ALTERNATIVE ENERGIEN Gefahr für Gutmenschen
Aktien der Wasserkraft und Regenerative Energieentwicklung (WRE) AG gelten unter Ökofreaks als ganz heißer Tip: Gerade hat die Firma, die Strom aus Wind und Wasser produziert, ihre sechste Kapitalerhöhung von gut 33,4 Millionen auf über 81 Millionen Mark durchgezogen. »Für die WRE-Aktie sehe ich noch einiges Potential nach oben«, schwärmt Horst P. Popp, Vorstand der Nürnberger Umweltbank.
Die WRE liegt im Trend: Landauf, landab werben Geldsammler Kleinanleger aus der Ökoszene mit Traumrenditen, die sich angeblich mit alternativer Energie erwirtschaften lassen. Als die Plambeck AG, die Windkraftparks entwickelt und vermarktet, im Dezember 1998 an die Börse ging, waren die Aktien 17fach überzeichnet. Wer damals leer ausging, erhielt ein Angebot der Umweltbank, statt dessen doch bei WRE einzusteigen. Die Kunden folgten willig.
»Nachdem die Zahnärzte und Großverdiener abgegrast sind«, sagt Berthold Kirkskothen vom Bundesverband Finanzdienstleistungen, »haben Teile des Marktes jetzt den grün gesinnten Gutmenschen als naiven Kleinanleger entdeckt.«
Popps Umweltbank verdiente an dem Boom kräftig mit: Das Institut war nicht nur am Börsengang von Plambeck beteiligt, sondern auch Treuhänderin der WRE-Aktien. »Die Risiken des Papiers sind aufgrund der Anlageninvestitionen der WRE eingeschränkt«, begründet Banker Popp seinen Optimismus.
Das ist eine kühne Prognose. Denn um manche WRE-Projekte ist es bislang nicht sonderlich gut bestellt. Finanzexperte Popp verweist etwa darauf, die WRE werde beim geplanten Handel mit Ökostrom in Großbritannien sowohl mit Greenpeace als auch dem World Wide Fund for Nature (WWF) zusammenarbeiten. Das jedoch bestreiten beide Umweltorganisationen. »Es gab lediglich ein informelles Treffen, aber keine Verhandlungen«, erklärt Jane Wildblood von Greenpeace in London.
Ob und wann WRE die endgültige Zulassung als Stromversorger auf dem britischen Markt erhält, steht nach Auskunft der zuständigen Behörde noch nicht fest: Bisher fehle der Nachweis, daß die Firma die Belieferung und Abrechnung der Kunden buchhalterisch gewährleisten könne.
Nicht besser sieht es bei anderen WRE-Anlagen aus. Der Windpark Lakonia in Griechenland sollte bereits 1998 Einnahmen in Höhe von 868 000 Mark erzielen. Tatsächlich steht dort bis heute noch kein WRE-Windrad. Dafür ist der vorausgesagte Stromertrag in Lakonia in den WRE-Prospekten wundersamerweise kräftig gestiegen: von 14,238 Millionen Kilowattstunden (kWh) auf nunmehr 20 Millionen kWh jährlich.
Ebenfalls nicht erfüllt haben sich günstige Prognosen für den WRE-Windpark Vila do Bispo in Portugal. Rund drei Millionen Kilowattstunden hat der Zwei-Megawatt-Park seit Inbetriebnahme im Juli 1998 in das Netz gespeist, gut sechs Millionen müßten es nach WRE-Voraussagen sein. Ein zweites Großprojekt der WRE, der geplante Windpark Vila do Bispo II, soll nach Angaben des WRE-Vorstandsvorsitzenden Martin Jakubowski im September ans Netz gehen.
Auch in Italien kommt WRE nicht richtig zum Zuge. Am Wasserkraftwerk Ancinale in Süditalien wird gebaut und gebaut, die für 1998 geplante Inbetriebnahme wurde mehrfach verschoben, inzwischen nennt Jakubowski den Oktober als Starttermin. In den WRE-Prospekten waren bereits im vergangenen Jahr 782 000 Mark Einnahmen für Ancinale avisiert.
In Norditalien wollte die WRE Anfang dieses Jahres den Bau zweier Wasserkraftwerke in Comano beginnen, Stromerlöse von 1,874 Millionen Mark aus den Anlagen sind für 1999 eingeplant, ein gleicher Betrag für 2000. Über eine Bau- oder Betriebsgenehmigung für die Kraftwerke verfügt die WRE bisher aber nicht, lediglich die Wasserrechte sind nach Angaben Jakubowskis gesichert. Beamte der Kommunen wissen bis heute nichts von dem Projekt.
Trotz derlei Ungereimtheiten erfreut sich WRE in Ökokreisen eines guten Rufs. Auf Kongressen des Fördervereins »Eurosolar« tritt WRE-Mitbegründer Jakubowski als gerngesehener Redner auf. Der Eurosolar-Präsident und Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer (SPD) lobt an Jakubowski, er habe »eine besondere Fähigkeit zum Kapitalsammeln«.
Scheer sollte Jakubowski gut genug kennen: Die Ehefrau des Politikers sitzt im WRE-Aufsichtsrat, er selbst wirbt auf einem Prospekt der Berliner Umweltfinanz GmbH mit faksimilierter Unterschrift und seinem Konterfei. Die Umweltfinanz gehört zur Hälfte dem WRE-Gründungsgesellschafter Michael Schäfftlein.
Deutlichen Anteil am Verkaufserfolg der WRE-Aktien dürfte der Herausgeber des Branchendienstes »Öko-Invest«, Max Deml, haben. Im Dezember vergangenen Jahres erschien »Öko-Invest«, dessen normale Auflage bei 1700 Exemplaren liegt, als kostenlose Beilage der »Süddeutschen Zeitung«. Drei Firmen wurden in der Sonderausgabe mit Lob übergossen: ein Lebensversicherer sowie die WRE AG und Schäfftleins Umweltfinanz. Die Kosten für die Herstellung der 240 000 Hefte und deren Vertrieb hätten die darin besprochenen Firmen übernommen, erklärt Deml - er bestreitet jedoch jede Einflußnahme der Finanziers auf die Redaktion.
Experte Kirkskothen hat den jüngsten Verkaufsprospekt der WRE AG untersucht: »Es fehlt eine nachvollziehbare und schlüssige Darlegung der Mittelverwendung«, kritisiert er. »Nebulös« sei, »wie die Erlöse erzielt werden sollen«. Kirkskothen kommt zu dem Ergebnis, daß dieser »mangelhafte Prospekt auf keinen Fall eine positive Anlageempfehlung rechtfertigt«.
Das gilt wohl nicht nur für WRE. Georg Salvamoser lenkt in Freiburg die Solarfabrik GmbH. Der Unternehmer mit besten Beziehungen in der Ökoszene (Bundesumweltpreissieger 1998) hat im vergangenen Jahr gemeinsam mit zwei Geschäftsfreunden die Solar Aktien Gesellschaft (SAG) gegründet.
Die SAG kauft und betreibt Sonnenenergie-Module aus Salvamosers Solarfabrik. Sie bietet Kunden an, die kleinen Kraftwerke auf ihren Dächern zu installieren und ihnen den dort gewonnenen Strom zu Preisen um 1,50 Mark je kWh zu verkaufen - etwa das Fünffache des normalen Preises. Die Investitionskosten für die Anlagen fließen so innerhalb von etwa 15 Jahren an die SAG zurück. Anschließend können die früheren Stromkunden die Module behalten.
Ein gutes Geschäft für die Solarfabrik, die so über einen zusätzlichen Absatzmarkt für ihre Produkte verfügt. Ein ungünstiger Deal jedoch womöglich für die SAG, die das Vermarktungsrisiko trägt. Denn wenn deren Kunden die langfristigen Verträge nicht erfüllen können, muß die SAG neue Abnehmer für den teuren Solarstrom finden.
SAG-Hauptanteilseigner sind nach einer nichtbörslichen Kapitalerhöhung um nominell 15 Millionen Mark (3 Millionen Aktien im Nennwert von 5 Mark) im August vergangenen Jahres mehr als 2700 Kleinanleger, darunter nach Angaben der SAG Prominente wie Außenminister Joschka Fischer und der Fernsehjournalist Franz Alt.
Auch dank öffentlicher Lobpreisung durch den SPD-Politiker Scheer ("Ihre Aktien haben in der Tat das Zeug, 'Solar-Volksaktien' zu werden") brach ein hübscher Run auf die Papiere aus. Sie wurden zuletzt für mehr als 18 Mark je Stück gehandelt.
Bislang läuft der Stromverkauf aber nur sehr schleppend. Die ursprünglich als Großabnehmer für den Solarstrom der SAG vorgesehene Naturenergie AG in Grenzach-Wyhlen will inzwischen nur noch kleine Mengen kaufen.
Zur Blüte verhelfen könnte der SAG das gerade beschlossene »100 000-Dächer-Programm« des Bundeswirtschaftsministeriums, das großzügige Fördermittel für Kleinerzeuger von Solarenergie vorsieht. Danach sind zwar nur »Privatpersonen, freiberuflich Tätige sowie kleine und mittlere private gewerbliche Unternehmen« antragsberechtigt, doch »Ausnahmen sind in begründeten Einzelfällen möglich«.
Eine solche Ausnahme sei die SAG, meint zumindest SAG-Vorstand Harald Schützeichel, der fest mit der 40prozentigen Subventionierung durch das Förderprogramm des Bundes rechnet. Schützeichel verweist auf Rückendeckung durch die Bundestagsabgeordneten Scheer und Michaele Hustedt (Bündnis 90 / Die Grünen), die das 100 000-Dächer-Programm gemeinsam durchgesetzt haben.
Inzwischen geht das Ministerium allerdings auf Distanz: »An die Subventionierung derartiger Unternehmen hatten wir eigentlich nicht gedacht«, erklärt ein Spitzenbeamter. Fraglich ist zudem, ob die Brüsseler EU-Kommission eine solch massive Förderung der SAG überhaupt zuläßt.
»Die Ausschüttung einer Dividende ist vorerst nicht geplant«, hatte die SAG den grünen Aktionären selbst in den Verkaufsprospekt geschrieben. Eine Unternehmensbilanz hat die SAG bisher nicht vorgelegt. »Erst wenn die Bilanz der SAG rauskommt, folgt die große Ernüchterung«, prophezeit ein Insider.
Die fürchtet Johannes Lackmann, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Windenergie, für die gesamte Branche: »Wenn die ersten Seifenblasen platzen, sind nicht nur Börsianer enttäuscht, sondern die ganze Szene gerät in ein negatives Licht.« MATTHIAS BRENDEL