US-ASTRONAUTEN GmbH der Helden
Zwei Millionen Mark forderte der
Unterhändler. Dafür bot er das Copyright der Lebensgeschichten von sieben unbekannten Männern zwischen 32 und 38 Jahren. Einer von ihnen sollte als erster Mensch der Geschichte auf einer Rakete ins All reiten und die Welt umrunden.
Amerikas reichstes Bilderblatt, das Magazin »Life«, war bereit, im Wettrennen der US-Raketenjockeys mit den Sowjets die geforderten Millionen auf Sieg zu setzen. Um den Gewinn noch zu erhöhen, verhökerte das Blatt Nachdruckrechte an finanzstarke ausländische Zeitschriften. In Deutschland bot allein die Illustrierte »Quick« über 400 000 Mark.
Doch die heldenhafte Ersttat, zu der einer der sieben Unbekannten von Cape Canaveral aus starten sollte, blieb aus. Nicht Alan B. Shepard vom amerikanischen Himmelfahrtskommando flog als erster um die Erde, sondern Sowjetmensch Jurij Gagarin. Die Illustrierten in aller Welt - auch »Life« und »Quick« - waren gezwungen, ihre Leser mit Bildern und Einzelheiten aus dem Leben des blonden Russen zu versorgen.
Als der US-Astronaut drei Wochen später schließlich zu einem kurzen Hupfer durch den Weltraum startete, hatte Gagarins Triumph ihm längst die Schau in den großen Bilderblättern gestohlen.
Die sieben Astronauten kassierten dennoch die Honorare. Sie hatten eine Art GmbH gegründet, an deren Erträgen alle zu gleichen Teilen partizipieren sollten. Jeder bekam allein aus dem Vertrag mit »Life« rund 70 000 Dollar (280 000 Mark).
Ob Amerikas Himmelsfahrer auch weiterhin ihren frischen Ruhm zu Geschäften nutzen dürfen, ist freilich jetzt in Frage gestellt. Die US-Raumfahrtbehörde Nasa will in diesem Monat aus einer Kandidatenschar zehn neue Astronauten für das Projekt »Gemini« (zwei Mann in einer Raumkapsel) wie auch für das Projekt »Apollo« (Mondflug) auswählen, und die neue Rekrutierung hat eine Kontroverse ausgelöst. Streitfrage: Dürfen Astronauten sich kommerziell betätigen?
Präsident Kennedy und die Raumfahrtbehörde vertreten einen Standpunkt, den die Zeitschrift »Business Week« mit der Schlagzeile »Helden müssen sauber sein« (Heroes must be pure) umriß.
Gegen diese Moral aber hatten Amerikas Raumfahrer verstoßen, wenn auch mit stillschweigender Duldung der Nasa. Alle US-Raumfahrer sind Offiziere der amerikanischen Wehrmacht. Sie wurden für die Dauer des Raumflugprogramms zur Nasa abgestellt und beziehen weiterhin ihren Sold.
Vorsorglich hatte die Nasa den Raumfahrern eine Reihe von Tabus auferlegt. So sollten sie beispielsweise ihr Porträt nicht für Konsumgüterwerbung herleihen oder privat im Fernsehen auftreten. Gegen den Vertrag mit »Life« aber, der im August 1959 unterschrieben wurde und den Astronauten ein kleines Vermögen einbrachte, hatte die Nasa nichts eingewandt.
Die Helden-Aspiranten der Nation engagierten sich einen Rechtsanwalt
namens Leo DeOrsey als Geschäftsberater und investierten gemeinsam in Immobilien:
- 150 000 Dollar in ein 108-Zimmer -Appartementhaus in Washington;
- eine »beträchtliche Summe« in ein
130-Zimmer-Motel ("Cape Colony Motel") in Cocoa Beach;
- eine ebenfalls beträchtliche Summe
in ein Motel in Freeport auf der Großen Bahama-Insel.
Was das Heldenbild der sieben Auserwählten schließlich auch in den Augen John F. Kennedys zu beflecken drohte, war ein Angebot aus Texas. Ein Bauunternehmer in Houston, wo mit großem Aufwand ein Trainingszentrum für Amerikas Raumfahrer gebaut wird, offerierte jedem der Astronauten ein voll möbliertes Eigenheim im Wert von 30 000 Dollar (120 000 Mark).
Eine Prüfung im Verteidigungsministerium ergab, daß keine militärischen Vorschriften existierten, die einem Astronauten als Offizier verwehren könnten,
ein Haus als Geschenk entgegenzunehmen.
Und in Houston betonte der Bauunternehmer, daß an seine Gaben keine Bedingungen geknüpft seien: »Wir betrachten die Geschenke als bestmögliche Art von Public Relations für eine warmherzige, gastfreundliche Gemeinde, die stolz darauf ist, ihre ehrenwerten und hervorragenden Bürger willkommen heißen zu dürfen.«
Doch das Weiße Haus mißtraute der warmherzigen Gemeinde; Kennedy ordnete eine Untersuchung an. Es half auch nichts, daß der Anwalt der Raumfahrer intervenierte. Er habe das Angebot untersucht, verlautbarte Leo DeOrsey, die sieben Offiziere könnten die Gabe ohne Skrupel entgegennehen; es handele sich um eine Offerte von »Heldenverehrern«. Entrüstete sich DeOrsey treuherzig: »In unserem Land wollen wir doch Heldenverehrung nicht für ungesetzlich erklären.«
Aber das Weiße Haus war der Geschäftemacherei von Helden und Heldenverehrern überdrüssig. Nach Konsultation mit Kennedys Beratern gab die Nasa bekannt, »aus grundsätzlichen Erwägungen« habe man den Astronauten eröffnet, daß die Entgegennahme der Häuser nicht »im besten Interesse aller Betroffenen liege«. Die Raumfahrer gehorchten murrend.
Unter welchen Bedingungen die besten Interessen der Nation und der zehn neu zu ernennenden Raumfahrer künftig gewahrt werden sollen, ist noch umstritten. Fest steht nur: »Die Regierung zahlt den Astronauten nicht genug« (so die »New York Times"). Je nach Rang und Dienstalter bekommen sie monatlich zwischen 837,88 Dollar und 1149,68 Dollar, alle Zuschläge inbegriffen. Das entspricht einem deutschen Einkommen von 1670 bis 2300 Mark und »versetzt sie nicht in die Lage«, wie die »New York Times« urteilte, »für ihre Familien beim Eintreten eines Unglücks vorzusorgen«.
Das Angebot einer Lebensversicherung, allen Astronauten eine Police auszustellen und die - zweifellos außerordentlich hohen - Prämien durch patriotische US-Bürger bezahlen zu lassen, hatten die Raumfahrer auf Geheiß der Nasa ablehnen müssen.
So ist weiterhin ungewiß, ob Amerikas Mondfahrer mit einer Lebensversicherung werden starten können.
Amerikas Raumfahrer*: 108 Zimmer in Washington, ein Motel in Cocoa Beach
* Von links: Walter M. Schirra, Alan B. Shepard, Virgil I. Grissom, Donald K. Slayton, John H. Glenn, Malcolm S. Carpenter und Leroy G. Cooper.