Gegenschlag aus Amerika
Über vier Jahre lagen die USA den Europäern, allen voran den Deutschen vergebens in den Ohren, sie sollten ihre Agrarmärkte endlich den Spielregeln des freien Welthandels unterwerfen. Seit voriger Woche scheinen die EG-Staaten erstmals wenigstens bereit, über ihre milliardenschweren Subventionen, Importbarrieren und Exporthilfen bei den Gatt-Handelsgesprächen zu verhandeln. Doch jetzt ist es womöglich zu spät: Die Amis sind krachsauer.
Eine starke US-Lobby, Gewerkschaften und Industrieverbände machen jetzt unter Hinweis auf die Sturheit der EG-Mitgliedsländer Stimmung gegen den bisherigen Plan offener Handelsgrenzen. Eine große Mehrheit seiner Kollegen im Landwirtschaftsausschuß, belehrte Senator Richard Lugar letzte Woche in Washington CDU-Generalsekretär Volker Rühe, sei inzwischen willens, die Gatt-Verhandlungen »sein zu lassen« und über Ex- und Importe mit jedem Land getrennt zu reden.
Die Folgen wären fatal - vor allem für das exportabhängige Deutschland. Anstatt den Welthandel in einem großen Wurf von Zöllen und Beschränkungen zu befreien - dies sollte das Ziel der Gatt-Runde sein -, könnten die großen Industrienationen sich mit immer neuen Handelsbeschränkungen beharken, bis hin »zum Handelskrieg«, so die US-Handelsbeauftragte Carla Hills. Die wirtschaftlichen Schäden sind in Milliarden, die möglichen Arbeitsplatzverluste in Millionen zu schätzen.
Die riskante Situation ist Konsequenz langjähriger Bonner Führungs- und Konzeptionslosigkeit. Seit Beginn der Gatt-Verhandlungen 1986 tönten alle deutschen Wirtschaftsminister, die Interessen der deutschen Industrie, des Handels und der Dienstleistenden dürften nicht einer, wegen der riesigen Subventionszahlungen »unsinnigen Agrarpolitik« (Martin Bangemann) untergeordnet werden. Doch die Wirtschaftsminister von Bangemann über Haussmann zu Möllemann konnten sich gegen die grüne Front und deren Kabinettsvertreter Ignaz Kiechle nicht durchsetzen; hinter dem Allgäuer stand stets Kanzler Helmut Kohl und sorgte sich um die Stimmen bäuerlicher Wähler.
Daran hat sich nichts geändert. Die überraschende Bereitschaft der EG-Minister, nun doch auch über den Agrar-Staatskapitalismus zu reden, geht nicht allzu weit: Die Stützpfeiler des EG-Agrarsystems - etwa Schutz vor billigen Importen, künstlich hohe Preise - sollen unangetastet bleiben. Dabei wird deren Unsinnigkeit durch die jüngsten Produktions- und Lagerstatistiken überdeutlich: Auf Halde lagern 705 000 Tonnen unverkäufliches Rindfleisch, 16 Millionen Tonnen Getreide, 300 000 Tonnen Butter, 330 000 Tonnen Magermilchpulver.
Wenn's geht, werden die Überschüsse im Ausland verschleudert. Über den Verkauf von 200 000 Tonnen Butter aus europäischen Lagerbeständen an die Sowjetunion (1100 Dollar je Tonne) wird derzeit verhandelt. 4000 Dollar pro Tonne bekommen die EG-Bauern, die Differenz trägt der Steuerzahler: 580 Millionen Dollar. Bei solchen Geschäften können die Produzenten aus den USA oder gar aus der Dritten Welt nicht mithalten. Sie bleiben auf ihren Waren, obwohl billiger produziert, sitzen. Das, so Carla Hills, »nehmen wir auf Dauer nicht mehr hin«.
Der Gegenschlag wird überlegt: Europäische Auto- und Textillieferungen könnten von den Amerikanern gestoppt, die Aktivitäten europäischer Banken erschwert werden.