UNTERNEHMEN / BASF/DOW CHEMICAL Gefährliche Aufblähung
Zoltan Merszei, 47, Europa-Chef des amerikanischen Chemie-Giganten Dow Chemical, war zwei Jahre lang ein geduldiger Geschäftspartner der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik AG (BASF) in Ludwigshafen. Jetzt muckte der Amerikaner auf und forderte mehr Mitbestimmung.
Dow-Manager Merszei hatte sich über ständige Fehlschläge bei einem seit 1968 von den beiden Chemieriesen betriebenen Gemeinschaftsunternehmen geärgert. Damals kauften sich die Amerikaner zu 50 Prozent in die BASF-Tochter Phrix-Werke AG in Hamburg ein. Doch der Faser-Konzern brachte den beiden Partnern bis jetzt nur Verluste (SPIEGEL 34/1970).
Den Mißerfolg lasten die US-Bosse allein den Deutschen an. Denn während sich die Dow-Manager mit Sitz und Stimme im Phrix-Aufsichtsrat beschieden, behielten die deutschen Chemie-Kollegen die Führung in dem von ihnen selbst erst 1967 erworbenen Unternehmen und durchsetzten den Vorstand in Hamburg mit eigenen Leuten, wie dem ehemaligen Finanzexperten der BASF, Erwin Morawski, 39. Die Versuche dieser Mannschaft, in den Werken der einstigen Zellulosefaser-Fabrik Phrix eine moderne Synthetikfaser-Produktion großen Stils aufzubauen, scheiterten kläglich.
Der verlustbringenden Alleinherrschaft der Ludwigshafener Bosse will Merszei nun ein Ende bereiten. Letzte Woche zwang er seinen Bekannten vom Rhein Hilfeleistung und Kontrolle auf: Er kommandierte aus Übersee die zwei Top-Techniker C. C. Armstrong und Thomas Fischel als Prokuristen nach Hamburg.
Bereits im August hatte der Phrix-Vorstand unter dem Druck seiner beiden Großaktionäre die Stillegung der Werke Krefeld und Okriftel bei Frankfurt sowie eines Teils der Siegburger Anlagen beschlossen. Damit schrumpft die Phrix AG (1969 noch 260 Millionen Mark Umsatz, 6000 Beschäftigte) bis Jahresende auf rund ein Drittel ihrer ursprünglichen Größe zusammen.
Die Panne bei Phrix -- für 1970 werden über 100 Millionen Mark Verlust erwartet -- zwang BASF-Chef Bernhard Timm, 61, und seinen Vorstand zum personellen Kehraus: Die Ludwigshafener Bosse schickten letzte Woche den langjährigen Vorstandsvorsitzenden der Phrix AG, Michael Zahn, 62, und dessen Stellvertreter, Franz Kaiser, 60, vorzeitig in den Ruhestand und beorderten Verkaufschef Erwin Morawski als Abteilungsdirektor in die Ludwigshafener Zentrale zurück. Nur Hans Albers, 45, und Hans-Albrecht Bischoff, 56, bleiben im neuen, von fünf auf zwei Köpfe reduzierten Mini-Vorstand.
Auch in der Ludwigshafener Zentrale wurde gesiebt: Willi Danz, 58, Phrix-Aufsichtsratsvorsitzender und Vorstandsmitglied der BASF für den Bereich Kunststoffe und Fasern, ließ sich kurz vor einer Sitzung bei Phrix in Hamburg »aus gesundheitlichen Gründen« (so eine Firmen-Mitteilung) auf unbestimmte Zeit beurlauben. Argwöhnte letzte Woche ein BASF-Aufsichtsratsmitglied: »Das scheint eher eine politische Krankheit.«
Nach diesem Revirement kann Konzernchef Timm indes noch keineswegs auf Ruhe in seinem Hause hoffen. Denn im eigenen Vorstand gärt es seit Wochen. Anlaß für die Zwistigkeiten im Management des drittgrößten deutschen Chemie-Konzerns sind nicht nur die Phrix-Verluste, sondern auch die Expansionspolitik des ehrgeizigen Chemieprofessors Timm. Denn der BASF-Boß, den Branchen-Ersten Bayer und Hoechst seit Jahren auf den Fersen, kaufte seit 1965 Unternehmen mit insgesamt vier Milliarden Mark Umsatz wie Dutzendware zusammen.
So erwarb der Konzern die Lacksiedereien Herbol in Köln, Glasurit und Beck in Hamburg, Siegle in Stuttgart, die Arzneimittelfabrik Nordmark in Hamburg und den Mineralöl- und Düngemittelkonzern Wintershall in Kassel. Zugleich verschuldete sich der Chemie-Trust erheblich; der Kleinaktionär und Hauptversammlungsredner Erich Nold aus Darmstadt errechnete für das letzte Jahr eine Verschuldungsgeschwindigkeit von 125 000 Mark in der Stunde oder einer Milliarde Mark jährlich. Nold: »Eine gefährliche Aufblähung, ohne die Eigentümer zu fragen.«
Der gewaltige Finanzbedarf fachte die heftigen Diskussionen im BASF-Vorstand immer wieder neu an und führte zu einer Kontroverse Timms mit seinem Finanzchef Rolf Magener, der in Presseerklärungen die künftige Finanzkraft des Konzerns stets optimistisch beurteilte.
Noch in dieser Woche sollen in einer außerordentlichen Hauptversammlung die Aktionäre einer Kapitalaufstockung zustimmen, die 230 Millionen Mark in die Kasse der BASF bringen würde. In den letzten Wochen rührten sich freilich zahlreiche Kritiker, die Timm seinen Umsatzhunger und die geschwächte Finanzkraft des Konzerns vorwerfen.
Zum Ärger mit den Aktionären wird für Timm bald neuer Verdruß mit den Amerikanern kommen. Denn auch ein gemeinsames Vorhaben von BASF und Dow Chemical in den USA blieb bislang ohne Fortüne. Dort bauten die beiden Chemie-Riesen seit 1958 die Chemiefabrik Dow Badische Company auf. Verlust bis heute: 180 Millionen Mark.