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Otto Köhler FÜR FRONT UND FRACK

aus DER SPIEGEL 40/1967

Wie viele Tausende Arbeitgeber gibt es in unserem Land, die Arbeit geben, ohne über die geistigen und politischen Grundlagen ihres Tuns nachzudenken. Ihnen allen kann geholfen werden. »der arbeitgeber«, die offizielle »Zeitschrift der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände«, weist vierzehntäglich jeden, der in der Bundesrepublik Arbeit gibt, darauf hin, was er sich zweckmäßigerweise dabei denken soll.

Erfolg und Anerkennung sind nicht ausgeblieben. Rund zehntausend Exemplare hat die Auflage des Blattes erreicht, das doch nur für einen solchen auserwählten Kreis gedruckt wird. Und ein ausgesprochener Feinschmecker wie der Vorstandsvorsitzende der Appel Feinkost-AG, Konsul Dr. Werner Blunck, bestätigte jüngst, daß er als Arbeitgeber den »arbeitgeber« geradezu »mit Genuß« lese und dabei insbesondere die »kleinen Bemerkungen zur Tagespolitik« schätze.

Diese Schleckereien stammen nahezu alle von Dr. Jürgen Heinrichsbauer, der dem früher häufigen Wechsel in der Chefredaktion des Blattes vor nun schon drei Jahren glücklich ein Ende setzte. Ein Leser mit Bewunderung über eine besondere Fähigkeit des Chefredakteurs Heinrichsbauer: »Sie schreiben, was Sie denken, und das in einem

Stil, der sich liest, wie ein Maschinengewehr schießt!«

Einen Böllerschuß feuerte Heinrichsbauer letztes Jahr in dem »arbeitgeber« ab, der das sinnige Geburtsdatum des 20. April trug. Unter dem Motto »Sagen wir also unsere Meinung deutlich« fand der Chefredakteur freundliche Worte für die Wahlerfolge der NPD ("Wir halten das nicht von vornherein für ein Unglück"). Nachdrücklich wies er seine Leser auf das »erkennbare Bemühen der gemäßigten NPD-Vertreter« hin, »demokratisch gesellschaftsfähig« zu werden.

NPD-Funktionäre können sich denn auch den »arbeitgeber« getrost als bekömmliche Zweit-Lektüre neben ihrem Parteiorgan »Deutsche Nachrichten« halten. Nichts wird sie verwirren. Da hören sie wieder einmal, was sie schon lange wissen: Beherrscht wird der »Luftraum über unseren gegenwärtig rund elf Millionen bundesrepublikanischen Fernsehempfängern« von einer »verschworenen Handvoll politisch-ambitionierter Einbahn-Journalisten«. Erfolg dieser »Meinungsmache": »Parteifunktionäre, Interessenvertreter, Schriftsteller und Journalisten mit ihrem armseligen Mut zur Wut auf alles« scheinen unseren Staat zu einer »Dorftrottel-Demokratie« zu degradieren.

Hier tatenlos zuzusehen, fällt schwer. Aber zum Trost für den »arbeitgeber« gab es wenigstens kürzlich ein Ereignis, bei dem man »damit rechnen mußte, daß die Polizei dem nicht tatenlos zusehen würde«, nämlich die Demonstrationen gegen den Schah. Folglich schickt Heinrichsbauer dem nicht polizeitatenlos umgekommenen 28jährigen Benno Ohnesorg folgende »arbeitgeber«-Rüge ins Grab: »Wer an die 30 und -- gleichgültig aus welchen Gründen immer noch Student, aber auch schon verheiratet und Vater eines Kindes ist, müßte sein Verantwortungsbewußtsein doch mehr auf seine Familie richten, als »aus Neugier« in rotem Hemd auf die Straße zu gehen, wo sie am heißesten zu werden verspricht.«

Und auch die Männer, die Rosa Luxemburg umbrachten, waren Frontoffiziere, die gleichfalls »nicht tatenlos« zusehen wollten.

So geht es Heft für Heft fort: Die Sozialenzyklika Pauls VI. ist »Musik in den Ohren« von Kommunistenfreunden; die Alternative zu den Notstandsgesetzen Paul Lückes ist »Anarchie«.

Denn so lehrt »der arbeitgeber« -- die »Entscheidung muß letztlich von einem Mann getroffen werden«. Um das zu beweisen, hat Chefredakteur Heinrichsbauer sich einen Experten besorgt: Bundeswehr-Oberst Wolfgang Schall, der sich einen Namen machte, als er in der Schweiz den »Terror« deutscher Massenmedien beklagte.

Der fachkundige Oberst plädiert in den »arbeitgeber«-Spalten für eine Übernahme des militärischen Prinzips von Befehl und Gehorsam in der Wirtschaft.

Fazit für Front und Frack: »Die Weisung auf Unterstellung ist sehr oft der auf Zusammenarbeit vorzuziehen.«

Für den Chefredakteur selbst gilt aber mehr die Weisung auf Zusammenarbeit. Er durfte jüngst die vorbildliche Toleranz des Arbeitgeberpräsidenten Professor Balke rühmen: »Wir danken ihm ganz einfach dafür, daß er nachsichtiges Verständnis für unsere Arbeit hat ...«

Otto Köhler

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