FRONTBERICHT
Mit Interesse lese ich Ihre Artikelfolge »Rußland im Krieg« eines Alexander Werth (Werthheimer?). Es ist ganz gut, wenn Deutsche einmal über den Krieg aus russischer Sicht etwas hören. Selbst wenn einige der geschilderten Tatsachen falsch oder übertrieben geschildert wären (es ist auch so noch schrecklich genug), kann nichts darüber hinweghelfen, daß der Angriff Deutschlands auf Rußland etwas abgrundtief Gemeines gewesen ist. Man muß die Russen verstehen, wenn sie gegen Deutschland von ungeheurem Mißtrauen erfüllt sind und Sicherungen gegen die Wiederholung derartiger Verbrechen verlangen.
Basel DR. LUKAS DAVID
Alle Abschwächungsversuche des Werth -Berichtes sind nutzlos, da ja schon ein Zehntel der geschilderten Greueltaten an wehrlosen Männern, Frauen und Kindern ausreicht, uni die deutschen Kriegsverbrecher ein für allemal zu brandmarken.
Hamburg WERNER DIETZ
Wenn man so die Lesermeinungen zu Ihrer Artikelserie liest, so möchte ich fast meinen, daß sie so ungefähr die Volksstimmung landauf, landab widerspiegeln. Mit irgendwelchen Schuldgefühlen gegenüber den Völkern des Ostens - sei es Polen, Jugoslawien oder die UdSSR - ist der deutsche Normalverbraucher kaum belastet. Auf den Gedanken, daß am Haß, der zu den bekannten Übergriffen der Rotarmisten beim Einmarsch ins Großdeutsche Reich führte, letzten Endes wir selbst schuld waren, kommt kaum einer. Auf die kleinen Details, bei denen sich auch Werth gelegentlich geirrt haben kann, kommt es doch gar nicht an.
Karlsruhe JOSEF PFAFF
Ihre Serie geht in besonderer Breite auf Dinge ein, die -man vielerorts in Deutschland nicht wahrhaben möchte. Beispielsweise: die Ausbeutung und Zwangsverschleppung der Zivilisten.
In Herrenrassenmanier wurde jeder Andersartige zu Ungeziefer herabgewürdigt und dementsprechend mißbraucht. Dieses grausame Morden braucht sich nie zu wiederholen, wenn wir alle nur ein Fünkchen Vernunft in uns haben.
Hamburg HANS-PETER MÖLLER
Als Nachfahre russischer Ahnen, ehemaliger Kurlandkämpfer und Wojenno -Plenny möchte ich Ihnen zur Veröffentlichung des Werth-Urteils über »Rußland im Krieg« gratulieren: Diese Artikelserie war längst überfällig - ist doch die Klischee-Vorstellung vom östlichen Nachbarn bei allzuvielen Deutschen noch immer vom ausgeleierten »Made in Großdeutschland«-Fabrikat: Der Russe schläft auf dem Ofen, prügelt seine Frau, lebt von Wodka und Sonnenblumenkernen und - Gipfel der Kulturlosigkeit - versteht nicht, mit dem WC umzugehen. Die perfide Drachensaat diverser kalter und heißer Krieger (von denen der hinkende Sportpalastteufel nicht der erste und nicht der letzte war) scheint auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein.
Geesthacht (Holst.) PAUL H. SUKOWSKI
Der SPIEGEL, Nummer 33 vom 11. August 1965, wurde mir von einem ehemaligen Angehörigen meiner 57. Infanterie-Division mit den Worten stärkster Empörung über das verlogene Geschreibsel eines Alexander Werth »Rußland im Krieg«, siebente Fortsetzung Seite 49 ff., zugeschickt.
Ich halte mich aus zwei Gründen für berechtigt, gegen dieses verlogene Machwerk Stellung zu nehmen:
- weil ich als Kommandeur der 57. Division und Führer der Nachhut beim Ausbruch aus dem Kessel von Tscherkassy wohl ein richtiges Urteil habe;
- weil ich am 7. Juli 1944 bei der Heeresgruppe Mitte gefangengenommen wurde und mir dann in mehr als 4000 Tagen der Gefangenschaft ein richtiges Bild über das Wirken einiger deutscher Kommunisten in russischer Gefangenschaft machen konnte.
Im einzelnen stelle ich richtig: Im Kessel von Tscherkassy befanden sich die Reste von zwei Korps, fünf Infanterie-Divisionen und der Panzer-Division Wiking mit der Brigade Wallonien. Also keine zehn Divisionen. Der Schreiber war nicht der »einzige westliche Korrespondent«, sondern ein kommunistischer Angehöriger des »Freien Deutschlands«. Der Ausbruch erfolgte auf Grund eines genauen Befehls vom 16. Februar, nach dem ich die Nachhut führte. Ich habe meinen Gefechtsstand seit dem 14. Februar in Schanderowka gehabt, habe auch in der Nacht zum 17. Februar weder feindlichen Beschuß noch Bomben-Abwürfe in bemerkenswerter Stärke bemerkt, noch bin ich durch feindliche Maßnahmen zur Räumung gezwungen worden, sondern habe es auf Befehl getan. Auch von einem starken Schneesturm habe ich nichts festgestellt.
Eine ganz unverschämte Lüge, ist die Behauptung: »Stemmermann war der letzte General im Kessel, die anderen waren geflohen.« Sämtliche Divisions-Kommandeure und -Führer haben den Ausbruch mit ihrer Truppe mitgemacht. So fuhr Stemmermann in seinem Pkw dicht an einen russischen Bunker heran und wurde tödlich getroffen. Der nächstälteste General, Generalleutnant Lieb, sprang zum Beispiel mit seinem Pferd mehrere Kilometer ostwärts von Lysjanka in den Bach Lysjanka, wurde an das andere Ufer getragen und so gerettet. Das Pferd ging unter.
Der letzte General, der den Kessel verlassen hat, bin ich selbst gewesen. Nachdem ich die Räumung von Schanderowka überwacht hatte, fuhr mich mein Fahrer sehr bald in einem morastigen Graben fest, so daß ich zu Fuß weitergehen mußte. Hierbei verstauchte ich mir meinen rechten Fuß so erheblich, daß ich nur noch sehr langsam und mit großen Schmerzen weitergehen konnte. So kam ich erst um Mitternacht in Lysjanka an. Auf unserem langsamen Marsch vom Westausgang Schanderowka bis nach Lysjanka, von etwa fünf Uhr bis 24 Uhr, also fast 20 Stunden, haben wir weder feindliche Kavallerie noch Infanterie gesehen.
Eine besonders widerliche Lüge ist die Behauptung: »Der Befehl, die Verwundeten zu töten, wurde strikt befolgt.« Kein deutscher Vorgesetzter wird einen solchen Befehl geben, kein deutscher Soldat einen solchen Befehl ausführen. Wahr ist vielmehr, daß ich Sanitätsoffiziere meiner Division nach dem Ausbruch auszeichnen konnte, weil es ihnen gelungen war, etwa 240 verwundete Kameraden auf Panzerfahrzeugen aus dem Kessel in Sicherheit zu bringen. Bei dem sehr durchschnittenen Gelände und dem weichen Boden eine ungeheure Leistung.
Hamburg ADOLF TROWITZ
Generalmajor a.D.
Zeitigt das grauenvolle Geschehen in Leningrad, Stalingrad, Tscherkassy und anderen ungezählten Orten keine tiefergehenden Überlegungen bei uns?
Heidelberg GÜNTER HÄNSLER
Diesen Schund-, Schmutz-, Hetz- und Lügenartikel des Herrn Werth sollten Sie schnellstens absetzen. Hier ist das Maß des Zumutbaren für den deutschen Leser überschritten. Der SPIEGEL zerstört damit nicht nur seine Glaubwürdigkeit, sondern auch seinen Ruf.
München ERWIN STEIN
Ich lese aus dem Bericht weder ein Hohelied auf den russischen Soldaten noch auf den deutschen »Angreifer« einen giftigen Affront. Vielmehr haben Sie einen besonderen Riecher bewiesen, die Konfrontation mit diesen Dingen in einem Abdruck Alexander Werths zu bringen. Milieu, Studie, Mut und ein gesundes Gefühl für Schilderungen von menschlicher Wärme in jenem großen Millionen-Desaster zeichnen die Arbeit aus, und ich bin dankbar, über gestrige Geschichte so etwas lesen zu können. Die Frontberichte und Schilderungen der Militärs sind nicht geeignet, eine diskutable Beziehung zu diesen Ereignissen herbeizuführen. Dem SPIEGEL also Dank.
Hamburg RAINER MATT
Rußland-Titel
Trowitz