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SÜDAFRIKA Gesetz und Güte

Über hundert Gesetze gegen die Pressefreiheit - Pretoria verschärft seine »totale Strategie«.
aus DER SPIEGEL 6/1981

Es war in den späten 30er Jahren. Die südafrikanische Regierung hatte ein Maulkorbgesetz vorbereitet; die »Verunglimpfung ausländischer Staatsoberhäupter«, gemeint war Adolf Hitler, sollte gestoppt werden.

Da trat der Chefredakteur der Johannesburger Zeitung »Die Transvaler« für die Pressefreiheit ein. Dieser Mann, namens Hendrik Frensch Verwoerd, schrieb: »Die Presse ist gegenüber der Nation verpflichtet, ihre Freiheit bis zum bitteren Ende zu verteidigen.«

Verwoerd, der spätere Premier und Apartheidsvater, hätte es mit solchen liberalen Weisheiten aus seiner Frühzeit heutzutage in Südafrika schwer. »Die Lichter werden über der Pressefreiheit bald verlöschen«, prophezeite schon vor Monaten Tony Mathews, Dekan der Juristischen Fakultät an der Natal-Universität.

Seit vorletzter Woche flackern die Lichter zumindest bedenklich. Denn die beiden größten Zeitungen für schwarze Leser, »Post« und »Sunday Post«, mit rund einer Viertelmillion gemeinsamer Auflage, dürfen nicht mehr erscheinen. Eine Besonderheit des »Internal Security Act«, eines von zahlreichen Sicherheitsgesetzen in der Kap-Republik, machte es möglich.

Ende Oktober war das Personal der beiden Zeitungen für bessere Löhne S.129 und Arbeitsbedingungen in den Streik getreten. Bis zur Einigung im Dezember war die Ein-Monats-Frist abgelaufen, die der »Internal Security Act« Zeitungen einräumt, »die nicht gedruckt und veröffentlicht werden«. Danach »erlischt die Registrierung automatisch«. Will heißen: Der Verleger muß dann für die Zeitung die Neuzulassung beantragen und beim Innenministerium (erneut) 54 000 Mark hinterlegen.

Im Fall der regierungskritischen »Post« und »Sunday Post« kam es aber gar nicht erst soweit. Hal Miller, Managing Director der (weiß geführten) Argus-Verlagsgruppe, der beide Blätter gehören, wurde informiert, daß »bei Neuanmeldung Schritte unternommen werden, die eine Veröffentlichung der Zeitungen verhindern«.

Daraufhin entschied sich das Zeitungsmanagement zum Verzicht.

Südafrikas Zeitungen, die überwiegend liberale englischsprachige wie die traditionell regierungsnahe afrikaanssprachige Presse, reagierten empört. »Schwarze Zeitungen, auch linksgerichtete, sind Zahnräder in der demokratischen Maschinerie«, schrieb »Die Transvaler«. Und Kapstadts »Cape Times« bedauerte »die schlimme Abkehr vom friedlichen Wandel«, den Premier Botha versprochen hatte.

Tatsächlich hatte die häufig beteuerte Reformbereitschaft der Botha-Regierung während der letzten zwei Jahre die Hoffnung geweckt, es gebe womöglich doch noch eine friedliche Lösung für den Rassenkonflikt.

Die internationale Lobby der Apartheidsrepublik verwies unermüdlich auf die Pressefreiheit im Kap-Staat, während im Rest des Schwarzen Kontinents Zeitungen unterdrückt, Journalisten verhaftet und gefoltert würden.

In Malawi zum Beispiel seien »lügende Journalisten« mit Todesstrafe bedroht, in Sambia befahl Präsident Kenneth Kaunda der ohnehin regierungskontrollierten Presse schon vor Jahren, ihr Augenmerk nicht mehr »auf Verbrechen, Konflikte und Fehlleistungen zu konzentrieren«.

In Südafrika dagegen erscheinen so kritische liberale Oppositionsblätter wie die Johannesburger »Rand Daily Mail«, die beinahe täglich »die Tyrannei der Regierung« und die Unfähigkeit der Burenherrschaft in Pretoria anprangert.

Auch »Post« und »Sunday Post« scheuten sich nicht, »die Bürde des weißen Mannes« ironisch zu beklagen und »den Kampf für unsere nationale Befreiung« zu fordern.

Obschon der frühere Informationsminister Cornelius Mulder vor Jahren erkannt hatte: »Unsere freie Presse spart uns Millionen in der Propaganda«, zog die regierende Nationale Partei in neuerer Zeit die Daumenschrauben für Journalisten fester.

Mittlerweile gibt es mehr als 100 Gesetze, welche die Pressefreiheit einschränken. In allen Redaktionen steht der beinahe 300 Seiten starke »Leitfaden des Zeitungsmannes gegenüber dem Gesetz«.

Die Verlage müssen sich Rechtsberater halten, die alltäglich die Manuskripte nach Verstößen zum Beispiel gegen die Gefängnis-, Staatsgeheimnis-, Terrorismus-, Sabotage- und Kommunismus-Paragraphen durchforsten.

»Chefredakteur einer Zeitung in Südafrika zu sein«, schreibt Horace Flather, früherer Chefredakteur des Johannesburger »Star«, in seinen Memoiren, »kommt der Durchquerung eines Minenfeldes gleich -- mit verbundenen Augen.«

Mit einem Bein stehen Südafrikas Pressevertreter ohnehin jederzeit im Gefängnis. Wenn die Sicherheitsgesetze nicht reichen, schaltet die Regierung ihre Kritiker durch den »Bann« aus -- ein vom Justizminister verhängter Hausarrest, meist mit Berufsverbot und zahlreichen Auflagen verschärft, gegen den selbst die Gerichte machtlos sind. Erst um Weihnachten erwischte es wieder zwei farbige Journalisten, die der schwarzen, systemkritischen Journalistengewerkschaft »Media Workers Association of South Africa« (MWA STA) angehören.

Spätestens seit dem Kinderaufstand von Soweto im Juni 1976, den folgenden landesweiten Unruhen und schließlich einem Verbot von »World« und »Weekend World«, den Vorgängern von »Post« und »Sunday Post«, im Oktober 1977 bekennen sich viele junge Schwarze zu radikalen Lösungen.

Rückblickend kommentierte jetzt selbst Johannesburgs »Beeld«-Zeitung, die sonst immer auf Botha-Kurs steuert: »Wenn die Regierung nur auf das gehört hätte, was in der 'World' erschien, hätte der Aufstand (in Soweto) vermieden werden können.«

Den Justizminister Kobie Coetzee ließen die vielen Vorwürfe ungerührt. »Mit Pressefreiheit hat das nichts zu tun«, verteidigte er das Verbot der beiden Zeitungen und deutete an, »Post« und »Sunday Post« hätten die »Revolution« geschürt. Die Beweise allerdings blieb er schuldig, vielleicht weil er seine Lehre aus einer Blamage seines Vorvorgängers gezogen hatte. Nach dem Verbot von »World« und »Weekend World« verlas der einen Bericht über kommunistische Theorie im südafrikanischen Fernsehen -- nur, der Bericht hatte nie in den Zeitungen gestanden.

»Noch nicht einmal mit all ihren Sicherheitsgesetzen konnten sie uns beikommen, deswegen wurden wir durch Ministererlaß gebannt«, sagt einer der 262 Arbeitnehmer bei »Post« und »Sunday Post«. »Die schleichende Zensur durch Gesetzgebung wird folgen«, befürchtet selbst der zahme »Citizen«, der früher mit Millionen aus dem Informationsministerium gespeist wurde.

Premier Botha, der verkündet, Südafrika könne gegenüber dem »totalen Angriff« auf seine Existenz nur mit einer »totalen Strategie« antworten, ließ bereits eine Pressekommission unter Vorsitz des früheren Namibia-Verwalters Marthinus Steyn einberufen.

Im ersten Untersuchungsbericht wurde die Stoßrichtung klar: »Die Überlebens-Trilogie Südafrikas lautet: Arma et leges et benevolentia« -- Waffen, Gesetze und Güte.

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