Glauben als Patchwork
Glauben Sie an einen Gott? Warum glauben Sie, wie stellen Sie sich Gott vor?« So lauteten die Fragen, die das Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest Anfang Juli im Auftrag des SPIEGEL an 1000 repräsentativ ausgesuchte Deutsche stellte. Das Ergebnis: Zwar glauben zwei Drittel an ein höheres Wesen, doch viele denken an einen Gott, der mit dem des Christentums nichts mehr zu tun hat.
Da sind Katholiken, die an Wiedergeburt glauben, Protestanten, die Gott nicht als Vater begreifen oder an die Dreieinigkeit nicht glauben wollen - und wenn die Kirchen auf das Heil im Jenseits vertrösten wollen, dann sagt knapp ein Drittel aller Gläubigen: »Ewiges Leben? Glaube ich nicht dran.«
Nur noch ein kleiner Teil der Gläubigen kenne sich im Koordinatensystem des Christentums aus, sagt der Infratest-Werteforscher Thomas Gensicke. »Die Mehrheit hat einen diffusen Glauben und merkt gar nicht, wenn sie sich in Widersprüche verwickelt.«
So stimmen zwar beispielsweise 65 Prozent der Gläubigen dem Satz zu: »Gott kennt und schützt mich persönlich«, aber schon bei der nächsten Frage verkündet von diesen 65 Prozent beinahe die Hälfte praktisch das Gegenteil: »Gott hat die Welt zwar erschaffen, aber er nimmt keinen direkten Einfluss auf das tägliche Leben.«
Das Christentum ist vielen nur noch der kulturelle Hintergrund, auf dem die Menschen sich ihre Religion zurechtlegen. Sich auf das christliche Abendland zu beziehen bedeutet nur noch »Abgrenzung zum Islam«, sagt Werteforscher Gensicke. »Dabei berufen sich die Deutschen auf etwas, das sie nicht kennen und dessen Verbindlichkeiten sie nicht gutheißen würden.«
Vielen Christen ist nicht so klar, weshalb sie an Gott glauben. »Weil ich so erzogen bin«, sagt etwa jeder Fünfte. Fast ein Drittel antwortet mit dem relativ hilflosen Bekenntnis »Weil es ein höheres Wesen geben muss«.
Und wofür sind die Kirchen noch wichtig, wollte Infratest zum Abschluss wissen. Den geringsten Zuspruch (46 Prozent) erntete dabei die Antwortmöglichkeit, die sich auf das eigentliche Kerngeschäft der Kirche bezieht: »Um Gottes Wort verbindlich zu deuten«.