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NIEDERLANDE / KIELMANSEGG Geschenk vom Himmel

aus DER SPIEGEL 38/1966

Ein deutscher General soll Hollands Sozialisten Schützenhilfe leisten. Mit Angriffen auf Johann Adolf Grat von Kielmansegg, 59, Vier-Sterne-General der Bundeswehr und Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte Europa -Mitte, hoffen Wahlstrategen der »Partij van de Arbeid (PvdA)« - der niederländischen Sozialdemokratie - bei den Parlamentswahlen im nächsten Frühjahr Stimmen zu fangen.

Die PvdA hatte als Koalitionspartner der Katholiken linken Ballast abwerfen müssen. Prompt verlor sie bei Provinz- und Gemeindewahlen fast 20 Prozent ihrer Anhängerschaft.

Mit einem Protestbrief an Präsident Johnson, in dem sie den Rückzug der Amerikaner aus Vietnam verlangten, wollten die Sozialdemokraten das verlorene Terrain zurückgewinnen. Doch da die Regierung im Haag, an der sie beteiligt sind,

die US-Vietnam-Politik unterstützt, büßten die Arbeitsparteiler nur noch mehr an Glaubwürdigkeit ein.

Der von de Gaulle erzwungene Auszug der Nato-Stäbe brachte der sozialistischen Arbeiter-Partei endlich ein »Geschenk vom Himmel« (so ein katholisches Haager Regierungsmitglied, das nicht genannt werden will, zum SPIEGEL). Das Nato-Kommando Europa-Mitte (Afcent), dessen Oberbefehlshaber seit dem 1. Juli General Kielmansegg ist, dem auch die holländischen Nato-Truppen unterstellt sind, soll in die Niederlande verlegt werden. Alte Widerstandskämpfer drängten die rote Gazette »Het Parool«, die Vergangenheit Kielmanseggs zu prüfen. Die Redakteure fanden yenig Böses.

Da kam ihnen ein 18jähriger zu Hilfe. Jungsozialist Arie de Graaf, der im Pariser KP-Organ »L'Humanite« Angriffe gegen den deutschen General gelesen hatte, bat die Redaktion des Kommunistenblattes um die Unterlagen. Er erhielt Kielmanseggs Kriegsbuch von 1941: »Panzer zwischen Warschau und Atlantik«.

Beglückt zitierte Hollands Presse die Erinnerungen des Generalstabs-Hauptmanns aus dem Polenfeldzug:

»In Witskitski war es unglaublich. Unmöglich, darin Unterkunft zu beziehen. Die Häuser starrten vor Schmutz, die Luft war kaum zu atmen. Erklärlich wurde das, wenn man die fast durchweg jüdischen Einwohner sah. Überhaupt haben wir alle es wohl kaum für möglich gehalten; daß es solche Typen, wie wir sie zwar aus dem 'Stürmer' aber doch nicht aus Deutschland kannten, in solcher Zahl und in solcher Vollkommenheit - mit negativen Vorzeichen - in Polen geben könnte.«

Pressechef Hasso Viebig vom Bonner Verteidigungsministerium verteidigte Westdeutschlands Renommier-General. Es sei wahr, daß Kielmansegg das Buch geschrieben habe, der nationalsozialistische Stil sei auch bedauerlich. Aber der Graf sei noch ein junger Hauptmann gewesen und außerdem habe er es schreiben müssen. Sodann verwies der Pressesprecher auf die Beteiligung Kielmanseggs am Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944.

Den niederländischen Kielmansegg -Gegnern war das nicht erwähnenswert erschienen. Auch die Mitwirkung des Grafen an den demokratischen Grundsätzen der »Inneren Führung« - für die er 1965 den Freiherr-vom-Stein-Preis erhielt - verschwiegen sie.

Außenminister Joseph Luns konterte die PvdA-Forderung, »die Gefahr (Kielmansegg) abzuwenden": »Von Kielmansegg wurde unter Mitverantwortlichkeit der niederländischen Regierung berufen.«

Herman Veringa, christdemokratischer Regionalchef der Provinz Limburg, in die der Nato-Stab verlegt werden soll, spottete: »Das ist doch nur ein fauler Trick einer Partei, die bestimmte Wähler erfreuen will. Sie hat aber auf das falsche Pferd gesetzt.«

Denn zumindest die unmittelbar betroffenen Wähler freuen sich nicht über die rote Attacke: Der Nato-Stab soll nach Brunssum in Süd-Limburg verlegt werden. In Brunssum aber müssen unrentable Kohlengruben geschlossen werden. Einzig möglicher neuer Arbeitgeber: Kielmanseggs Stab Europa-Mitte. Er hat 1700 Arbeitsplätze zu vergeben.

De Volkskrant

»Na ja, ich war doch erst 33 Jahre alt«

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