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SPRINGER-KONTAKTE Ganz weltfremd

aus DER SPIEGEL 28/1968

Dort, »wo der liebe Gott noch waltet«, wie der Bonner Chronist Walter Henkels einmal schrieb, »wo der Weltenlenker die Wasser noch murmeln und die Vögel im Gebüsch wispern läßt« -- dort liegt, um 30 Kilometer von Bonn entfernt, das Städtchen Waldbreitbach im Westerwald.

Donnerstag letzter Woche kam Wind auf im stillen Wiedtal. Verstört krochen die Camper auf einer Wiese am Ausgang des Ortes aus ihren Zelten. Über ihnen bogen sich unter Luftwirbeln die Fahnenmasten, neben ihnen setzte unter röhrendem Lärm ein Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes zur Landung an.

Um sein Gras bangend, eilte Bauer Heinrich Krumscheid herbei und rief: »He, das gibt's hier nicht!«

Das gab"s doch. Wo sonst der Weltenlenker waltet, tauchten Staatenlenker aus Bonn auf. Dem Drehflügler mit dem Kennzeichen D-HALO entstiegen Bundesfinanzminister Franz-Josef Strauß und Bundestagspräsident Dr. Eugen Gerstenmaier.

Im vorausgeschickten blauen BMW 2000 des CSU-Vorsitzenden kurvten die beiden Fluggäste über einen verschlungenen Waldweg hinauf zum Schamerich, einem Berghügel nördlich der Stadt, den die Einheimischen »Felixhöhe« nennen. Oben wartete Gastgeber Felix von Eckardt, einst Staatssekretär unter Konrad Adenauer, heute CDU-Bundestagsabgeordneter und Eigner eines Landhauses mit Blick auf Waldbreitbach.

Geleitet vom schwarzen Citroen des Hausherrn, waren eine Stunde zuvor. gegen halb zwölf, zwei Hamburger Wagen den Berg emporgerollt -- ein Mercedes 600 (Kennzeichen: HH

* In der Kabine: Barzel, Benda. Gerstenmaier.

HK 474) und ein Mercedes 230. Im 600er saß Axel Springer.

Das Holztor zum Eckardt-Elysium mit dem Schild »Privatbesitz -- Eintritt verboten!« passierten an diesem Tag noch drei Herren aus Bonn: Bundesinnenminister Ernst Benda (CDU), Bundeswissenschaftsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) und CDU/CSU-Fraktionschef Rainer Barzel.

Unter den Kurgästen von Waldbreitbach, denen die Auffahrt der Prominenten Abwechslung im beschaulichen Ferientrott bot, ging das Gerücht, da oben auf der Felixhöhe werde der 65. Geburtstag es Landhausherrn gefeiert, und euch die Kanzler Kiesinger und Brandt seien mit von der Party.

Jedoch, der Geburtstag von Eckardts war schon am 18. Juni gewesen. Und weder der Bundeskanzler noch der Sozialdemokrat Brandt waren zu sehen. Unter sich plauderten die Spitzen der Christenunion, der einstige Bundespressechef und der mächtigste Pressemann der Republik -- einen Monat nachdem die Bonner Pressekommission eine verschärfte Kontrolle des Springer-Trosts empfohlen hatte, und ein gutes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl.

Auf der Terrasse des Hauses, zwischen Schwimmbad, Sonnenschirm und Hollywoodschaukel, konferierten die Herren hei Saft und Sekt. Franz-Josef Strauß entledigte sich -- wie Gesprächspartner Springer -- seines Jacketts, und vertraulich legte der Konzernherr dem CSU-Chef den Arm um die Schultern.

Punkt 13 Uhr begab »ich die Hunde zum Essen (Hauptgang: Kalbssteak). bedient von drei Kellnern des Waldbreitbacher Hotels Becker.

Was vor und nach der Mahlzeit zwischen Politikern und Pressemann beredet wurde, darüber mochten sich die Teilnehmer, vom SPIEGEL befragt, nicht im einzelnen äußern.

Felix von Eckardt erwähnte beiläufig, es habe sich um eine verspätete Einladung zu seinem Geburtstag gehandelt. Und es sei wohl auch über die Fragen der Pressekonzentration gesprochen worden -- das, »was die Kommission da macht; ist ganz weltfremd.

Ernst Benda maß gar dem Treffen so gut wie keine Bedeutung bei: »Wenn mich der Berliner Verband für Saure-Gurken-Großhändler bittet, seine Probleme anzuhören, dann tue ich das auch.«

Am frühen Nachmittag mußte Bauer Heinrich Krumscheid ("Das nächstemal nehme ich Landegebühren") wieder um seine Wiese fürchten. Erneut landete Grenzschutzhubschrauber D-HALO neben dem Campingplatz und hob nach 20 Minuten ab, in der Kabine Barzel, Benda und Gerstenmaier, die vom kleinen Mercedes HH -- AS 1926 aus der Springer-Kolonne zu Tal gefahren worden waren.

Gegen fünf Uhr verließen die letzten Gäste das Eckardt-Domizil im Geleitzug, Voran die DS 21-Flunder des Hausherrn, am Ende Straußens blauer BMW nur mit Chauffeur, in der Mitte der Hamburger 600 mit Axel Springer und Franz-Josef Strauß im Fond. In Köln-Wahn wartete Springers Düsenmaschine »Jet Commander«, Kennzeichen D -- CEAS.

Innenminister Benda flog anderntags mit einem Panam-Jet nach Berlin. In Tempelhof resümierte er viel deutig: »Es war ein Gespräch, wie sagt man doch, über gemeinsam interessierende Fragen.«

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