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KUBA-FLÜCHTLINGE
Rund 40 000 Kubaner im großen
Orange-Bowl-Stadion von Miami auf Florida brachen in lauten Jubel aus, als US-Präsident Kennedy die Flagge der »Brigade 2056« entfaltete, jener exilkubanischen Invasoren, die im April 1961 in der Schweinebucht von Castros Insel gestrandet waren.
Kennedy: »Ich versichere euch, diese Fahne wird der Brigade in einem freien Havana zurückgegeben werden.«
Antwort der Kubaner: »Guerra! Guerra! Guerra!« (Krieg! Krieg! Krieg!)
In tobende Begeisterung gerieten die Kubaner, als Präsidentengattin Jacqueline Kennedy in akzentfreiem Spanisch den Wunsch äußerte, daß ihr Sohn einst nur halb so tapfer sein möge wie die Männer der Brigade 2056, die im Dezember nach anderthalbjährigem Leiden in Castros Konzentrationslagern gegen ein Lösegeld von 53 Millionen Dollar losgekauft worden waren.
Die Schweinebucht-Kämpfer feierten dann Dr. José Miró Cardona, 61, Vater eines der Freigekauften, der einst Castros erster Ministerpräsident gewesen war, aber seit fast zwei Jahren als prominentester Exilpolitiker und Vorsitzender des »Kubanischen Revolutionsrates« versucht, die Kuba-Emigranten zum Kampf gegen den Diktator zu einigen.
Das glanzvolle Schauspiel konnte freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Exilkubaner der US-Regierung immer größere Sorgen bereiten.
Denn zu den Kuba-Absprachen der USA mit der Sowjet-Union gehört auch ein amerikanisches Nichtangriffsversprechen. Sabotage-Aktionen kampfeslustiger Exilkubaner von amerikanischem Boden aus könnten daher die Vereinbarungen der beiden Weltmächte gefährden.
Deshalb suchen die amerikanischen Behörden, die in Miami (Bundesstaat Florida) zusammengeballten 90 000 Kuba-Emigranten möglichst rasch und möglichst unauffällig auf die 49 anderen Bundesstaaten zu verteilen.
Hinzu kommt, daß die Massierung der Flüchtlinge an der südlichen Eingangspforte der USA auch schwierige soziale Probleme aufgeworfen hat. In den amerikanischen Aufnahmestellen wurden bis zum Oktober Vergangenen Jahres 154 000 kubanische Flüchtlinge registriert - die größte Flüchtlingswelle in der amerikanischen Geschichte:
Die vorerst letzten Kuba-Emigranten kamen kurz nach Weihnachten: 467 Frauen, 213 Männer und 242 Kinder auf dem Frachter »African Pilot«, der Lösegeld in Form von Medikamenten nach Havana gebracht hatte. In plötzlichem Großmut hatte Castro den alten Dampfer für die Rückfahrt mit fast
tausend Verwandten der losgekauften Schweinebucht-Helden beladen lassen.
Mehr als neun Zehntel der Emigranten treffen hingegen wie Touristen mit Kursmaschinen aus Havana in den USA ein; nur wenige, die in Booten oder Flößen übers Meer segeln, riskieren bei der Flucht ihr Leben. Eine Flugkarte konnte sich bisher erkaufen, wer
- eine Erklärung unterzeichnete, in der er sein Hab und Gut dem Castro -Regime vermachte, und
- die Flugkosten in harten Dollars zu bezahlen vermochte.
Angesichts der drakonischen Bestimmungen schickten viele Kubaner, die nicht allen Besitz preisgeben wollten, nur ihre Kinder ins freie Florida und blieben selbst auf der Insel zurück. 13 000 kubanische Kinder trafen ohne ihre Eltern in den USA ein.
Die Betreuung der Kuba-Emigranten, die in den USA nicht als Einwanderer, sondern als »Gäste auf unbestimmte Zeit« gelten, übernahm die Sozialabteilung im US-Gesundheitsministerium. Die von ihm für Flüchtlingshilfe benötigten Bundesmittel schnellten rapid in die Höhe. Für das Finanzjahr 1961 hatte die Eisenhower-Regierung fünf Millionen Dollar eingesetzt, für die beiden folgenden Jahre mußte die Kennedy -Administration bereits 38,5 und 70,1 Millionen veranschlagen.
Den größten Teil dieser Gelder verschlingt die Sozialunterstützung, die derzeit von 60 000 Kubanern in Anspruch genommen wird. Andere Kosten entstehen aus Umschulungen, Sprachkursen und Stipendien.
Je mehr Geld für die Kubaner ausgegeben wurde, desto stärker wuchs in Florida unter den Einheimischen das Ressentiment gegen die Flüchtlinge. Besonders die Farbigen meinen, daß den zugereisten Fremden Privilegien in den Schoß fallen, um die sie selbst bisher vergebens kämpften.
In der Tat erhalten die kubanischen Familien je Monat 100 Dollar Unterstützung, während sich Floridas eingeborene Rentner mit 66 Dollar begnügen müssen. Kubanische Arbeiter lassen sich für die Hälfte des gesetzlichen Mindestlohnes von 1,25 Dollar anheuern. Kubanische Händler drücken die Preise. 11 000 nur spanisch sprechende kubanische Kinder drängen in die Schulen.
»Mit den Kubanern haben wir hier alles importiert, von den kleinen Gaunern über tausend Prostituierte bis zu den großen Rauschgifthändlern«, berichtete Reporter Wayne Farris vom Miami-Fernsehsender WCKT. »Organisiert wird dies alles von einigen der schlimmsten kubanischen Unterweltler.«
Kritiker Farris hatte in seiner Sendung »Crisis Amigo« auch eine Lösung des Problems parat: »Zwangsweise Umsiedlung der Kubaner.«
Die Kennedy-Regierung beläßt es bislang bei einer freiwilligen Umsiedlung, die in den letzten Monaten erheblich forciert wurde. Umzugswilligen wird eine zusätzliche Überbrückungshilfe von 100 Dollar pro Person gewährt, außerdem winken ihnen in den Zielorten Arbeit und Wohnung. Ergebnis solcher Bemühungen: 1961 wurden 16000 Miami-Kubaner umgesiedelt, 1962 sind bereits 35 000 auf 1067 Orte in 49 USStaaten verteilt worden.
Gegen die Umsiedlungspolitik, mit der die Regierung neuen exilkubanischen Abenteuern vorzubeugen hofft, protestierte Emigranten-Chef Cardona bisher vergebens. »Ich fürchte«, resignierte er, »daß die Umsiedlung ein Gefühl des Defätismus erzeugt, während der Aufenthalt der Flüchtlinge hier In Miami ihren Kampfgeist intakt hält.«
Kubanischer Exil-Chef Cardona (r.), Anhänger: Für Rückkehrer Umsiedlung
Kubanische Rückkehrer, Ehepaar Kennedy: Für Helden Trost