GERHARD STOLTENBERG
jüngster Minister in Bonn, gilt im Kabinett als der konservative Klare aus dem Norden. Der Pastorensohn gehört zur akademischen Elite der CDU. Nach dem Krieg zunächst Rathausschreiber in seiner schleswigholsteinischen Heimatstadt Bad Oldesloe, studierte er bis 1953 Geschichte, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Philosophie.
1954 promovierte er mit der Dissertation »Der deutsche Reichstag 1871 bis 1873«. Sechs Jahre später habilitierte er sich als Privatdozent für Neuere Geschichte an der Universität Kiel. Schon 1947 Mitglied der CDU, führte er zunächst die »Junge Union« im Norden, später die jungen Christdemokraten im ganzen Bundesgebiet. Nachdem er in den Kieler Landtag gewählt worden war, zog er 1957 als Bundestagsabgeordneter in das Bonner Parlament ein. Ober die Partei bekam er auch Kontakt mit Wirtschaftsführern.
Die technologische Lücke der deutschen Industrie lernte Stoltenberg in der Praxis kennen, als er im April 1965 für 5000 Mark Monatsgehalt in die Dienste des Krupp-Konzerns trat. Er übernahm dort die Stabsabteilung für Wirtschaftspolitik, aber schon noch einem halben Jahr holte ihn die CDU als politische Nachwuchskraft in das zweite Kabinett Erhard. Seither verwaltet er das schwachbrüstige Ressort für Wissenschaft und Forschung.
Reibungslos fügte sich der Technokrat in die Bonner Hierarchie ein. Er widersetzte sich aber Bundeskanzler Kiesingers Wunsch, nach Lückes Rücktritt im März dieses Jahres das Innenministerium zu übernehmen. Stoltenbergs Sinn steht nach Höherem: Er glaubt, sein unterentwickeltes Ressort und die deutsche Forschung doch noch aus der bedrohlichen Enge herausführen zu können.