vernahm, was ihm der WDR-Mann nun auferlegen wollte: Verzicht auf seinen Lieblingspullover, der dem WDR mißfällt.

Denn der Gladbacher, für sein politisches Engagement in der Friedensbewegung schon lange bekannt, hatte bei seinem letzten Auftritt vor den Kameras der Sportschau Anfang Oktober diesen Pullover mit dem Abrüstungssymbol und der Aufschrift »Sportler gegen Atomraketen - Sportler für den Frieden« getragen.

Damit wollte er damals für das Sport- und Spielfest der Initiative werben, das eine Woche später in Dortmund stattfand. Während der Sportschau-Diskussion - es ging um Brutalität im Fußball - hatte WDR-Moderator Klaus Schwarze nichts zu Lienens Oberbekleidung gesagt, doch nach der Sendung gab es intern heftige Diskussionen.

Dabei sei zwar die Mehrheit der WDR-Redakteure, so Lux zu Lienen, auf des Kickers Seite gewesen. Doch eine Dienstanweisung des Intendanten besage nun mal eindeutig: Politische Werbung auf Kleidung oder sonstwo habe in öffentlich-rechtlichen Sendungen nichts zu suchen. Und Friedenswerbung ist nach WDR-Auffassung politisch. Lux mußte den Kicker auffordern, den Pullover, bittschön, am Sonntag lieber im Schrank zu lassen.

»Ich laß mir doch nicht vorschreiben, was ich anzuziehen habe«, schnaubte der Kicker ins Telephon und wollte im ersten Zorn seine Teilnahme absagen. »Ich werbe doch gar nicht für eine politische Partei, sondern nur allgemein für die Friedensbewegung. Außerdem: Wenn ich mich groß und breit mit Adidas- oder Puma-Klamotten im Fernsehen zeigen würde, hätten Sie mich nie ausgeladen. Aber mit dem Kommerz hat das Fernsehen ja keine Probleme.«

WDR-Redakteur Lux am anderen Ende der Leitung war die Angelegenheit hörbar peinlich. Schließlich wollte man nicht am Sonntagabend einem Millionenpublikum das Tor des Monats präsentieren, ohne den Schützen vorzustellen, weil man sich über die Kleiderordnung nicht einigen konnte.

»Dabei weiß ich gar nicht, ob ich den Pullover überhaupt angezogen hätte«, sagt Lienen heute, »aber jetzt ging es auch ums Prinzip«.

Nach längerem Hin und Her vertagten sich beide Seiten auf Mittwoch. Lienen war zwar vom Pullover abgerückt, hatte aber darauf bestanden, zumindest einen Button der Friedensbewegung anstecken zu dürfen.

Der Anruf am Mittwoch kam pünktlich. Die brisante politische Frage war im Sender offensichtlich abgeklärt, Redakteur Lux war großzügig: »Herr Lienen, alles klar, gegen den Button ist nichts einzuwenden.« Außerdem, versprach er, »wird der Moderator am Sonntag im Gespräch auch auf Ihre Friedensarbeit eingehen«.

Der Kicker war zufrieden, zumal als Sonntagsmoderator der aufrechte Adi Furler vorgesehen war. Lienen zum SPIEGEL: »Wäre es der stramm rechte Hans-Joachim Rauschenbach gewesen, wären sicher die Fetzen geflogen.«

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 55 / 81
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren