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SCHWEDEN / USA-BEZIEHUNGEN Geld für Nordvietnam

aus DER SPIEGEL 43/1969

Schwedens neuer Premier Olof Palme verkündete sein Programm. »Simple, aber wichtige Wahrheiten«, so erklärte er den Genossen auf dem Parteitag der Sozialdemokraten, werde Schweden auch künftig vor aller Welt aussprechen. Und: »Was Neutralität ist, bestimmen wir selber.«

Eine der »simplen, aber wichtigen Wahrheiten«, die auf dem Parteikongreß in Stockholm ausgesprochen wurden: Das kommunistische Nordvietnam werde, versprach Außenminister Torsten Nilsson, »noch vor Kriegsende« von Schweden 160 Millionen Mark erhalten -- ein Drittel als Spende, zwei Drittel als Kredit.

Wiederaufbauhilfe für das zerstörte Land in Asien hatten Schweden und seine drei nordischen Nachbarn bereits vor zwei Jahren beschlossen. Nur: Die Zahlungen -- deren Höhe noch nicht feststand -- sollten nicht vor, sondern erst nach Kriegsende, nicht nur an Nordvietnam, sondern an Gesamt-Vietnam geleistet werden.

Der plötzliche Alleingang der Schweden schockte deshalb Dänen, Norweger, Finnen -- vor allem aber die Amerikaner.

Waren die Schweden bisher schon als Hanoi-Sympathisanten verdächtig -- sie erkannten Nordvietnam diplomatisch an, und ihr jetziger Premier

* Planungskommissar Nguyen Van Kha, Moskau- und Stockholm-Botschafter Nguyen Tho Chan, Stockholm-Geschäftsträger Nguven Din Than am 4. September 1969 im schwedischen Außenministerium

führte 1968 gemeinsam mit Hanois Moskau-Botschafter einen Protestmarsch gegen Amerikas Vietnam-Politik -, so gerieten sie nun vollends ins Kreuzfeuer der rechten Amerikaner.

Sogleich nach Nilssons Ankündigung ließ Amerikas staatliche »Export-Import Bank« durchblicken. es sei fraglich, ob sie schwedischen Firmen auch weiterhin Kredite einräumen könne. Denn sie darf ihr Geld nicht in Länder geben, die offiziell ein Land unterstützen, das mit den USA in militärischem Konflikt steht.

Schwedische Unternehmen, darunter die teilweise dem schwedischen Staat gehörende skandinavische Luftfahrtgesellschaft SAS, schulden der Bank bereits rund 300 Millionen Mark. Die SAS benötigt demnächst für Flugzeugkäufe fast eine Milliarde Mark.

»Das undankbare Schweden, das unseren Feinden Geld gibt«, so erregte sich in Washington der republikanische Kongreßabgeordnete William J. Scherle, solle seine Bankschulden sofort zurückzahlen. Für den rechten Südstaatler John R. Rarick war Olof Palme »ein skandinavischer Castro«.

Vier Tage später, beinahe zu spät, erkannte Außenminister Nilsson, was er angerichtet hatte. Er schrieb einen 200 Zeilen langen Leserbrief an die Zeitung »Dagens Nyheter«. Kern des Eingesandts: Vor Kriegsende werde Schweden nur für humanitäre Zwecke Zahlungen an Nordvietnam leisten.

Aber auch Nilssons neue Formel schien den Handelskrieg nicht mehr verhindern zu können: Der Boß der amerikanischen Hafenarbeiter-Gewerkschaft drohte Schwedens Handelsflotte mit Abfertigungsboykott, und das US-Außenministerium erwog »finanzielle Repressalien«.

Erik Sundblad, Generaldirektor des schwedischen Konzerns Stora Kopparberg, meldete das Scheitern eines »unterschriftsreifen« Amerika-Auftrags über 140 Millionen Mark. Der Konzern »Asea« berichtete, seine US-Partner hätten Verhandlungen über Millionen-Kontrakte unterbrochen, bis endgültig geklärt sei, was es mit Stockholms Hanoi-Hilfe auf sich habe.

Das soll nun Außenminister Nilsson den Amerikanern selbst auseinandersetzen: Mitte voriger Woche flog er zur Uno nach New York. Viel wichtiger als die Uno aber ist ihm ein Gespräch mit seinem US-Kollegen Rogers.

Seine Landsleute daheim versuchen währenddessen, den Konflikt herunterzuspielen.

Schwedische Zeitungen verdächtigen den Konzernchef Erik Sundblad, die Krise geschürt zu haben: Sein Millionen-Auftrag sei erst für 1971 bestimmt und keinesfalls unterschriftsreif gewesen. Schwedens auflagenstärkste Zeitung, »Expressen": »Ein Riesenbluff.«

Und Schwedens »Exportrat der kleineren Industrie« erklärte nach Befragung seiner »20 pfiffigsten« Exporteure, nicht ein einziger sei auf amerikanischen Kaufwiderstand gestoßen. Die USA-Partner hätten zwar »kräftig reagiert«, aber eingekauft wie bisher.

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