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BRANDENBURG Geheimnisverrat im Hause Schönbohm

aus DER SPIEGEL 49/2004

Die Parlamentarische Kontrollkommission des Potsdamer Landtages will einen Geheimnisverrat aufklären, in den womöglich die Spitze des Brandenburger Innenministeriums verwickelt ist. Im Frühjahr hatte der Verfassungsschutz Innenminister Jörg Schönbohm und Staatssekretär Eike Lancelle (beide CDU) darüber informiert, dass in einer Potsdamer Moschee aufwiegelnde Reden gehalten würden. Im Freitagsgebet, so die Erkenntnis des Dienstes, habe ein junger Palästinenser nicht nur für die Durchsetzung des Korans, sondern angeblich auch für den Tod Israels gebetet. Schönbohm und Lancelle plädierten dafür, den vermeintlichen Hassprediger mit aller Härte des Gesetzes zu verfolgen. Doch selbst das CDU-geführte Justizministerium Brandenburgs gab zu bedenken, dass dem Prediger Volksverhetzung nur schwerlich nachzuweisen sei, und riet von einer Strafverfolgung ab. Die Verfassungsschützer wiederum fürchteten um ihre Quellen, die sie bei einem Strafverfahren hätten offen legen müssen. Wenige Tage vor der Landtagswahl im September aber machte ein Schönbohm-Intimus den Fall öffentlich. Sven Petke, Innenexperte der CDU-Landtagsfraktion und heute Generalsekretär der Partei, warnte in der »Märkischen Allgemeinen« vor einem »Kaplan von Potsdam«, einem »Hassprediger gegen den Westen«. Nach einer Anzeige des Imam, der alle Vorwürfe zurückweist, ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft gegen Petke wegen Verleumdung. Sie habe bislang keine Indizien für dessen Behauptungen ermitteln können. Potsdamer Parlamentarier hegen den Verdacht, die Information über den Prediger sei »gezielt im Wahlkampf lanciert worden« und könne nur aus dem Innenministerium kommen. Schönbohm wie Lancelle bestreiten, die Information weitergegeben zu haben. Ungewöhnlich allerdings ist, dass der Minister nach Petkes Äußerung keine Strafanzeige wegen Geheimnisverrats stellte. Der Abgeordnete erhielt sogar noch politische Rückendeckung. Im Landtag erklärte Lancelle, Petkes Äußerungen hätten »generell ernste Hintergründe«. Darüber, sagt SPD-Innenpolitiker Klaus Bochow, wundere er sich schon.

Der Vorgang führte zu Spannungen zwischen der Ministeriumsspitze und Verfassungsschützern, deren Chef Heiner Wegesin, 51, Ende des Jahres in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wird. Geheimdienstler werfen Schönbohm vor, sie zu einem »Kulturkampf« zu drängen, obwohl Ausländerextremismus in Brandenburg nur eine geringe Rolle spiele. Auch beim Umgang mit Rechtsextremisten gab es offenbar Differenzen. Nach der Landtagswahl stoppte die Ministeriumsführung die Veröffentlichung einer Wahlanalyse der Verfassungsschützer, die Expertise »Rechts und links der Demokratie/Extremisten zur Landtagswahl 2004«. Einer der Autoren, der Wissenschaftler Helmut Müller-Enbergs, verließ daraufhin den Verfassungsschutz.

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