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RAUSCHGIFT Gärtchen bei GIs

In den USA sterben bald ebenso viele junge Leute an Rauschgift wie durch Unfall, Selbstmord oder Krebs. Doch 80 Prozent des illegal gehandelten Rauschgifts wachsen unter US-Aufsicht in Südostasien.
aus DER SPIEGEL 21/1971

Den Gewehrläufen amerikanischer Soldaten an der Vietnam-Front entsteigt nicht nur Pulverdampf -- oft quillt aus den Waffen Heroinrauch.

Gis nennen dies »shotgunning": Einer saugt den Rauch aus einer Marihuana- oder Heroin-Zigarette und bläst ihn langsam durch den Lauf seines automatischen Gewehrs. Am anderen Ende zieht ein Kamerad den Qualm wieder ein,

Einige Vietnamkämpfer führten einem Team der US-Fernsehgesellschaft CBS den Spar-Trip vor. Keiner versuchte, seine Identität zu verbergen. Äls das Rauschgift seine Wirkung zeigte, schnitten die Soldaten Grimassen für ihr Mattscheiben-Publikum.

Die amerikanische Armee versucht, den Rauschgift-Konsum zu bekämpfen. »Benutzt Drogen nicht als Ruhekissen«, warnen Soldatensender, »es könnte euer letztes sein.«

Trotzdem greifen Hunderttausende Gis zu »dieser Krücke zum Überleben« (so der Militärgeistliche Major Richard Stewart). Manche wachen nach dem Trip nicht wieder auf. Zwischen dem 1. August und dem 18. Oktober vorigen Jahres kehrten 75 Soldaten im Sarg heim -- sie waren nicht an Vietcong-Kugeln gestorben, sondern an einem »Schuß« in die Venen.

Auch an der Heimatfront sterben immer mehr »Schießer«. Allein in New York registrierten die Behörden 1969 über 1000 Drogen-Tote, im vorigen Jahr stieg die Zahl auf über 1100. Obermäßiger Rauschgiftkonsum ist heute unter den 18- bis 35jährigen Amerikanern eine der häufigsten Todesursachen.

In seinem außenpolitischen Lagebericht ("State of the World") beklagte Präsident Richard Nixon im Februar die »pandemische Virulenz«, mit der sich die Rauschgiftsucht ausbreitet, und forderte internationale Maßnahmen gegen Anbau und Schmuggel von Rauschgift. »Wir arbeiten mit einer großen Anzahl von Regierungen zusammen«, sagte Nixon, »vor allem mit der Türkei, Frankreich und Mexiko.«

Die Hauptlieferanten von Marihuana und Opiaten jedoch erwähnte der Präsident nicht. Es sind die meist von den USA abhängigen -- Staaten Südostasiens. Von dort, so schätzt die Uno-Kommission für Drogen und Narkotika, kommen 80 Prozent des illegal angebauten Rauschgifts.

Hauptanbaugebiet ist das »fruchtbare Dreieck«, das Dreiländereck Burma! Laos/Thailand. Obwohl Südvietnams Regierung auf Drängen der USA 1968 Anbau und Verkauf von Marihuana verbot, sprießt der Hanf oft direkt neben Militärstraßen. Kriegsreporter John Steinbeck jr. entdeckte sogar auf US-Militärgelände »sorgfältig gepflegte Gärtchen«.

Führende Politiker und Militärs Südostasiens, so ermittelten Frank Browning und Banning Garrett vom US-Magazin »Ramparts« » sind in den Rauschgiftschmuggel verwickelt. US-Militärs und Geheimdienstier der CiA kennen die gepflegten Hanf- und Mohn-Plantagen. Aber die Spezialisten für die Vernichtung von Reisfeldern in Vietnam unternehmen nichts gegen die Rauschgift-Kulturen. Laut Browning und Garrett sind manche Amerikaner in Südostasien selbst in den Rauschgifthandel verstrickt.

John Ingersoll, Chef des Rauschgiftdezernats im US-Justizministerium, bestätigte während einer Informationsreise durch Südostasien die »Ramparts«-Angaben. In Flugzeugen der CIA-Luftlinien Air America und Continental Services, gestand Ingersoll vorige Woche, sei tatsächlich Rauschgift geschmuggelt worden.

Prominentester Rauschgifthändler ist laut »Ramparts« Südvietnams Vizepräsident Nguyen Cao Ky. »Ramparts«-Schlagzeile: »Der größte Pusher der Welt?«. US-Senator George Mc-Govern -- eines seiner Kinder wurde vor drei Jahren wegen Rauschgiftbesitzes festgenommen -- wiederholk im April diese Beschuldigung gegen Ky, und tatsächlich gibt es dunkle Punkte im Leben des Vietnam-Haudegens.

Ende der fünfziger Jahre, so berichtet der Ex-Oberst William Corson, feierte

* Die Soldaten demonstrieren -- für die US-Fernsehgesellschaft CBS -- das »shotgunning«.

der Luftwaffenoberst Ky Im teuren Saigoner Hotel »Caravelle« rauschende Feste. Ky bezog jedoch nur ein Monatseinkommen von rund 30 Dollar, andere Einkünfte hatte er offiziell nicht.

Kys Geldquellen wurden 1968 durch den US-Senator Ernest Gruening enthüllt: Während der von der CIA organisierten »Operation Haylift« südvietnamesische Agenten wurden mit Sabotage-Aufträgen über Nordvietnam abgesetzt -- diente Ky als Pilot. Fr wurde gefeuert, als ihn die Amerikaner auf dem Rückweg mit Rauschgift aus Laos schnappten. Nach einem Putsch im Juni 1965, als Ky und sein Freund Thieu an die Macht kamen, stieg Ky angeblich en gros in das Geschäft ein er transferierte den Stoff tonnenweise.

General Oune Ratikhorn, Stabschef der königlich-laotischen Armee und der Luftwaffe, trägt meist ausgebeulte und zerknitterte Hosen sowie verblichene Khaki-Hemden. Doch er führt einen Lebenswandel, dessen Kosten er aus Dienstbezügen nicht bestreiten kann.

Ratikhorn kämpft nicht nur gegen die Kommunisten. sondern auch gegen Rauschgiftschmuggler, Nur: Er jagt den Händlern den Stoff ab -- und verkauft ihn selbst, um seinen Wohlstand zu mehren,

Im Sommer 1967 beispielsweise zog ein Schmuggler-Treck aus Burma mit neun Tonnen Opium durch laotisches Gebiet. Der Auftraggeber. ein Rauschgiftgroßhändler namens Tschan Tschifun, hatte jedoch nicht die vereinbarte Schweigeprämie von 80 000 Dollar bezahlt. Versprengte Krieger von Tschiang Kai-scheks Kuomintang-Truppen, die den Schmugglerpfad kontrollieren, kesselten die 300 bewaffneten Opium-Bewacher ein.

Ratikhorn erfuhr davon. Er zog zwei Kompanien aus der Ebene der Tonkrüge ab, wo sie gegen Pathet-Lao-Guerillas kämpfen sollten, und schickte sie gegen Schmuggler und Chinesen ins Feld. Laotische Flugzeuge unterstützten den Feldzug. Die Soldaten brachten eine halbe Tonne opium als Beute heim,

Ratikhorn besitzt in Nordlaos eigene Kochereien. betrieben von Pharmazeuten aus Bangkok. Sie veredeln die Opium-Beute des Generals in teureres Morphium. Ratikhorn läßt die Ware dann mit Hubsehraubern von den USA für den Kampf gegen die Kommunisten gespendet -- in die königliche Hauptstadt Luang Prabang befördern. wo die Fracht von neuen Abnehmern aufgekauft oder nach Saigon weitertransportiert wird.

Im August 1967 zwangen die Amerikaner bei Dalat im vietnamesischen Hochland eine C-47-Transportmaschine zur Landung, weil die Besatzung weder Herkunft noch Bestimmungsort des Fluges nennen wollte. Das Flugzeug hatte zweieinhalb Tonnen Opium und Gold geladen. Offiziell konnte der Besitzer der heißen Fracht nie gefunden werden, angeblich gehörte die Ware je doch Frau Ratikhorn.

Ihr Mann streitet seine Verbindungen zu Opiumhändler-Kreisen nicht einmal ab. Rauschgift, meint der Zigarrenraucher Ratikhorn, sei »nicht schlecht für Laos«. Denn für die armen Bergbauern seines Landes biete der Opiumanbau die einzige Gelegenheit. Bargeld zu verdienen. Von seinem eigenen Profit spricht Ratikhorn nicht.

Die verläßlichsten Kämpfer der USA in laos, die mit US-Waffen ausgerüsteten Krieger der Meo-Stämme, verdienen sich Bargeld durch Opiumanbau, den die Amerikaner offensichtlich dulden. Die wichtigste Basis der Meos -von der CIA errichtet und überwacht -- ist Long Cheng, 130 Kilometer nordwestlich der Laos-Hauptstadt Vientiane. Der Stutzpunkt ist für Fremde kaum erreichbar.

Reporter Carl Strock von der »Far Eastern Economic Review beschrieb, was er bei einem heimlichen Besuch auf der Basis sah: Amerikaner beluden einen T-28-Bomber. CIA-Agenten schwatzten mit thailändischen Soldaten. auf dem Markt gab es Berge von Roh Opium zu kaufen (das Kilo für 52 Dollar).

Von Long Cheng wird der Stoff meist nach Vientiane oder Saigon transportiert. [in wichtiger Umschlagplatz in Saigon ist der flugplatz lan Son Nhut.

Nur drei Straßen von lan Son Nhut entfernt liegt auch »Mom's eine Reihe von Bordellen und Kneipen. Besitzerin ist die Frau eines südvietnamesischen Feldwebels.

Bei »Mom's gibt es nicht nur Bier und Mädchen, sondern auch Joints -- von einer elektrischen Maschine gerollt.

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