LIECHTENSTEIN Geheiligt und unverletzlich
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein, 53, ist ein freundlicher, vornehmer Herr. Er residiert hoch oben im mittelalterlichen Schloß über dem Hauptort Vaduz und schaut hinab auf gut 75 000 Briefkastenfirmen und seine etwa 30 000 Untertanen.
Daß sich die Züge von Durchlaucht gelegentlich verdunkeln, bringt die deutsche Justiz zuwege, die sich nicht von der liechtensteinischen Landesverfassung irritieren läßt, nach der die Person des Fürsten »geheiligt und unverletzlich ist«.
»Die deutschen Gerichte verweigern mir den Rechtsweg und mißachten die Souveränität Liechtensteins«, klagt Hans- Adam II. und will jetzt den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg und den Internationalen Gerichtshof in Den Haag anrufen. Anfangs ging es nur um ein altes Gemälde - inzwischen sind daraus milliardenschwere Forderungen an die Bundesrepublik erwachsen.
Der ganze Ärger begann 1991 mit einer Kunstausstellung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum: »I Bamboccianti - Niederländische Malerrebellen im Rom des Barock«. Das Denkmalamt im tschechischen Brünn war gern behilflich und lieh einen alten Meister aus.
Das derbe Werk »Szene um einen römischen Kalkofen« hatte Pieter van Laer im 17. Jahrhundert in Öl gemalt. Der burleske
* »Szene um einen römischen Kalkofen« von Pieter van Laer.
Schinken ist heute ein paar hunderttausend Mark wert und hing im früher fürstlichen Schloß Valdice in Mähren, bis er als Leihgabe an den Rhein ging. Kunstinteressierte erfuhren auch die Herkunft des Gemäldes: »Aus der Sammlung des Fürsten von Liechtenstein«.
Da gehöre es auch wieder hin, meinte Hans-Adam II., ließ das Werk am letzten Ausstellungstag beschlagnahmen und zog vor das Kölner Landgericht. Er sei der rechtmäßige Eigentümer, argumentierte der Fürst, das Bild sei nach dem Zweiten Weltkrieg seiner Familie in der Tschechoslowakei gestohlen worden.
»Völlig zu Recht«, konterte das tschechische Justizministerium und berief sich auf die Dekrete des ersten Nachkriegspräsidenten Eduard Benes. Der hatte 1945 verfügt, alle »Deutschen, Magyaren, Verräter und Kollaborateure« seien entschädigungslos zu enteignen. Rund drei Millionen Sudetendeutsche verloren daraufhin ihren Besitz und mußten ihre Heimat verlassen. Die seit Jahrhunderten in Böhmen und Mähren lebenden liechtensteinischen Bürger wurden kurzerhand zu Deutschen erklärt und wie diese aus dem Land geworfen.
So einfach ging das damals. Aber war es auch Rechtens? Ausgerechnet deutsche Richter sollten das nun entscheiden. »Die Klage ist unzulässig«, heißt es quer durch alle deutschen Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht. Die Juristen berufen sich dabei auf eine Nachkriegsbestimmung, die bis heute gültig ist.
Um 1955 nämlich das Besatzungsregime für Westdeutschland aufzuheben, hatten Bonn und die drei Westmächte einen Überleitungsvertrag geschlossen, »zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen«. Sinn der Vereinbarung war unter anderem: Die Deutschen sollten sich nicht uneingeschränkt in die juristische Bewältigung der Kriegsfolgen einmischen dürfen, vor allem nicht in »gegen Deutschland gerichtete Maßnahmen« wie Reparationsforderungen und Enteignungen.
Diese Bestimmung gelte auch im vorliegenden Bilderstreit, sagt das Bundesverfassungsgericht, der Klageweg stehe dem Fürsten in Deutschland also nicht offen.
Pech für Durchlaucht. »Ich habe gedacht, Deutschland sei seit der Wiedervereinigung souverän«, wundert sich nun Hans-Adam II. »Außerdem war unsere Enteignung doch keine gegen Deutschland gerichtete Maßnahme, sondern eine völlig ungerechtfertigte Bestrafung des neutralen Liechtenstein.«
Das leuchtet irgendwie ein - doch auch dazu wollen sich die Karlsruher Verfassungsrichter nicht äußern, denn »über die Rechtmäßigkeit der Einordnung als deutsches Vermögen« hätten die deutschen Gerichte ebenfalls nicht zu befinden.
So haben sich die Richter aus der komplizierten Causa gemogelt. Doch der Fürst gibt nicht auf. Das Bild ist nicht mehr so wichtig - nun geht es um das große Ganze.
»Wenn die deutschen Gerichte die tschechische Darstellung akzeptieren, wonach wir Liechtensteiner deutscher Nationalität sind, dann wollen wir auch wie Deutsche behandelt werden«, beschreibt der Alpenmonarch die bizarre Situation: »Bonn muß uns Entschädigung zahlen.«
Das könnte teuer werden. 160 000 Hektar Land, Schlösser, Forstbetriebe und Kunstgegenstände wurden den Liechtensteinern seinerzeit weggenommen. Hans-Adam II.: »Wenn man mal alles durchrechnet, kommen da bestimmt gut eine Milliarde Schweizer Franken zusammen.«
* »Szene um einen römischen Kalkofen« von Pieter van Laer.