CIA GEHEIMDIENSTE
Amerikas unsichtbare Regierung hat einen neuen, bisher unsichtbaren Chef: Richard Helms, 53, dessen Vorfahren aus Deutschland in den amerikanischen Kohlenpott Pennsylvania auswanderten.
Als »die unsichtbare Regierung« der USA gilt seit dem gleichnamigen Bestseller der beiden US-Journalisten David Wise und Thomas B. Ross die Central Intelligence Agency (CIA), jene 20 000 Mann starke Spionage-Organisation, die seit ihrer Grundung im Jahre 1947 nicht nur rote Geheimnisse ausspähte, sondern auch linke Regime stürzte (1953 in Iran und 1954 in Guatemala) und rechte Regierungen errichtete (1960 in Laos, im selben Jahr und 1964 im Kongo).
Die offizielle Vita des neuen Agentenchefs ist aufschlußarm, wie es sich für einen Geheimdienstmann gehört, der stets im Unsichtbaren wirkt. Und Richard Helms ist gelernter Geheimer. Das ist auch der Schlüssel zu seiner überraschenden Ernennung.
»Traditionsgemäß ist die CIA eine verschwiegene Behörde«, betonte Amerikas neuer Geheimdienstchef nach seiner Ernennung am vorletzten Wochenende. »Ich glaube, die Verschwiegenheit sollte bei mir beginnen.«
Mit Helms erklomm zum erstenmal seit den Tagen des legendären CIA -Chefs Allen Dulles, Bruder des verstorbenen US-Außenministers John Foster Dulles, ein intellektueller Abwehrprofi die Kommandobrücke des Geheimdienst-Hauptquartiers Langley bei Washington.
Helms, der seit seinem Schulbesuch in Deutschland und der Schweiz fließend Deutsch und Französisch spricht, war nach seinem Studium in den dreißiger Jahren Europa-Korrespondent der Nachrichtenagentur United Press. Während des Krieges aber sammelte er Nachrichten für den amerikanischen Geheimdienst OSS, für den in Bern auch Allen Dulles agierte. Helms ist somit schon länger Spionage-Spezialist, als es die CIA gibt.
Bis 1961 diente Helms unter Allen Dulles, dem Gentleman-Spion aus Passion, der - im Gegensatz zum jetzt von Bord gegangenen Admiral Raborn von fast jedem prominenten Staatsmann sagte: »Oh, ich kenne ihn persönlich.«
Dulles - bei dem Richard Helms zum stellvertretenden Leiter der Planungsabteilung aufstieg - führte seine Organisation zu triumphalen Erfolgen (beispielsweise dem Bau eines Abhörtunnels zum Sowjet-Hauptquartier in Ost-Berlin) und ins Desaster: Nach Kennedys Schweinebucht-Fiasko, das auf falsche Informationen der CIA zurückzuführen war, mußte Dulles 1961 abmustern.
Dulles-Nachfolger wurde ein Branchenfremder: Kennedy nominierte John McCone, einen Schiffbau-Millionär und fähigen Administrator, der zuvor der Atomenergiekommission präsidiert hatte.
Doch McCone mußte einsehen, daß die komplizierte Maschinerie der CIA auf die Dauer von einem Außenseiter nicht zu steuern sei. 1965 trat er zurück und schlug den altgedienten Helms als seinen Nachfolger vor.
Aber Präsident Johnson machte den McCone-Favoriten nur zum stellvertretenden CIA-Chef. An die Spitze des Geheimdienstes stellte er einen Landsmann aus Texas, den Admiral William F. Raborn, der - anders als seine Vorgänger - über besonders gute Beziehungen zum
Kongreß verfügte, seit er sich als Entwicklungschef der Polaris-U-Boot-Raketen ausgezeichnet hatte.
Die guten Kontakte allein genügten nicht. Bald schrieb die »New York Times« über Raborn: »Ein guter Mann am falschen Platz.«
Die Männer im CIA-Hauptquartier Langley - wo mehr Akademiker pro Quadratmeter arbeiten als in jeder anderen US-Regierungsbehörde - mokierten sich über ihren Chef Raborn, der auf einer Konferenz nach der Bedeutung des Wortes »Oligarchie« (Herrschaft einer kleinen privilegierten Gruppe) fragte. Auch viele Hauptstädte und regierende Staatsmänner wußte der Leiter des weltweiten Spionagenetzes angeblich nicht zu nennen.
Obendrein versuchte der zweckentfremdete Admiral seine schlauen Jungs wie Matrosen eines Flaggschiffes zu kommandieren. Raborn zu Mitarbeitern: »Ich will Wind spüren, wenn Sie über den Korridor gehen.«
Unter Admiral Raborn war die CIA »ein leckes Schiff« ("Newsweek") geworden. Profi Helms soll es nun wieder flottmachen.
Bisheriger CIA-Chef Raborn »Ich will Wind spüren...
Neuer CIA-Chef Helms
... wenn Sie über den Korridor gehen«