Zur Ausgabe
Artikel 73 / 84

Briefe

GNADENGESUCH
aus DER SPIEGEL 16/1965

GNADENGESUCH

Seit Wochen taucht in der Presse immer wieder einmal die Mitteilung auf, ich hätte ein Gnadengesuch für Herrn von Ruffin an den Justizminister von Schleswig-Holstein gerichtet. Auch in zwei Leserbriefen der SPIEGEL-Nummer 14/ 1965 taucht diese Version auf. Bisher habe ich - wie fast immer in solchen Fällen - dazu geschwiegen. Allmählich aber wird es mir doch zu dumm. Ich habe kein Gnadengesuch an den Minister gerichtet.

In Wirklichkeit ist folgendes passiert: Herr von Ruffin suchte mich zusammen mit Oberstleutnant i.G. Breithaupt auf, um mit mir über seine innere Not zu sprechen, in die er durch den Prozeß gekommen war. Herr Breithaupt, sein Schwager, gab mir dann einen Bericht über die Erschießung und über neuerdings erweisbare Fakten, die bei der Verhandlung noch nicht aktenkundig gewesen seien. Der Ernst, mit dem gerade Herr Breithaupt sprach, beeindruckte mich. Und da mein Amt als Seelsorger mich zum Helfen bestimmt, erklärte ich mich zu folgendem bereit: Ich stellte Herrn Breithaupt anheim, ein Gnadengesuch an den Bundespräsidenten zu richten und würde ihm dieses sein (nicht mein !) Gesuch übergeben, wenn ich ihn demnächst bei einer Tagung der Deutschen Forschungsgemeinschaft treffen werde. Dieses Gesuch von Herrn Breithaupt habe ich dann - als Briefträger sozusagen - dem Herrn Bundespräsidenten übermittelt und einige Sätze dazu geschrieben. In diesen Sätzen halte ich mich mit einem eigenen Urteil ausdrücklich zurück und weise nur auf die Schwierigkeit hin, aus der Ruhe der Friedenszeit heraus über eine Grenzsituation des Krieges zu urteilen.

Inzwischen haben die Angehörigen des erschossenen Feldwebels schon seit längerer Zeit Verbindung mit mir aufgenommen, und ich bin froh und dankbar, daß sie verstehen, warum ich so handelte. Allerdings haben mich die Informationen, die ich von ihnen empfing, manches anders beurteilen lassen, als ich es seinerzeit sehen konnte.

Es ist jedenfalls bedrückend zu sehen, wie eine ungenaue Meldung unter der Hand zu einer Falschmeldung wird und einen schließlich doch nötigt, in eigener Sache das Wort zu nehmen.

Hamburg

PROFESSOR D. DR. HELMUT THIELICKE

Thielicke

Zur Ausgabe
Artikel 73 / 84
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren