GRIECHENLAND Gesetz im Leib
Zuerst bin ich Frau, dann erst die Ehefrau des Premiers«, befand Margaret Papandreou, Lebens- und Kampfgefährtin des sozialistischen Ministerpräsidenten Griechenlands.
In ihrer Rolle Nummer eins mußte die gebürtige Amerikanerin ihrem Mann nun den Kampf ansagen. Denn der hat sein Wahlversprechen gegenüber den Frauen, die Abtreibung zu legalisieren, nach drei Regierungsjahren noch immer nicht eingelöst. Besonders pikant: Frau Papandreou ist Vorsitzende der mitgliederstärksten Frauenorganisation, der »Vereinigung der Frauen Griechenlands« (Ege), die Papandreous Pasok-Partei nahesteht. Und dieser Verband verlangt, daß die Sozialisten sämtliche versprochenen Reformen durchsetzen.
Damit haben sie immerhin begonnen. Sie führten die Gleichwertigkeit der standesamtlichen Ehe mit der kirchlichen ein, schafften die einstmals für Bräute obligatorische Mitgift ab und machten den Ehebruch straffrei.
Vor einer Reform der Abortus-Gesetzgebung schrecken sie jedoch zurück, obwohl Papandreou - als Oppositionsführer 1981 - sehr wohl begriffen zu haben schien: »Ein ernstes soziales Problem, das krankhafte und gefährliche Zustände erzeugt.«
In der Tat hat Griechenland eine der höchsten Abtreibungsquoten Europas, nach offiziellen Schätzungen 300 000 im Jahr, nach inoffiziellen eine halbe Million. Nach Angaben des Panhellenischen Ärztevereins entfallen auf jede Geburt zwei Abtreibungen. Die meisten Griechinnen haben mindestens eine Schwangerschaft unterbrochen, in extremen Fällen bis zu 45.
Nach Artikel 304 des griechischen Strafgesetzbuchs droht Schwangeren, die abtreiben oder das durch andere besorgen lassen, eine Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren. Das schreckt indes weder Frauen noch deren Handlanger.
Am Geschäft mit dem illegalen Schwangerschaftsabbruch verdienen vor allem die Mediziner: Frauenverbände schätzen die Jahreseinnahmen aus dieser Quelle auf über 100 Millionen Mark. Diese Summe teilen sich etwa 1400 Frauenärzte, von denen jeder im Durchschnitt 75 000 Mark, selbstredend steuerfrei, kassiert.
Bis 1978 durfte in Griechenland eine Schwangerschaft nur bei Gefahr für Leben oder Gesundheit der Mutter unterbrochen werden. Papandreous konservative Vorgänger ließen den Schwangerschaftsabbruch dann auch straffrei, wenn Vergewaltigung, Inzest oder Verführung vorlagen, wenn der Seelenzustand der Schwangeren gefährdet oder der Embryo geschädigt war.
Diese Erweiterung der Indikation war den Sozialisten zu halbherzig. Gleichwohl präsentierte Justizminister und Strafrechtsprofessor Georgios Mangakis erst nach über zwei Jahren einen neuen Gesetzentwurf - der aber die Frauenverbände keineswegs zufriedenstellte: Schwangerschaftsabbruch sollte demnach bis zur Vollendung des dritten Schwangerschaftsmonats, darüber hinaus nur unter bestimmten Indikationen straffrei sein.
Was die Frauen jedoch am meisten erboste: In allen Fällen mußten die Schwangeren die Zustimmung des gesetzlichen Vaters, Ehefrauen die Einwilligung ihres Mannes einholen. »Eine erneute Unterwerfung unters männliche Joch«, zürnten Funktionärinnen.
Aus anderen Motiven als die Frauen protestierten Ärzte: Nach dem Mangakis-Entwurf dürften die Eingriffe nur in staatlichen Krankenhäusern und auf Kosten der Krankenversicherungen vorgenommen werden. Vor allem aber leistete die griechisch-orthodoxe Kirche Widerstand. Immer wieder erinnerten die Bischöfe die Sozialisten an einen angeblichen Tauschhandel: Demnach hätten die frommen Väter die Einführung der Zivilehe sowie die Entkriminalisierung des Ehebruches nur geduldet, weil die Regierung versprochen habe, ihre Abtreibungspläne zurückzustellen.
Angesichts der Proteste zögerte die Regierung noch, ihren Gesetzentwurf dem Parlament vorzulegen. Da provozierten im Dezember 1983 rund 500 Griechinnen die Justiz mit der öffentlichen Erklärung, »in Kenntnis der gesetzlichen Folgen eine oder mehrere Abtreibungen« unternommen zu haben.
Die nach französischem und deutschem Vorbild (1971) von der parteiunabhängigen »Autonomen Frauenbewegung« eingeleitete Unterschriftenaktion veranlaßte den Staatsanwalt Zeginis, tätig zu werden. Er fischte sich sieben Namen aus den Listen - die Ex-Abgeordnete Virginia Tsouderou, eine Sängerin und fünf Schauspielerinnen - und leitete gegen sie ein Strafverfahren ein.
Als die sieben Sünderinnen im vorigen Monat vernommen werden sollten, kamen sie nicht allein. Rund 400 Frauen belagerten zwei Stunden lang mit Transparenten ("Raus mit den Gesetzen aus unserem Leib") das Justizgebäude.
Das war auch die Stunde, in der in Margaret Papandreou die Frau über die Ehefrau siegte. Sie verhinderte so allerdings auch, daß die Protestwelle gegen die Regierung ihres Mannes schlug:
Frau Papandreou erschien auf der Demo an der Spitze des Ege-Vorstands und rief: »Wenn die Männer jemals abgetrieben hätten, wäre das Gesetz über die Legalisierung längst verabschiedet.«
Nach dem Abzug der Protestlerinnen waren aus dem Gericht auf geheimnisvolle Weise die Akten gegen die bösen Sieben verschwunden.
Und die Oberstaatsanwaltschaft Athens leitete gegen Zeginis ein Verfahren wegen eigenmächtigen Handelns ein, weil er die Ermittlungen gegen die sieben Prominenten ohne Wissen seines Vorgesetzten aufgenommen habe.
Mehr ist wohl auch nicht drin im Wahljahr 1985, in dem sich die Sozialisten mit der mächtigen Kirche nicht anlegen wollen. _(Bei der Trauung von Tochter Sophia 1981. )
Bei der Trauung von Tochter Sophia 1981.