WAFFENHANDEL Gewürze und Gewehre
Schlagzeilen hatte Franz-Joseph ("Seppl") Underberg, 44, bis vor kurzem nur in den Klatschspalten westdeutscher Zeitungen gemacht.
Mal meldeten die Blätter über den Nachfahren des Magenbitter-Erfinders Hubert Underberg, daß seine Luxusjacht »Dione« in einem Trockendock auf Mallorca explodiert sei und Spaniens König Juan Carlos darüber sein Bedauern kundgetan habe. Mal berichtete »Bild«, Rowdies hätten den Rolls-Royce des Unternehmer-Urenkels mit einem Hammer zerdeppert.
Letzte Woche geriet Underberg wieder mal ins Gerede - diesmal nicht als Opfer, sondern als Tatverdächtiger: Die Hamburger Kriminalpolizei wirft ihm vor, sich »sehr intensiv mit der ungenehmigten Vermittlung von Kriegswaffen befaßt« zu haben.
Underberg, nach Einschätzung von Vernehmungsbeamten »eigentlich der Typ des honorigen Hamburger Kaufmanns«, soll mit zwei Geschäftsfreunden versucht haben, einen kapitalen Waffen-Deal einzufädeln. Vermittelt werden sollten Kampfhubschrauber (Typ »Cobra") der US-Firma »Bell Helicopter Textron« im Wert von 150 Millionen US-Dollar, 100 Strahltriebwerke für den russischen Jagdbomber MiG 23, 1500 Geschützrohre verschiedenen Kalibers, 30000 Panzerfäuste, 1000 Panzerfaustabschußgeräte, 900 Panzerabwehrraketen. 1000 Maschinenpistolen sowie zehn Millionen Schuß Kriegsmunition.
Der Hamburger Kripo-Coup löste sogleich einen Expertenstreit aus. Bonner Rüstungsfachleute bezweifelten, daß die Hamburger Kaufleute tatsächlich Zugang zu Kriegsmaterial in dieser Größenordnung gehabt haben. In Frage gestellt wird von Fachleuten vor allem die angeblich geplante Vermittlung der »Cobra«-Kampfhubschrauber. Auch die texanische Herstellerfirma beeilte sich zu versichern, daß ihre Produkte die USA nur auf legalem Wege verlassen könnten. Westdeutsche Ermittler dagegen schließen nicht aus, daß die »Cobra«-Hersteller mit Wissen des amerikanischen Geheimdienstes CIA von den Hubschraubern sogenannte Nullnummern produziert haben, die durchaus über dunkle Kanäle in Krisengebiete gelangen könnten.
Fest steht laut Polizei, daß die Gruppe »enge Kontakte zu lizenzierten Waffenverkäufern und autorisierten Waffenaufkäufern« hatte. Ein Beamter: »Alles potente Leute.«
Profitieren wollte das Händler-Trio vom Verschleißkrieg in der Golfregion, wo sich der Irak und der Iran seit sechs Jahren Materialschlachten mit bislang mehr als 300000 Toten liefern. Per Telephon und Telex soll Underberg in seinem 40-Quadratmeter-Büro im schnieken Stadtteil Pöseldorf Waffenangebote aus aller Welt eingeholt und an Interessenten im Iran und im Irak weitergeleitet haben. Überdies habe das Team versucht, Treffen zwischen Käufern und Verkäufern im Ausland zu vereinbaren, vor allem in Spanien und der Schweiz.
Arrangements dieser Art verstoßen gegen das westdeutsche Kriegswaffenkontrollgesetz, das schon die ungenehmigte Vermittlung von Waffen - selbst wenn sie »sich außerhalb des Bundesgebietes befinden« - mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bedroht. Von diesem Verbot hätten die Beschuldigten, beteuert Underberg, »nichts gewußt«. Er räumt allerdings ein, daß »an mich Leute herangetreten sind, die außerhalb Deutschlands Kriegsgerät kaufen wollten«.
Spekuliert hatte das Hamburger Trio, wie die Fahnder glauben, auf die branchenüblichen Millionenprofite: Insider rechnen mit drei bis fünf Prozent Provision pro Deal. Bei einem von der Polizei auf rund 900 Millionen Mark geschätzten Umsatzvolumen hätte jeder der drei Makler rund zehn Millionen Mark abkassiert.
Dabei können die Beamten das ganze Ausmaß der Transaktionen noch gar nicht überblicken. Bei der ersten Sichtung von mehr als einem Dutzend Aktenordnern, die letzte Woche in Privatwohnungen und Büros der Verdächtigen beschlagnahmt worden waren, fanden die Fahnder Korrespondenz und Preislisten über »weitere Waffengeschäfte ungeheuren Ausmaßes«.
Zugang zur Waffenschieber-Szene erhielten Underberg und Co. nach polizeilichen Erkenntnissen »auf kaufmännisch gewachsenen Wegen«. Jahrelang hatten die Kaufleute ganz legal mit allem möglichen gehandelt. Beim Import von orientalischen Gewürzen und beim Export von Klimaanlagen made in Germany an die iranische Marine sollen sie auch um die Vermittlung von Waffengeschäften angegangen worden sein.
Aufgeflogen sind die Vermittler durch einen Tip der Criminal Investigation Division (CID), einer Art Kripo der amerikanischen Streitkräfte. Die Spezialeinheit ist seit geraumer Zeit Materialdiebstählen aus US-Garnisonen in der Bundesrepublik auf der Spur.
Bei ihren Nachforschungen stießen CID-Fahnder auch auf einen arabischdeutschen Händlerkreis, der durch den Export von US-Panzermotoren in den Iran Verdacht erregt hatte und auch schon deutschen Zollbehörden durch dubiose Geschäfte aufgefallen war. Vom ersten Hinweis der CID bis zu den Hausdurchsuchungen letzte Woche hatte die Kripo allerdings mehr als ein Jahr lang recherchieren müssen.
Ein erster Schlag gelang den Ermittlern schon im Juni. Durch Festnahmen verhinderten sie Waffengeschäfte von rund 1,6 Milliarden Mark, an denen neun Geschäftemacher verdienen wollten, darunter Ex-Bundeswehroffiziere. Vorgesehen war unter anderem, dreißig Kampfpanzer vom Typ M 48 sowie Haubitzen und Flammenwerfer aus England, Belgien und Italien über die Schweiz in den Iran zu verschachern.
Trotz der beiden spektakulären Kripo-Erfolge ist »das bundesweit geknüpfte Netz der Waffenschieber« (Polizei) längst nicht zerschlagen. Weitere Aktionen stehen bevor: In Kürze sollen in drei Bundesländern Hausdurchsuchungen und Festnahmen folgen. _(Auf seiner Jacht »Dione«. )
Auf seiner Jacht »Dione«.