Genau angucken
(Nr. 23/1980, Bundestag)
Zunächst kann nicht heute schon behauptet werden, daß im nächsten Bundestag nur noch drei weibliche FDP-Bundestagsabgeordnete (1976: vier) sitzen werden. Die Zahl kann sich auf sechs erhöhen, je nachdem, wie hoch der Anteil der sonstigen Parteien ausfällt. Unter den 327 FDP-Listenbewerbern zur diesjährigen Bundestagswahl befinden sich 57 Frauen (= 17,4 %). Auch sind die Spitzenkandidaten der FDP in zwei Bundesländern, Hamburg und Bremen, weiblich.
Keinesfalls hat die FDP »in der vorletzten Woche« das EG-Anpassungsgesetz dadurch verwässert, daß »den Beweis der Benachteiligung die Betroffenen und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, die Arbeitgeber zu führen haben«. Die benachteiligte Frau muß ihre Diskriminierung lediglich glaubhaft machen, nicht beweisen. Zur Glaubhaftmachung reicht bereits eine eidesstattliche Versicherung aus.
Im übrigen ist das Erfordernis der Glaubhaftmachung nicht »in der vorletzten Woche« in den Gesetzentwurf aufgenommen worden, sondern ist bereits seit langem im Regierungsentwurf enthalten.
Die von Ihnen offensichtlich gemeinten Unstimmigkeiten zwischen SPD und FDP »in der vorletzten Woche« konnten dagegen zwischenzeitlich zugunsten der Betroffenen ausgeräumt werden.
Im übrigen stellt das EG-Anpassungsgesetz für die FDP nur »die kleine Lösung« dar. Auf unserem Bundesparteitag am 6./7. Juni 1980 wurde nochmals unsere Forderung nach einem umfassenden Antidiskriminierungsgesetz mit weitreichenden Sanktionsmöglichkeiten und der Einrichtung einer Überwachungskommission bekräftigt und ins Wahlprogramm der FDP aufgenommen.
Bonn GÜNTER VERHEUGEN Generalsekretär der FDP
Aufgefordert, doch ein Kavalier zu sein und zugunsten einer Frau zurückzutreten, habe ich gesagt: »Ein Rücktritt allein des Geschlechts wegen, das nenne ich positive Diffamierung. Das möchte ich keiner Frau antun.«
Frauen, die aus eigener Kraft ein Mandat anstreben, müssen immer noch ein wenig besser sein als ihre männlichen Konkurrenten. Manche gehen deshalb den vermeintlich einfacheren Weg und lassen sich unter Verzicht auf Darstellung eigener inhaltlicher Positionen allein in der Hoffnung auf den »Frauenbonus« von der einen oder anderen innerparteilichen Gruppe gegen einen mißliebigen männlichen Kandidaten S.14 aufstellen. In der Regel merken das weibliche und männliche Delegierte; sie lassen die Frau dann schlicht durchfallen.
Fazit: Es hilft der Emanzipation wenig, wenn Frauen sich allein wegen der biologischen Eigenschaft »Frau« in die politische Auseinandersetzung schicken lassen. Frauen sollten die Männer genau angucken, die das Ziel Emanzipation wirklich unterstützen.
Bonn HANS WALLOW Unterbezirksvorsitzender und Bundestagskandidat der SPD