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GLEICHBERECHTIGUNG Frust am Herd

Vor dem Bundesverfassungsgericht will ein Junggeselle einen »Hausarbeitstag« erzwingen -- wie er den Frauen zusteht. Der Fall paßt zum Trend: Zunehmend kämpfen Männer vor Gericht um Gleichberechtigung.
aus DER SPIEGEL 52/1979

Vor über dreißig Jahren, als »die ganze Volksgesundheit auf dem Spiel« stand, sollte das Gesetz »die Leistungsfähigkeit von Arbeitskräften« erhalten -- so die Abgeordnete Grete Thiele im Düsseldorfer Landtag am 28. November 1947.

Ein Vierteljahrhundert später befand der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts, daß inzwischen das Leben zwar »erheblich und wesentlich leichter geworden« sei, doch die Vorschrift aus der Trümmerzeit sei trotzdem beizubehalten.

Demnächst soll das Verfassungsgericht in Karlsruhe darüber entscheiden, ob die drei Paragraphen »über Freizeitgewährung für Frauen mit eigenem Hausstand« nicht gegen die Gleichberechtigung verstoßen. Der Kölner Krankenpfleger Ferdinand Mück will das sogenannte Hausarbeitstagsgesetz auch für sich und seinesgleichen beanspruchen: »Ich will nicht benachteiligt werden, weil ich ein Mann bin.«

Das Gesetz, das sich bundesweit nicht durchsetzen konnte und außer in NRW nur in Hamburg, Bremen und Niedersachsen in einer modifizierten Fassung gültig ist, verlangt in allen Fällen den Nachweis eines eigenen Hausstands. Mück erfüllt alle Voraussetzungen für einen freien Tag im Monat. So wie seine Kolleginnen, die Krankenschwestern an der Kölner Uni-Klinik, arbeitet er an sechs Tagen, mindestens 40 Stunden in der Woche. Er hat einen eigenen Hausstand, den er auch selbst versorgt -- wie es das Gesetz verlangt. Nur, er ist ein Mann.

Das wurde ihm erst richtig klar, als er aus seiner möblierten Bude in eine eigene Wohnung umzog: drei Zimmer, Küche, Diele, Bad, insgesamt 80 Quadratmeter. »Eigentlich hab' ich es noch schwerer als die Frauen«, sagt er, »mir geht das Putzen nicht so von der Hand. Ich habe das nicht gelernt und bin so nicht erzogen worden.«

Den Arbeitgeber interessierte das nicht. Als Mück im Oktober 1977 einen Hausarbeitstag -- bei den Frauen an der Uni-Klinik eine reine Formsache -beantragte, lehnte der Verwaltungsdirektor »im Einvernehmen mit dem Finanzminister« ab. Und der Kanzler der Universität beharrte vor dem Kölner Arbeitsgericht auf »biologischen und funktionalen Geschlechtsunterschieden«.

Die Klage, so der Uni-Kanzler, sei abzuweisen. Eine »Ungleichbehandlung von Frau und Mann« sei durchaus Rechtens, wenn dafür die »schwächere Position im Arbeitsleben« der Frau gemildert werde.

Der Arbeitsrichter pflichtete bei und zitierte einen höchstrichterlichen Spruch aus dem Jahre 1954: Es sei »der Sinn des Gleichberechtigungsgrundsatzes, die Frauen, die bisher benachteiligt waren, auf den Status der Männer anzuheben«.

Mancher Mann freilich findet inzwischen, daß die Frauen ihn längst abgehängt haben. Der Hamburger Volkswirt Ulrich Hofmann etwa fühlt sich als Mann diskriminiert, »wenn es um die Betreuung von Kindern geht«. Der junge Vater ist ebenfalls in Karlsruhe vorstellig geworden, weil er das gerade sechs Monate alte »Gesetz zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs« auf die Väter erweitern lassen will.

Denn, typisch für das überkommene Rollenverständnis des Gesetzgebers: An einen Vaterschaftsurlaub hatte keiner gedacht. Hofmann selbst hatte es nur einem konzilianten Arbeitgeber zu verdanken, daß er freigestellt wurde und sich vier Monate lang intensiv um das Baby kümmern konnte, während seine Frau als Lehrerin weiter zur Schule geht. Das Mutterschaftsurlaubsgeld von 750 Mark monatlich wurde ihm allerdings ebenso verwehrt wie die Bezahlung von Sozial- und Krankenversicherung.

Auch im Erwerbsleben nehmen Männer den Grundgesetz-Artikel 3 Absatz 2 ("Männer und Frauen sind gleichberechtigt") zunehmend wörtlich. Kein Beruf soll mehr den Frauen ganz allein vorbehalten bleiben; Männer wollen Kindergärtner und Entbindungshelfer werden, aber genommen werden sie nicht.

Hausmänner sollen sie inzwischen gerne sein, doch mit der Anerkennung hapert es noch. Als der Kölner Harald Utecht, Hausmann und Vater von zwei Kindern, als Zeuge beim Amtsgericht aussagte, wurde er als »Berufsloser« geführt. Und der Neusser Hausmann Rudolf Sangs (vier Kinder) verklagte seine weggelaufene Frau auf Zahlung von Haushaltsgeld -- bisher vergeblich.

Ein gutes Stück Gleichberechtigung haben sich längst -- was Wunder -- die Lehrer gesichert. Die dürfen auf halbe Stundenzahl gehen oder sich sogar drei Jahre lang beurlauben lassen, wenn sie die eigenen Kinder betreuen. In Nordrhein-Westfalen sind es derzeit mehr als zwei Dutzend.

Aber wehe dem normalen Beamten, der sich so was leistet. Ein Kölner Oberregierungsrat, Volljurist mit eigenem Dezernat, entschied sich für seine Kinder und gegen die Karriere. Er arbeitete nur noch halbtags. Da wurde er erst versetzt, verlor fast alle Kompetenzen, und schließlich hielt er den Sport am Arbeitsplatz und den Frust am Herd nicht länger aus: Seine Frau ist wieder zu Hause, er geht wieder ins Büro -- der Rollentausch hat nicht funktioniert.

Gegen das alte Rollenverständnis treten gelegentlich sogar Arbeitgeber auf, wenn es ihnen gefällt. Der Hausarbeitstag sei ein Anachronismus, argumentierten im vorigen Jahr mehrere Krankenhauschefs aus NRW vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG): »Das Leitbild der Hausfrauenehe« sei mit der Reform des Ehe- und Familienrechts aufgegeben worden, Ehemänner müßten neuerdings im Haushalt mithelfen.

Der Dritte Senat beim BAG in Kassel fand jedoch, daß »die Ehefrau« noch immer »die Hauptlast der Hausarbeit tragen muß«. Eine Änderung »ist noch nicht erkennbar«, und deshalb bleibt es beim Hausarbeitstag -- für die Frauen.

Solch mannhafte Hilfe stößt sogar bei Frauenrechtlerinnen auf Skepsis. Die Hamburger Senatsdirektorin Eva Rühmkorf, Chefin der »Leitstelle für die Verwirklichung der Gleichstellung der Frau«, will das Hausarbeitstagsgesetz reformieren und den Männern wenigstens in diesem Punkt etwas mehr Gleichberechtigung verschaffen.

»Es ist nicht biologisch notwendig wie der Mutterschutz«, sagt sie, »und deshalb gibt es keinen Grund, Männer zu benachteiligen.«

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