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GIFTMÜLL Fügung im Bocksbart

Ein Untersuchungsausschuß des Stuttgarter Landtags sucht zu ergründen, wie eine geplante Giftmull-Deponie aus dem Wahlkreis des Umwelt-Staatssekretärs Erwin Teufel abgeschoben wurde.
aus DER SPIEGEL 48/1976

Das Schauspiel, das seit Mitte September jeweils montags in Sichtweite der Stuttgarter Staatlichen Bühnen geboten wird. gemahnt an absurdes Theater.

Das Ensemble, genannt Parlamentarischer Untersuchungsausschuß, rekrutiert sich aus zehn Volksvertretern, deren Obmann, der CDU-Landtagsabgeordnete Fritz Hopmeier, dem Stück gleich bei der Premiere jeglichen Sinn absprach: »Der Ausschuß wird nichts mehr bringen.«

Die Hauptperson ist ein ehrgeiziger CDU-Aufsteiger, der Umwelt-Staatssekretär Erwin Teufel, 37, der in einer Doppelrolle agiert: Er ist Angeschuldigter und Zeuge zugleich, der dem Vorsitzenden die Stichworte souffliert und bisweilen gar die Vernehmung der anderen Zeugen führt.

Das Thema des burlesken Stückes ist eine Sondermüll-Deponie, die mit wechselnder Standort-Planung die Bürger der jeweils betroffenen Region in Rage brachte und irgendwann vielleicht einmal die Industrieabfälle des Landes aufnehmen soll.

Vorletztes Jahr war die projektierte Giftmüll-Kippe quer durchs Ländle von Wahlkreis zu Wahlkreis weitergereicht worden. Einmal erschien die Lage im Revier des CDU-Parlamentariers Eugen Volz, der jetzt dem Untersucher-Team angehört, dem für den Standort-Vorschlag zuständigen Landwirtschaftsministerium als »politisch nicht durchsetzbar«. Eine andere Platz-Wahl -- nahe Freiburg, wo Ministerpräsident Hans Karl Filbinger zu Hause ist, ließ sich mit dem Argument abblocken, die geplante Halde liege dort nicht zentral genug.

Zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb, im »Bocksbartgraben« am Rand der Gemeinde Tuningen, schien endlich geeignetes Gelände gefunden, das sich auch nach dem Urteil des Geologischen Landesamts empfahl. Doch dann, im Oktober 1974, nahm das Landwirtschaftsministerium, in dem auch der Umwelt-Staatssekretär ressortiert, binnen 14 Tagen nochmals einen Ortswechsel vor: Die projektierte Müllkippe wanderte plötzlich von Tuningen im Teufel-Wahlkreis ein paar hundert Meter weiter ostwärts über die Kreisgrenze auf die Gemarkung der Ortschaft Durchhausen.

Es hatte sich gefügt, daß sich in dieser Zwei-Wochen-Frist in Tuningen und im Kreistag des Schwarzwald-Baar-Kreises ein überraschender Sinneswandel vollzog: Eine lange umstrittene zentrale Hausmüll-Deponie des Landkreises wurde plötzlich dort angesiedelt, wo auch das Land bei seiner Standortsuche fündig geworden war.

Damit war für den damaligen Landwirtschaftsminister Friedrich Brünner die »Opfergrenze« Tuningens erreicht. Zwar versicherte der Schwarzwald-Baar-Landrat Rainer Gutknecht dem Untersuchungsausschuß treuherzig, »niemand« habe »ahnen können«, daß durch die Placierung der Hausmüll-Kippe die Wahl des Giftmüll-Platzes beeinflußt würde. Dagegen will der Tuninger Bürgermeister Willi Klein rechtzeitig einen Wink bekommen haben, den Widerstand gegen den Hausmüll aufzugeben -- von Landrat Gutknecht.

Wer es dem gesteckt hat, läßt sich wiederum nach der Aussage des jetzt pensionierten Durchhauser Bürgermeisters Karl Wintermantel erahnen: Der Tuninger Gemeinderat Karl Glökler habe sich damit gebrüstet. aufgrund politischer Beziehungen die Sondermüll-Deponie aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis »herausgebracht« zu haben. Und unstrittig ist auch, daß »der Glökler Karle« damals mit dem Umwelt-Teufel an einer flugs anberaumten Ortsbesichtigung teilgenommen hat, die dann den Ausschlag für Durchhausen gab.

Da auch der Ministerialdirektor und an sich zuständige Fachabteilungen des Landwirtschaftsministeriums sorgsam umgangen wurden, festigt sich der Verdacht, daß der Giftmüll-Coup Teufels Werk war.

Bei der Anhörung der als Zeugen geladenen Beamten geriet das Kippen-Spiel vollends zur Posse: Der Staatssekretär pocht darauf, als Regierungsmitglied bei den Auftritten seiner Untergebenen dabei sein zu dürfen -- die leiden nun alle an wundersamen Erinnerungsschwächen.

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