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»Gesicht und Stimme«

aus DER SPIEGEL 40/1996

Hoyer, 44, ist Beauftragter der Bundesregierung für die EU-Regierungskonferenz.

SPIEGEL: Die Regierungskonferenz für die EU-Reform müht sich mit der Organisation einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik. Gibt es bald den europäischen Außenminister?

Hoyer: Sicher braucht eine gemeinsame Außenpolitik Gesicht und Stimme. Für einen Mann, der den EU-Außenministern vor die Nase gesetzt würde, sehe ich aber keine Mehrheit.

SPIEGEL: Jedenfalls ist der deutsche Außenminister dagegen.

Hoyer: Nicht nur der. Uns gefällt die Möglichkeit besser, einem Generalsekretär, der dem Rat zuarbeitet, die Koordinierung der Außenpolitik zu übertragen.

SPIEGEL: Da hätte er aber viel zu tun, wenn er nebenbei auch sämtliche Fachministerräte koordinieren soll.

Hoyer: Davon könnte ihn ein Stellvertreter entlasten. Übrigens könnte auch der Allgemeine Rat, also der Außenministerrat, entlastet werden. Die stellvertretenden Außenminister oder Staatsminister sind ohnehin schon so stark in Brüssel gefordert, daß sie da auch gleich ein eigenes Büro aufmachen könnten.

SPIEGEL: Sie wollen sich auf Dauer in Brüssel etablieren?

Hoyer: Ich wohl nicht. Das wird eher zukünftig mal für meine Nachfolger gelten. Aber oberhalb der unverzichtbaren ständigen Koordination auf Botschafterebene könnte ich mir eine regelmäßige Ratsarbeit auf politischer Ebene vorstellen, damit sich die Außenminister bei ihren monatlichen Sitzungen auf wirklich hochpolitische Fragen konzentrieren können. Bei dem noch zunehmenden Gewicht der Brüsseler Politik müßten Parlament und Öffentlichkeit besser unterrichtet werden. Da gibt es Mängel.

SPIEGEL: Also ein EU-Staatsminister?

Hoyer: Es geht um nicht weniger, aber auch um nicht mehr als eine unterstützende und entlastende Funktion für die zentrale Clearing-Rolle, die unsere Geschäftsordnung dem Außenminister für die Europapolitik zuweist. Und der heißt Klaus Kinkel. Eine derartige Lösung könnte bei der stetigen Ausweitung der europäischen Anforderungen der Effizienz unserer Brüsseler Politik guttun.

SPIEGEL: Es gibt Pläne, im Kanzleramt künftig einen Staatsminister für Europa zu etablieren, der sich auf die Autorität Helmut Kohls stützen könnte.

Hoyer: Ich halte von einem Europaministerium und folglich auch von einem Europaminister nichts. Und einen Europa-Staatsminister, der sich nicht stützen kann auf Expertise und Apparat des Auswärtigen Amtes, halte ich für eine ziemlich schwache Veranstaltung. Es sei denn, man wollte die im Grundgesetz angelegte Machtbalance zwischen Bundeskanzler und Bundesministern und wohl auch das Koalitionsgefüge in Frage stellen.

SPIEGEL: Was sagen Sie dem Landwirtschaftsminister Borchert, der das alleinige Initiativrecht der EU-Kommission fürs Europa-Recht abschaffen möchte?

Hoyer: Das Initiativrecht der Kommission muß nach meiner Ansicht bestehen bleiben. Aber ich bin dafür, das Aufforderungsrecht des Rates gegenüber der Kommission auszubauen. Wenn die große Mehrheit der Mitgliedstaaten eine Vorlage haben will, sollte die Kommission veranlaßt werden können, diese auch zu liefern.

SPIEGEL: Damit wollen auch Sie die Macht der Kommission beschränken?

Hoyer: Nein, gewiß nicht. Aber ich sehe Bereiche, wo die Kommission mit ihrem Initiativmonopol gar nicht vernünftig umgehen kann, weil sie selbst betroffen ist, zum Beispiel in den Fragen von Status und Entlohnung der Mitarbeiter der EU.

SPIEGEL: Soll die Kommission verkleinert werden?

Hoyer: Hierüber reden wir bei der Regierungskonferenz. Ich persönlich habe große Sympathie für eine wirkliche Reform, bei der jeder Mitgliedstaat Anspruch darauf hat, in der Kommission vertreten zu sein, aber nicht notwendigerweise gleichzeitig, sondern in einem Rotationsverfahren. Wir wollen einen schlanken Staat, warum nicht auch eine schlanke Kommission?

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