Persien-Kenner Dr. Bahman Nirumand, 31, Autor des Buches »Persien, Modell eines Entwicklungslandes"*. kennt Persien fast nur aus seiner Kindheit. Schon 1949, damals 13, kam er nach Deutschland, wo er ab 1956 in München und Tübingen Germanistik, Philosophie und auch Iranistik studierte. In Deutschland promovierte er über »Probleme der Verpflanzung der modernen europaischen Dramen in die neupersische Literatur«, in Deutschland schrieb er auch sein Buch, in dem er sich unter anderem als Intim-Kenner persischer Universitäten vorstellt. Tatsächlich war Nirumand vom Herbst 1961 bis 1964 vorübergehend in Persien -- als Lehrer am Goethe-Institut und an der Deutschen Schule in Teheran mit einem Monatssalär von zusammen etwa 2000 Mark -, hat aber »niemals eine iranische Universität von innen gesehen« (Goethe-Institut Teheran). 1954 kehrte Nirumand als Stipendiat der Humboldt-Stiftung nach Deutschland zurück und lebt heute, mit einer Deutschen verheiratet, in West-Berlin.
Nirumand: »Dieses Buch philosophiert nicht. Es liefert Fakten, wo die Gegenseite mit gutem Grund philosophiert, Details, wo andere großzügige und ungenaue Bögen ziehen, und rechnet Zahlen vor, wo sonst von Humanismus gesprochen wird.«
> Nirumands Buch erschien im März 1967. Das Reformprogramm des Schahs begann im Januar 1963. Nirumand vermittelt dennoch das Bild eines Steinzeit-Persien: Seine Zahlenangaben stammen fast ausschließlich aus der Zeit vor 1962. Nirumand: Unter Premierminister Mossadegh wurde die persische Handelsbilanz 1953/54 aktiv. Der Exportüberschuß betrug 2294 Millionen Rial.
> Nirumand errechnete -- so ermittelte die Hamburger Zeitschrift »Orient« -- die Ziffer für den Export auf der Grundlage des günstigen Schwarzmarktkurses, die Importzahl aber auf der Basis des offiziellen Wechselkurses. Bei gleicher Bemessungsgrundlage bestand in der von Nirumand angeführten Periode ein Handelsbilanzdefizit von 2814 Millionen Rial (bei offiziellem Kurs) oder 7331 Millionen Rial (bei Schwarzmarktkurs).
Nirumand: Zwischen 1947 und 1951 wurde im Iran weniger Gerste und Reis angebaut als in den Vorkriegsjahren 1934 bis 1938.
> Der Anbau von Gerste stieg -- nach einem Uno-Bericht aus dem Jahre 1955 ("L'évolution économique au Moyen Orient 1945 à
* Bahman Nirumand: »Persien, Modell eines Entwicklungslandes oder Die Diktatur der Freien Welt«; Rowohlt Verlag, Reinbek; 156 Seiten: 2,20 Mark.
1954") -- um das 3,7fache, der von Reis um das 4,6fache. Nirumand: In Persien investieren 1100 Firmen aus Industrieländern. > Bis 1966 hatten sich nach einer Statistik der Iranischen Zentralbank in Persien nur 69 ausländische -- darunter neun deutsche -- Investoren niedergelassen. Selbst unter Einschluß aller Import-Niederlassungen und Banken mit ausländischer Beteiligung ergab sich nur eine Firmenzahl von 263.
Nirumand: Die Direktoren der iranischen Privatbanken sind »Ausländer, die die gesamte Privatwirtschaft kontrollieren«.
> Nirumand verwechselt Privatbanken mit »gemischten Banken«, die zwar auch ausländische Direktoren, in jedem Fall aber einen persischen Generaldirektor haben. Den sechs gemischten Banken -- mit meist 49 Prozent Auslandsbeteiligung -- stehen sieben rein iranische Privatbanken und elf rein iranische Regierungsbanken gegenüber, von denen keine einen ausländischen Direktor hat. Nirumand: 1950 betrug der Verkaufspreis für Öl fünf Pfund Sterling je Tonne, in Persien wurden 31,75 Millionen Tonnen gefördert. In jenem Jahr erzielten die Ölgesellschaften einen Reingewinn von 180 bis 200 Millionen Pfund. > Bei einem Verkaufspreis von fünf Pfund je Tonne und einer Förderung von 31,75 Millionen Tonnen ergab sich ein Gesamtverkaufserlös von 158,75 Millionen Pfund -- 30 bis 40 Millionen Pfund weniger, als Nirumand als Reingewinn ausweist.
Nirumand: Auf dem Campus der Universität von Teheran »sind Unterhaltungen zwischen mehr als drei Studenten untersagt. Zuwiderhandelnde Gruppen werden gegebenenfalls mit Gewalt zerstreut«. > Im Mai dieses Jahres veranstalteten Hunderte von Studenten der Teheraner Universität ein wochenlanges Sit-in und demonstrierten gegen höhere Semestergebühren und schwere Examensbedingungen.
Nirumand: Bei der Bodenreform des Schahs sank der Privatbesitz »um ganze neun Prozent«.
> Diese Angabe stammt aus dem Februar 1964. Die erste Phase der Bodenreform wurde jedoch erst im September 1966 abgeschlossen. Bis dahin waren 18 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche an 22 Prozent der Landbevölkerung aufgeteilt.
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