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Briefe

Gefühlvolles Lamentieren
aus DER SPIEGEL 7/1974

Gefühlvolles Lamentieren

(Nr. 3/1974, Reporter Gerhard Mauz über die »Folterforschung« in Hamburg)

Herr Mauz schreibt: »Sollte sich der Angriff gegen den Sonderforschungsbereich 115 in Wahrheit dagegen richten, daß in seinem Raum keine paritätische Mitwirkung stattfindet -- darüber wäre zu reden.« Dazu ist festzustellen: Alle Sonderforschungsbereiche (SFB) der Universität Hamburg unterstehen der Kontrolle des akademischen Senats, der gruppenparitätisch zusammengesetzt ist. Mitglieder des SFR sind zur Zeit vier Professoren, ein ärztlicher Direktor, sechs Dozenten, sechs wissenschaftliche Assistenten und 15 wissenschaftliche Angestellte, woraus sich klar ergibt, daß eine Parität besteht, die keineswegs einseitig zugunsten der Professoren ausfällt. »Gefühlvolles Lamentieren«, wie Mauz schreibt, ist das eine. Ernsthafte wissenschaftliche Mitarbeit, die allein zur (durchaus erwünschten) fundierten Kritik befähigt, sollte eigentlich das andere sein.

Hamburg PROFESSOR DR. H. WALLIS

PROFESSOR DR. DR. A. E. MEYER Universität Hamburg Vorstand des SFB 115

In den Gefängnissen. werden bestimmte Gefangene in einen toten Trakt ge-Sperrt, so daß nicht einmal die Geräusche des Gefängnislebens zu ihnen dringen. Sie sind von Gemeinschaftsveranstaltungen ausgeschlossen, selbst vom gemeinsamen Hofgang, sie bekommen zusätzlich Fliegengitter oder Sichtblenden vor die Zellenfenster. Der Besuchs- und Briefverkehr nach außen wird radikal beschränkt. Dies ist Folter durch Isolation. Wer vor diesem Hintergrund mit der »camera silens« experimentiert. um die Folgen totaler Isolation zu studieren, handelt zynisch und gewissenlos, da er weiß, wozu seine Forschungsergebnisse verwendet werden können.

Stuttgart WOLFGANG SCHMID

Wir sind der Meinung, daß es keine Gefangenen zweiter Klasse gibt. Im Gegensatz zu den Roten Hilfen hat die Schwarze Hilfe immer diese Meinung vertreten. Wir glauben nicht, daß »paritätisch besetzte Gremien« Mißbrauch der »Forschungen« im SFB 115 verhindern können. Denn: es handelt sich eben nicht um Mißbrauch der Ergebnisse -- sondern um das von Anfang an erstrebte Ergebnis.

Hamburg NILS HINRICHSEN

Schwarze Hilfe

Das Merkmal der »camera silens": totale Reizdeprivation« ist einzigartig und wegen seiner Absolutheit mit keiner anderen Realität gleichzusetzen. Aber gerade diese Vergleichbarkeit ist von relevanter Forschung zu fordern. In Hinsicht auf die erhofften Ergebnisse der Untersuchung wären die Wissenschaftler besser beraten, sich an Feldforschung zu halten. So müssen sie sich gefallen lassen, daß kritische Beobachter nur zwei Anwendungsbereiche für die Ergebnisse dieser Experimente entdecken können: Folter und Gehirnwäsche.

Hamburg HALKO WEISS

Die Problematik der Forschungsprojekte liegt weniger darin, daß die dort gefundenen Ergebnisse zur Vervollkommnung physisch spurloser, psychischer Folter dienen könnten -- interessierte Kreise verfügen längst über entsprechende subtile Methoden -- als in der Inhumanität der drei Hauptversuche: Es ist nicht ausgeschlossen, daß den Testpersonen schwere oder leichte psychische Schäden entstehen.

Hamburg ULRICH SCHULZ Liberaler Hochschulverband Hochschulgruppe Hamburg

* Klassenkämpferische Hilfsorganisation, die »alle Gefangene als politische Gefangene« einstuft. Fordert unter anderem: »Knastkommunen in den Anstalten«.

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