MARINE Gewaltiger Rammsporn
Eine »enorme Erektion am Ausgang der Kieler Förde« erregt Deutschlands Mariner. Dort hat der Journalist Hannes Hansen einen »überdimensionalen Marinephallus« ausgemacht und dann, schlimmer noch, ein Buch über das anstößige Sujet verfaßt: das Heiligtum der deutschen Kriegsschiffahrt, das Marine-Ehrenmal in Laboe.
Die im Deutschen Marinebund zwecks maritimer Brauchtumspflege vereinten Fahrensleute fühlen sich von Hansen, so der Präsident und Konteradmiral a. D. Hans-Arend Feindt, »unerträglich« beleidigt und befürchten eine »Beeinträchtigung ihres Ansehens«. Der Marinebund unterhält den 72 Meter hohen Turm aus rotem Backstein und Granitblöcken. Das Bauwerk soll an die Opfer zweier Weltkriege mahnen, den Besuchern aber auch die »Bedeutung der Marine vor Augen« führen.
Zu dem Steinklotz, den Hitler am 31. Mai 1936 eingeweiht hatte, fällt den jährlich 400000 Besuchern ganz Unterschiedliches ein. Die einen, so wird in Chroniken überliefert, denken an »den Steven eines Wikingerbootes«, andere an den »Rammsporn eines Panzerschiffes« oder ein »versteinertes Segel«.
Hansen indes fühlt sich allenfalls an einen »gewaltigen und gewalttätigen Penis« erinnert, der wie eine »steingewordene Potenzgeste einer sich entmannt fühlenden Marine« in die Luft rage - eine »Demonstration von Männlichkeitswahn und Machtgelüsten«.
Der Kieler Journalist will verhindern daß der Turm die »deutsche Seele mit der Ejakulation militaristischen Ungeistes schwängert«. Deshalb unterbreitet er in seinem Büchlein _(Hannes Hansen: »Vorschlag das Ma ) _(rine-Ehrenmal zu Laboe von dem ame ) _(rikanischen Künstler Christo einpacken ) _(zu lassen«. Neuer Malik Verlag, Kiel; 96 ) _(Seiten; 10 Mark. )
einen Vorschlag der Offiziere und Matrosen gleichermaßen ins Schlingern brachte: Dem Denkmal solle, als »angemessenes Präservativ«, eine »Schutzhaut« übergestreift werden, am liebsten von dem amerikanischen Verpackungskünstler Christo Javacheff. Von den zehn Mark, die Hansens Buch kostet, sollte eine Mark zur Finanzierung des Projekts in einen »Christo-Laboe-Fonds« fließen. Hansen: »Packen Sie den Phallus ein, Christo.«
Das rief die alten Kämpen an Deck. Die Marinebündler sahen sich einem Antrag mit »ehrverletzendem Charakter« ausgesetzt und zogen vor das Kieler Landgericht. Das legte in der Verhandlung erst einmal fest, was die Ehre der Marine heute wert ist: nur noch halb soviel.
Den Streitwert, laut Anwalt der Mariner 100000 Mark, bestimmte das Gericht mit 50000 Mark. Es widersetzte sich auch dem Ansinnen des Marinebundes, dem Verlag mittels einer einstweiligen Verfügung zu untersagen, das Buch »weiterhin zu verbreiten und zu vertreiben«.
Das Gezerre vor Gericht belebt gerade im 50. Jubeljahr des Denkmals, das dem »Glauben an die Wiederkehr deutscher Seegeltung« gewidmet war, einen lange währenden Streit. Immer wieder hatten Politiker wie der bayrische SPD Bundestagsabgeordnete Rudolf Schöfberger oder der Kieler Landtagsvizepräsident Kurt Hamer (SPD) Anstoß daran genommen, daß mit den ausgestellten NS-Reliquien, mit Ansichten untergegangener Kriegsschiffe oder Modellen von Seeschlachten falsche und gefährliche Traditionen gepflegt würden.
Hansens Projekt, dem umkämpften Marinemal zumindest einen »Schamschutz« zu verpassen, droht, kaum vom Stapel gelassen, schon wieder auf der Stelle zu dümpeln. Christo jedenfalls lehnte ab: er wolle das Berliner Reichstagsgebäude verhüllen und »nichts anderes mehr in Deutschland«. Christo ließ dem Malik-Verlag sogar per einstweiliger Verfügung untersagen, ihn auf dem Buchdeckel »in Zusammenhang mit dem Christo-Laboe-Fonds zu erwähnen«, und drohte weitere gerichtliche Schritte an.
Verlag und Schreiber jedoch bleiben unbeirrt auf Kurs. Eine Mark von jedem der bislang knapp 5000 verkauften Bücher fließt nun in einen Ideenwettbewerb zur Umgestaltung des Bauwerks. Erster Anwärter auf einen Preis ist Verleger Thies Ziemke selber.
Er denkt über eine Lösung nach, die ebenfalls auf »Verfremdung, Neutralisierung des Ehrenmals durch Kunst hinausläuft« - eine Verkleidung mit riesigen, farbigen Neonröhren.
Hannes Hansen: »Vorschlag das Ma rine-Ehrenmal zu Laboe von dem amerikanischen Künstler Christo einpacken zu lassen«. Neuer MalikVerlag, Kiel; 96 Seiten; 10 Mark.