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HAUSHALTSKÜRZUNGEN Geschenke zurück

aus DER SPIEGEL 44/1965

Christ- und Freidemokraten wollen das Gros jener Präsente wieder einsammeln, die sie vor der Wahl an jedermann ausgegeben haben. Ein »Gesetz zur Sicherung des Ausgleichs des Haushalts 1966« soll bereits beschlossene Ausgabengesetze teilweise aus der Welt schaffen.

Einen Monat nach den Bundestagswahlen setzte der Vorstand der CDU/ CSU-Fraktion eine Expertenkommission ein, die unter dem Vorsitz des Remscheider Maschinen-Kaufmanns Peter-Wilhelm Brand einen »Katalog der theoretischen Einsparungsmöglichkeiten« (Brand) verfertigte. Weil im nächsten Jahr höchstens fünf Milliarden Steuer-Mehreinnahmen, mindestens aber zwölf Milliarden Mehrausgaben zu erwarten sind, fehlen im Bundeshaushalt etwa sieben Milliarden Mark.

Dieselöl-Subventionen, Getreidepreis -Ausgleich und Milchpfennige sollen nach Brands Vorstellungen genau wie Wohnungsbau-Förderung und Mutterschaftshilfe helfen, das Riesenloch zu stopfen. Kaum eine Wählergruppe ist vor dem Zugriff der Geschenk-Abholer sicher - »um niemandem auf die Hühneraugen zu treten« (Brand). Den gleichen Kurs steuert Finanzminister Dahlgrün. Gleich nach der Wahl machten sich seine Referenten daran, ihrerseits eine Sparkartei anzulegen. Viele ihrer Kürzungs- oder Streichungsvorschläge gleichen denen des Brand-Katalogs. Dahlgrün: »Alle müssen ran.«

Um ihren Wünschen Gewicht zu verschaffen, drohten Kommission und Finanzministerium zugleich noch weniger populäre Maßnahmen an. Sollte das Parlament zu drastischen Kürzungen im Ausgaben-Etat nicht bereit sein, müßten Tabak- und Alkohol-Steuern angehoben werden; sogar Kanzler Erhard selbst hat seiner Fraktion die drakonischen Maßnahmen angekündigt.

Nachdem Bundesbank-Präsident Blessing am 15. Oktober ("Die Zeit für Entscheidungen ist reif, wenn wir den Status der D-Mark als einer der härtesten Währungen der Welt aufrechterhalten wollen") offen mit weiteren Kreditbremsen gedroht und auch die Brüsseler EWG-Kommission Bonn zu strafferer Währungsdisziplin ermahnt hatte, meldete sich am Freitag letzter Woche noch ein dritter Listen-Kandidat zu Wort. Auch der Bund der Steuerzahler präsentierte ein Sparprogramm, um »der breiten Öffentlichkeit mit allem Nachdruck klarzumachen«, daß eine Radikalkur vonnöten sei.

Angesichts so gefährlicher Rotstift -Pläne rüsten die Subventions-Interessenten vom Bauern- bis zum Beamtenbund zum Lobby-Clinch mit Regierung und Parlament.

Schon Mitte des Monats hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) vorsorglich bei allen drei Fraktionsvorständen telegraphisch gegen den Plan protestiert, die vor den Wahlen zugesagte Anhebung der Beamtengehälter bis zum 1. April nächsten Jahres auszusetzen.

Und der Vorsitzende des - mit dem DGB um die Gunst der Beamten wetteifernden - Deutschen Beamtenbundes, Alfred Krause, murrte: »Ich glaube nicht, daß ein verantwortlicher Bundeskanzler es sich erlauben kann, bindend gegebene Zusagen vom Tisch zu bringen.«

Edmund Rehwinkel, im Umgang mit Subventionsmilliarden erprobter Kämpe der Grünen Front, hat gleichfalls »gefechtsklar« gemeldet. Rehwinkel: »Wir werden keine Abstriche hinnehmen. Wir werden uns wehren.«

Ein erster Erfolg war dem Nährständler bereits beschieden: Auf Rehwinkels Intervention hin verzichtete der Bund der Steuerzahler darauf, die sogenannten Milchpfennige - zusammen machen sie pro Jahr 670 Millionen Mark aus - in seine Kürzungsliste aufzunehmen. Rehwinkel ist Beiratsvorsitzender des niedersächsischen Steuerzahlerbundes.

Spar-Experte Brand

Sieben Milliarden fehlen

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