»Ganz Berlin steht auf der Liste«
SPIEGEL: Herr Antes, sind Sie jetzt ein reicher Mann?
ANTES: Wenn so was im Gefängnis möglich wäre, hätte ich eine Nebenarbeit übernehmen müssen, allein, um meinen Anwalt bezahlen zu können. Ich war nie reich.
SPIEGEL: Ihre Mühle im fränkischen Marktredwitz wird auf 1,4 Millionen geschätzt. Sie haben zwar zugegeben, 300000 Mark angenommen zu haben, allein aber das, was Ihnen Beschuldigte nach ihren eigenen Geständnissen gezahlt haben wollen, beläuft sich auf 650000 Mark.
ANTES: Dafür habe ich keine Erklärung.
SPIEGEL: Aber die Schmiergeldzahler werden sich doch durch Geständnisfreude nicht freiwillig eine hohe Strafe einhandeln, nur um Sie zu belasten?
ANTES: Es ging in diesen Prozessen nicht um Summen, sondern um Tatsachen.
SPIEGEL: Dazu gehört, daß der inzwischen wegen Bestechung verurteilte Rechtsanwalt Christoph Schmidt-Salzmann Ihnen schrieb: »Lieber Wolfgang! Aus gegebenem Anlaß muß ich an unsere Abmachung erinnern. Wie Du weißt, habe ich Dir 200000 DM bezahlt.«
ANTES: Herr Dr. Schmidt-Salzmann hat in seinen Aussagen diese Summe immer weiter nach unten revidiert.
SPIEGEL: Haben Sie ihm seinerzeit brieflich widersprochen?
ANTES: Ich habe ihm auf diesen Brief nicht geantwortet.
SPIEGEL: Er wollte Sie unter Drohung zu bestimmten Bauentscheidungen veranlassen, andernfalls könne er »sehr ungemütlich werden«. War das physisch gemeint, standen Sie unter Druck?
ANTES: Ich habe es so verstanden und ihn deshalb rausgeschmissen, denn ich lasse mir nicht drohen.
SPIEGEL: Er bot Ihnen sogar an, für Sie CDU-Mitglieder anzuwerben. Hat er das getan?
ANTES: Das hat er früher auch gemacht.
SPIEGEL: Wie viele?
ANTES: Das ist schon zu lange her. Es waren aber einige.
SPIEGEL: Der ehemalige Bordellbesitzer Otto Schwanz, damals ein Parteifreund von Ihnen, zeigte sich gemeinsam mit Berliner Prominenz bei der Eröffnung des Congress-Centrums. Haben Sie ihm die Karte besorgt?
ANTES: Ich habe mit dem Mann überhaupt nichts zu tun. Ich habe auf ihn eine besondere Wut, weil er als Schwadroneur durch Berlin gelaufen ist und möglicherweise Bekanntschaften behauptet hat, die nicht bestehen.
SPIEGEL: Ihnen werden aber enge Kontakte zu Schwanz angelastet. Beispiel: Er soll bei Ihnen für die Lizenzerteilung des Cafes Europa 50000 Mark gezahlt haben.
ANTES: Völlig falsch. Ich habe auf dieses Auswahlverfahren zu keiner Zeit Einfluß genommen und meine Aufgabe auch nicht so aufgefaßt, daß ich Cafes vermieten soll.
SPIEGEL: Der Staatsanwalt hat Sie einen »tributheischenden Wegelagerer« genannt.
ANTES: Wissen Sie, in diesem Prozeß sind zuletzt auch von seiten des Richters ...
SPIEGEL: ... der verglich Sie mit den berühmten Korruptionsbrüdern Sklarek ...
ANTES: ... Dinge gesagt worden, für die ich mich an deren Stelle geschämt hätte.
SPIEGEL: Der Kaufmann Otto Putsch ist verurteilt worden, weil er Sie bestechen wollte. Er erinnerte sich, daß ihn der ehemalige Innensenator Lummer fragte, »ob Antes schon Forderungen gestellt hätte«.
ANTES: Ich weiß von Putschs Kontakten zu Lummer aus der Zeitung.
SPIEGEL: Hat er Ihnen denn von sich aus was in Aussicht gestellt?
ANTES: Ich habe das bisher immer verneint, und ich bleibe dabei.
SPIEGEL: Ihr ehemaliger Bezirksbürgermeister und Parteifreund Eckard Lindemann hat aber auch das Millionenangebot von Putsch bei einem gemeinsamen Mittagessen vernommen. Hat der das erfunden?
ANTES: Ich bin, als ich das in den Ermittlungsakten gelesen habe, wirklich vom Hocker gefallen und habe mich gefragt, was der da gehört haben will.
SPIEGEL: Im Urteil gegen Putsch heißt es sogar, zwischen Ihnen beiden sei es um fünf Millionen gegangen. Das ist gerichtsfest.
ANTES: Mich hat keiner angehört. Ich bedaure außerordentlich, daß Berliner Gerichte dazu neigen, nicht zu hinterfragen.
SPIEGEL: Sie sind als Haupttäter der Berliner Schmiergeldaffäre abgestempelt und abgeurteilt worden. Am Ende ist so ziemlich alles bei Ihnen abgeladen worden, und mancher filzverstrickte Parteifreund mag hoffen, damit gerate der Berliner Sumpf jetzt aus den Schlagzeilen. Fühlen Sie sich von Ihren früheren CDU-Freunden im Stich gelassen?
ANTES: Ich fühle mich von der Partei nicht im Stich gelassen, weil ich weiß, daß eine Partei und ihre Mitglieder sich in so einem Fall derart verhalten müssen wie sie sich verhalten haben.
SPIEGEL: Strafverfolgungsbeamte haben Sie einen »bribe broker« genannt, also einen, der Schmiergeld im Auftrage seiner Partei beschafft.
ANTES: Das liest sich sehr flott, ist mit Sicherheit aber so nicht richtig. Jeder, der in einer Partei eine bestimmte Funktion hat, wird angesprochen auf Finanzierungshilfen für die Partei. Das sind vor allem auch Stadträte, Baustadträte, weil man da vermutet, daß hier entsprechende Kontakte bestehen. Die, so hofft die Partei, werden also nutzbar gemacht. Ich habe überhaupt nichts dabei gefunden seit 1975, das so zu machen. Allerdings habe ich dabei übersehen, daß ich zuletzt Beamter war und man das mit Diensthandlungen in Verbindung bringen konnte.
SPIEGEL: Sind Sie denn stellvertretend für filzverstrickte CDU-Politiker bestraft worden?
ANTES: Ich bin kein Märtyrertyp. Zwar habe ich nicht wie andere in der Partei schwarze Kassen geführt, aber für alle war von Anfang an klar, was für ein Strolch ich sei. Ich hatte überhaupt keine Chance.
SPIEGEL: Sie haben überraschend ein spätes Geständnis abgelegt und dafür eine milde Behandlung eingetauscht.
ANTES: In dem Geständnis steht, was unbedingt drinstehen mußte. Mehr sage ich nicht, weil ich mich ja auch auf den Handel eingelassen habe. Ich mußte nach 14 Monaten Untersuchungshaft überlegen, wie lange ich das noch durchhalte. Gesundheitlich war ich nachweislich in Lebensgefahr, wirtschaftlich vor der Alternative, vielleicht irgendwann mal recht zu bekommen - und dann vor dem Nichts zu stehen.
SPIEGEL: Wie viele prominente Politiker der Stadt müssen jetzt den Zeugen Antes fürchten?
ANTES: Ich weiß ja noch gar nicht, was man mich fragen will.
SPIEGEL: Der Staatsanwalt hat an Sie appelliert, Ihr Wissen in den Dienst der Justiz zu stellen.
ANTES: Er setzt möglicherweise ein Wissen voraus, das ich gar nicht habe. Aber selbstverständlich werde ich überall dort, wo ich gefragt werde, wahrheitsgemäß Auskunft geben und auch geben müssen.
SPIEGEL: Sie sagten aus, Sie seien als Baustadtrat für eine mögliche Bestechung gar »nicht die entscheidende Stelle« gewesen. Wer denn?
ANTES: Wenn ich einmal annähme, ich wäre Bauunternehmer in Berlin und wollte jemanden bestechen, dann gäbe es für mich zwei Etagen: die ganz untere und die ganz obere und dazwischen gar nichts.
SPIEGEL: Und wenn wir einmal annähmen, Baustadträte würden nicht bestochen, dann bliebe ganz oben ja nur die Senatsebene, die denn auch, wie Sie das Gericht wissen ließen, die Anliegen des bestechungsverdächtigen Großspenders Franke »lebhaft unterstützt« haben soll.
ANTES: Ich habe keine Veranlassung zu glauben, daß es nicht Rechtens war was auf Senatsebene gemacht worden ist.
SPIEGEL: Aber an seinen Bestechungsabsichten hat ja vor der Staatsanwaltschaft nicht mal Franke selbst einen Zweifel gelassen.
ANTES: Ich gehe davon aus, daß jeder, der Spenden in bestimmter Größenordnung macht, dies über rein altruistische Dinge hinaus mit Wünschen an die Politik einer Partei oder deren Mandatsträger verknüpft.
SPIEGEL: Ist das eine Erkenntnis, die Sie im Laufe des Verfahrens entwickelt haben?
ANTES: Ich habe früher nie darüber nachgedacht. Aber es ist doch unschwer nachzuvollziehen, wie das etwa bei den jeweiligen Regierungswechseln so läuft: Die einen sacken in den Spenden ab, die anderen nehmen an Spenden zu. Das ist so, seit die Republik besteht.
SPIEGEL: Der Bauunternehmer und Großspender Franke hat notiert, Sie hätten ihm in einem Fall versprochen, »daß alles über die Bühne geht, 3 x 5 ist die Abrede« - dreimal 50000 Mark Schmiergeld war gemeint.
ANTES: Ob jemand anders Schmiergeld empfangen hat, weiß ich nicht. Ich jedenfalls habe von Anfang an Entgegennahme von Geldern eingeräumt und gesagt, daß diese für meine persönliche Parteiarbeit gedacht waren und zu keiner Zeit mit pflichtwidrigen Amtshandlungen zu tun hatten.
SPIEGEL: Von Franke war doch allgemein bekannt, daß auf seiner Empfängerliste Prominente aus Politik und Verwaltung, bis hin zum Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen, standen.
ANTES: Ich habe wirklich erst in den Ermittlungsakten gelesen: Auf Frankes Liste steht ja ganz Berlin. Nun kann man sagen, das ist ein Zeichen dafür, daß es ganz besonders schlimm ist, oder man kann es auch als Normalität betrachten.