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TOURISMUS / HUMMEL Gewisses Kuriosum

aus DER SPIEGEL 21/1970

Thomas Koroulakis, größter Tabakhändler und Bürgermeister von Kos auf der gleichnamigen griechischen Insel, zwei Kilometer vor der türkischen Küste, Ist dabei, seinen zwei Berufen einen dritten hinzuzufügen: Koraulakis wird Hotelier, und dazu verhilft ihm die hannoversche Touristik-Fabrik »Rummel Reise«.

Als Rummel vorletztes Jahr die Insel erstmals Ins Programm nahm, war sie für die Ferien-Macher aus Niedersachsen nur eine von vielen -- lapidar als »Sonneninsel zum Baden und Erholen« angeboten und am ehesten für solche Touristen geeignet, die schon immer mit Rummel reisten: Facharbeiter, Angestellte, mittlere Beamte.

Doch die Buchungen für Kos tröpfelten mäßig, »die Insel lief eben so recht und schlecht«, so Hans Birkenhäuser, Hummels Planungsbeauftragter und Pressechef. Er entschied: »Wir müssen eben mal eine andere Zielgruppe ansprechen.« Birkenhäuser wußte auch welche: Ärzte und Apotheker.

Denn dem Rummel-Planer, der einst für das Reiseunternehmen Dr. Tigges Bildungsreisen organisiert hatte, war geläufig, daß vier Jahrhunderte vor Christus auf Kos der Griechenarzt Hippokrates, auf den die Mediziner bis heute schwören, lebte und lehrte.

Als im Mal letzten Jahres der Deutsche Ärztetag in Hannover zusammentrat, heilte Birkhäuser das Kos-Geschäft mit Rippokrates' Hilfe. Für 925 Mark ließ er eine Anzeige im Tagungs-Sonderheft des »Niedersächsischen Ärzteblatts« erscheinen und offerierte: »Eine Akademie, die auch Sie noch besuchen sollten: das Asklepieion des Hippokrates.« Griechischklassisch lockte Rummel mit dem »Gleichklang zwischen Körper, Seele und Geist: Baden, Bewegung und Bildung«. 14 Tage Halbpension: 628 Mark.

So stieß Birkhäuser denn bald auf »ein gewisses Kuriosum« -- plötzlich war Kos gefragt. Die »Hummel Reise«, die im Konzern »Touristik Union International« (Scharnow, Touropa, Dr. Tigges und Rummel) bislang »imagemäßig immer eine halbe Stufe tiefer stand« (Birkhäuser), stieß erstmals zum Bildungsbürgertum vor.

Fortan radelten deutsche Akademiker mit Leih-Fahrrädern über die Insel und suchten, wie vom Werbespruch verheißen, »Rast im Schatten des Asklepios-Tempels«. Hummels Kos-Kontingent wurde mit 800 Buchungen um 25 Prozent überschritten und wurde In diesem Jahr noch einmal um 60 Prozent aufgestockt.

Demnächst wird es auch schon mehr Hotels (Birkhäuser: »Bisher kaum eine Handvoll") geben, denn unterdessen hat sich selbst Kos-Bürgermeister Koroulakis eins gebaut und verkündet: »Alles wird sich ändern,« Ändern soll sich auch der Strand vor seinem 8000-Einwohner-Städtchen, der im vorigen Sommer noch schmal war, voller Kiesel und unattraktiv schwarzem Sand.

Das alles tut Korouiakis für die Deutschen, deren Sprache er spricht und deren Mark er mag. Ihnen kredenzt er mit Vorliebe, feierlich, als seien es Reliquien, Holzscheiben mit eigenem Namenszug, und dann plaudert er von Hippokrates. Unter der Platane, von der er das Holz geschnitten habe, sei das Behandlungszentrum des alten Meisters gewesen. Zwar schätzen Wissenschaftler die älteste Kos-Platane nur auf 2000 Jahre, doch deutsche Doktoren halten auf Tradition, und »eine gewisse Sentimentalität spielt da gewiß eine Rolle« (Birkhäuser).

Die Sentimentalität wollen die Hannoveraner auch weiterhin pflegen. Nächstes Hummel-Ziel: Epidauros, altgriechischer Kurort auf dem Peloponnes, Kultstätte des Medizin-Gottes Äskulap.

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