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Gipfel im Blick

aus DER SPIEGEL 18/1975

Die Bundesregierung ist überzeugt, daß die harten DDR-Urteile gegen drei Fluchthelfer -- zweimal lebenslänglich, in einem Fall acht Jahre -- nicht gegen den Fortgang der deutsch-deutschen Entspannungen gerichtet sind. Die extremen Strafen sollen nach Bonner Erkenntnis dazu dienen, die immer stärker werdende Absetzbewegung von medizinischen Spezialisten aus der DDR zu stoppen. So haben die beiden zu lebenslanger Haft verurteilten Berufsschleuser nach DDR-Angaben zwischen 70 und 80 Mediziner, vornehmlich aus Kliniken in den Berliner Stadtteilen Buch und Friedrichshain, gegen einen Kopfpreis von durchschnittlich 40 000 Westmark aus der DDR herausgeschmuggelt. Die DDR-Behörden hoffen, die hohen Strafen würden Risiko und Preise der Fluchthelfer so in die Höhe treiben, daß selbst gutsituierte Mediziner ihren Drang in den Westen zügeln müssen. Kanzler Helmut Schmidt will seine Deutschlandpolitik um so weniger stören lassen, als ihm inzwischen Berichte vorliegen, wonach es sich zumindest bei einem der Lebenslänglichen, dem 41jährigen Wolfgang Schiebel, um einen in der Bundesrepublik gesuchten Kriminellen handelt, gegen den drei Haftbefehle aus Augsburg bestehen. Und Bonns Protest geriet auch noch aus anderem Grund eher zur Pflichtübung: Schmidt will den KSZE-Gipfel im Sommer dieses Jahres in Helsinki zu einem spektakulären Treffen mit SED-Chef Erich Honecker nutzen.

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