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Glänzen kann sie nicht, will sie nicht

aus DER SPIEGEL 23/1975

Als Mitte März in Bonn Deutschlands Banker-Bosse zur Inthronisierung ihres frisch gekürten Verbandspräsidenten Friedrich Wilhelm Christians zusammenkamen, flocht der neue Mann in seine Antrittsrede mit ausgesuchter Artigkeit eine Reverenz an die »herzlich willkommene Abgesandte« des Bundeskanzlers ein. Vorn im Parkett saß nicht Helmut, sondern Hannelore Schmidt, besser bekannt als Loki.

Wenige Wochen drauf, als »Die Welt« den Umzug ihrer Zentralredaktion nach Bonn beging, unterbrach Axel Cäsar Springer seine Festrede vor den geladenen Gästen jählings mit einem nicht minder ausgesucht artigen »Guten Tag, gnädige Frau«, während unten vor der Tür Axel Springer jr. noch immer vergebens auf das Erscheinen des Bundeskanzlers wartete. Der Kanzler kam nicht. Die Dame, die unter Vorantritt ihrer Freundin Marie Schlei bei dem »Welt«-Ereignis auftrat, war wiederum Loki.

Immer häufiger. so kommentierte vorletztes Wochenende die »Welt am Sonntag« des Kanzlers neue Kleiderordnung beim Besuch (besser: beim Fernbleiben) von Bonner Veranstaltungen. schicke Helmut Schmidt Frau Loki als Goodwill-Botschafterin vor. »Neuerdings erscheint sie sogar »in Stellvertretung' des Kanzlers, gewissermaßen die für »menschliche Betreuung' zuständige Sonderbeauftragte des Staatspaares Schmidt.«

Keine schlechte Wahl -- wenn"s so wäre. Aber abgesehen davon, daß zum Beispiel die Banker für »menschliche Betreuung« nach Hausfrauenart gemeinhin keinen allzu dringenden Bedarf haben, ist die Sache mit der »Stellvertretung« doch differenzierter.

»Geschickt«, ihn zu vertreten, hat Helmut Schmidt seine Frau (außer zu den Bankern) bislang allenfalls zu solchen Anlässen wie dem traditionellen Dezember-Besuch des Kanzlers im Altenwohnheim der Arbeiterwohlfahrt. Und zu der »Welt«-Premiere hatte Hannelore Schmidt obendrein eine separate Einladung des Verlegersohnes, den sie, die weiland Lehrerin zu Hamburg, von Kindesbeinen an kennt und der für sie auch heute noch der »kleine Axel« ist.

Was es gleichwohl gibt, ist eine Art konzertierte Aktion des »Staatspaares« Schmidt. Frau Loki formuliert das so: »Natürlich rede ich mit ihm, bevor ich irgendwo allein hingehe. Eine Zensur findet nicht statt.«

Und was nun noch hinzukommt. ist wachsendes Problembewußtsein (nicht nur bei Hannelore Schmidt selber): die Einsicht, daß derlei Goodwill leicht in Overkill umschlagen, jedenfalls an die Grenze des Peinlichen geraten kann. Drum legt Loki auch Wert auf die Feststellung, sie sei sich mit ihrem Mann »vom ersten Tag an einig gewesen. daß die Frau des Bundeskanzlers nicht zu einer halbamtlichen Einrichtung werden darf. Das würde ich sowieso nicht mitmachen«.

Aber daß sie Neuland betritt, das hat sie wohl gewußt. Zum erstenmal übernimmt in Bonn, und nicht nur dort, die Frau des Bundeskanzlers eine Funktion, die mit der bloßen Begleitung des Gatten, mit dem Klischee von der »Frau an seiner Seite« nicht hinlänglich umschrieben ist. Was Luise Erhard gar nicht in den

* Mit Axel Springer jr. (r.) und Claus Jacobi (M.) beim Empfang in der Bonner »Welt«-Redaktion.

Sinn kam, was Marie-Luise Kiesinger wohl nicht durfte und Rut Brandt schlicht nicht wollte, das macht Loki Schmidt: Sie macht sich sozusagen öffentlich -- sie zeigt soziales, immer auch sozialdemokratisches Engagement an der Basis der Mühseligen und Beladenen, und dies, ganz gezielt. vor allem in dem von Vereinsamungskomplexen bedrohten Berlin und im Hamburger Wahlkreis ihres Mannes.

Erstmals ist so zum Beispiel der Klub der »Berliner Trümmerfrauen« in den Kanzlerbungalow eingeladen worden, erstmals auch eine Besuchergruppe aus dem Wahlkreis des Regierungschefs. Erstmals hat eine Kanzlergattin in Berlin-Kreuzberg ein Altenheim und einen Abenteuerspielplatz besucht und dann dem Leiter eines Jugendwerkheims für körperlich und geistig Behinderte einen Scheck überreicht, den sie zuvor als Patengeschenk bei einer Schiffstaufe eingesteckt hatte.

Dabei ist Hannelore Schmidt überhaupt nicht der Typ, der so ein Leben lustig findet. Public Relations sind der schiere Streß für sie, Repräsentation ist nicht Kür, sondern Pflicht. So scheu, so schwierig wie ihre Vorgängerinnen ist sie allemal. Glänzen kann sie nicht, will sie nicht. Und daß alle Welt erwartet, sie grundsätzlich »grinsen« zu sehen, daß nicht einfach die Frau Schmidt gemeint ist, wenn ihre Zuwendung hilfreich sein kann, sondern die Frau Bundeskanzler -- das hat sie zwar gelernt, aber nicht wirklich verwunden.

Eigentlich braucht sie Menschen und nicht Öffentlichkeit; eigentlich ist da ein Defizit. Andererseits aber kann eine Frau, die 27 Jahre lang ihren Beruf ausgeübt hat, nicht den ganzen Tag, sorgsam bewacht, in der Stube sitzen, ihre Erfolgserlebnisse aus Selbstgestricktem ableiten und immer aufbleiben, bis nachts um eins der Mann nach Hause kommt und, zu müde für Mitteilungen oder gar für ein Problemgespräch, noch eine Partie Schach oder Pingpong spielen will.

Also hat Loki Schmidt beschlossen, Bonn und die »Frau Bundeskanzler« als Beruf zu begreifen. Das heißt, beschlossen hat sie es in Wahrheit nicht, sie ist da »so hineingerutscht« -- anfangs übrigens zum milden Erstaunen ihres Gatten, des Kanzlers.

Dieses freilich hat sich inzwischen offenbar gelegt.

Hermann Schreiber

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