GEWOLLTE KINDER
(Nr. 17/1971, Bundesrichter Dr. Woesner: »Das Gerede vom Mord am Ungeborenen")
Die Zahl der sogenannten Sachkenner, die bei ihren Schätzungen heute noch auf 800 000 oder sogar mehr als eine Million Fälle von illegalen Schwangerschaftsunterbrechungen kommen, wird schon immer seltener. 800 000 Abtreibungen entsprächen einem Verhältnis von Abtreibung zu Geburt wie 1:1; denn im vorigen Jahre wurden rund 810 000 Lebendgeborene registriert. Auch für die Zeit vor der Einführung der Pille spricht fast alles gegen solche Übertreibungen. Auf den Lebenslauf einer Frau umgerechnet, bedeuten solche Annahmen, daß jede Frau zweimal in ihrem Leben abgetrieben haben müßte. Auch die Tatsache, daß es Frauen gibt, die zehnmal oder häufiger eine Schwangerschaft unterbrochen haben -- nach ärztlichen Erfahrungen ein sehr kleiner Kreis -, ändert nichts daran, daß es völlig abwegig ist, mit 800 000 illegalen
Schwangerschaftsunterbrechungen jährlich zu rechnen. Es ist allerdings zu bemerken, daß Bundesrichter Woesner im anschließenden Satz selbst die wirklich seriösen Schätzungen nennt. Danach sollen 80 Prozent aller nichtehelichen und 15 Prozent aller ehelichen Schwangerschaften »vorzeitig beendet werden. Woesner erklärt jedoch irrtümlich, daß dies eine noch höhere Zahl ergäbe. Das Gegenteil Ist jedoch der Fall, wie eine einfache Rechnung zeigt. Wenn 80 Prozent aller
Schwangerschaften unverheirateter Mütter abgebrochen werden, so kommen auf eine nichteheliche Geburt vier Fälle von Schwangerschaftsabbruch. Das wären bei rund 45 000 nichtehelichen Geburten im
Jahr also 180 000 Abtreibungen. Bei den verheirateten Frauen wäre das Verhältnis Abtreibung zu Geburt wie 15:85. Auf 765 000 eheliche Geburten kämen demnach rund 140 000 illegale Schwangerschaftsunterbrechungen -- das wären insgesamt 320 000 Abtreibungen im Jahr, eine durchaus seriöse Schätzung, die allerdings von manchen Gynäkologen (K. W. Schultze, Bremerhaven) und auch vom Bundesministerium der Justiz noch für zu hoch gehalten wird.
Wiesbaden HANS-GÜNTER OEHLERT
Statistisches Bundesamt
Der Trend des SPIEGEL ist mit diesem Artikel aus der letzten Nummer wieder einmal mehr sichtbar geworden: Ihre Abhandlung strotzt von Polemik, Demagogie und tendenziöser Meinungsmache, die Sachlichkeit aber kommt stark zu kurz. Gleichgültig, ob Sie die Abtreibung durch andere Terminologie, wie zum Beispiel Schwangerschaftsunterbrechung, verniedlichen, und unabhängig von weltanschaulichen Gesichtspunkten, bleibt es, was es immer war und ist, nämlich Mord.
Köln DR. EGON R. RHOMBERG
Die konzise Darstellung Dr. Woesners ist zur Sache und in der Sprache
* Richter, Mitglied des 1. Strafsenats am Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
schlechthin beispielgebend. Allein ein Satz wie dieser -- sonst müßte man die gesamte Aussage zitieren -- verdient es, in das Grundgesetz aufgenommen zu werden: »Sachliche Betrachtungsweise, die allein zu vernünftigen Reformergebnissen führt, hat von der weltanschaulichen Neutralität des pluralistischen Staates und dem Toleranzangebot auszugehen.« Es gehört allerhand Zivilcourage dazu, sich als hochgestellter juristischer Beamter so zu exponieren, wohl wissend, daß er sich bösartigster Feindschaft aussetzt.
Freiburg ALFRED BORCHAROT
Die Frauenaktion 70 fordert die totale Streichung der Paragraphen 218 bis 220 StGB, die aus dem Jahre 1871 datieren; weil jede Frau das Recht hat, über ihren Körper selbst zu bestimmen; weil jedes Kind das Recht hat, willkommen geboren zu werden; weil jeder Vater das Recht hat, nur bei gewollter Elternschaft Vater zu werden. Wir fordern: Schwangerschaftsabbruch kann straffrei auf Wunsch der betroffenen Frau auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen von jedem Facharzt nach gynäkologischen Gesichtspunkten durchgeführt werden. Wir wissen: Verhüten Ist besser als abtreiben und fordern deshalb: Alle Kinder und Jugendliche müssen in der Schule rückhaltlos über Verhütungsmittel aufgeklärt werden. Alle Kosten für Verhütungsmittel müssen von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden.
Frankfurt IRENE HÜBNER
Wenn alle unsere Damen, die abgetrieben haben, den Mut hätten, Anzeige gegen sich selbst zu erstatten, wäre die ganze Bundesrepublik ein Zuchthaus, und wir müßten Richter als Gastarbeiter vom Ausland holen. München GERTRUD LELLA